jene Artikel und Berichte, die Unentschlossenheit gegenüber der neuen Situation verraten und darüber hinaus vielfältige Formen des Protestes, des Widerstandes oder ganz einfach der Ablehnung dokumentieren - auch und gerade außerhalb der größeren Städte. Vielfach ähneln sich die vorgestellten Texte hinsichtlich ihrer Wortwahl, ihrer Bewertungsperspektiven und oftmals auch ihrer Inhalte. Kein Wunder: nationalsozialistische Jubelbekundungen etwa liefen oft nach dem gleichen Schema ab; die Redner bedienten sich sattsam bekannter Agitationsstrategien und verwendeten stereotyp die schon lange eingeübten ideologischen Versatzstücke teils religiöser, teils militaristisch-aggressiver Prägung. Ungeachtet vordergründiger Entsprechungen lassen diese Berichte aber erkennen, wer an den Veranstaltungen beteiligt war, welche historische bzw. politische Legitimation bemüht wurde und wie schon früh die Diktion von Gewalt und Drohungen geprägt war. Auch das Umfeld der nationalsozialistischen Selbstdarstellungen in Form von Deutschen Abenden oder massenwirksam angelegten Aufmärschen tritt deutlicher in den Blick. Und immer wieder sind es konkrete Namen und Orte, die genannt werden - gerade die damit erreichte Aufhebung der Anonymität, mit der übergreifende historische Darstellungen meist arbeiten müssen, weist diesem Quellentext besondere Wirkung zu. Manchmal lesen sich die Berichte von den Aktivitäten gegen die neue Regierung in Berlin ähnlich stereotyp wie jene über die Zustimmung. Aber hier mag das auch daran liegen, daß die jeweiligen Redakteure ihre politische Einstellung offener durchscheinen lassen, als es bei anderen Themen der Fall ist. Selbst vermeintlich bürgerlich-liberale Blätter gefielen sich in einer abfälligen Haltung gegenüber Sozialdemokraten und mehr noch Kommunisten, und auch sozialdemokratisch orientierte Zeitungen hegten kaum Sympathien für die KPD. Besonders die negativen Kommentare der SPD-nahen Schleswig-Holsteinischen Volks-Zeitung aus Kiel veranschaulichen so noch einmal die tiefe Feindschaft zwischen den Linksparteien und lassen deutlich werden, warum es zu der (vor allem später) oft überlegten Volksfront gegen die Nazis nicht gekommen ist. - Insgesamt ermöglichen die hier zusammengetragenen Dokumente also auch einen Einblick in die politische Struktur eines Teils der damaligen Presselandschaft Schleswig-Holsteins.
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Die braune Armee, jubelnd von der Menge begrüßt...?
Kay Dohnke
Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 24