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[Abb. 1: KIELER NEUESTE NACHRICHTEN 8.November 1933]


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Mario Göhring

Vom bürgerlich-nationalistischen Blatt zur "gleichgeschalteten" Zeitung - Die KIELER NEUESTE NACHRICHTEN 1930 - 1934

1. Zeitungen als historische Quellen

Aus der zeitgenössischen Geschichtsschreibung ist "die Zeitung als historische Quelle" [1] nicht mehr wegzudenken. Die Bedeutung dieses Mediums für die Meinungsbildung breiter Bevölkerungsschichten besonders im 20. Jahrhundert ist anerkanntermaßen immens. [2] Zunehmend bedienen sich Historiker der Lokalpresse als unverzichtbare Ergänzung zu oft nur spärlich vorhandenen archivalischen Quellen. Unter dem Postulat, Zeitungen seien ein getreues "Spiegelbild des Zeitgeschehens" [3], wird dabei allerdings häufig auf die dringend notwendige Quellenkritik verzichtet. [4]

Die Geschichte der schleswig-holsteinischen und lübeckischen Presse ist bisher nur äußerst selten zum Forschungsgegenstand gemacht worden. Erst in allerjüngster Zeit finden sich Ansätze für eine Erforschung der Situation in der Weimarer Republik [5] sowie erschöpfende Arbeiten zur Presse zwischen 1945 und 1955. [6] Auch die Verfilmung alter Zeitungen schreitet inzwischen dank der Bemühungen der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek voran. [7]

Über die Entwicklung der regionalen Presse während des Aufkommens und der Herrschaft des Nationalsozialismus jedoch liegen nur unzureichende, zumeist verstreute Hinweise in den allgemeinen Darstellungen sowie in manchen Stadtgeschichten vor. Nur über die SCHLESWIG-HOLSTEINISCHE TAGESZEITUNG und die SCHLESWIG-HOLSTEINISCHE VOLKSZEITUNG gibt es bislang eigenständige Aufsätze zu Einzelaspekten. [8] Zu anderen Presseorganen werden oftmals Pauschalisierungen, teilweise sogar offensichtliche Fehler von Autor zu Autor weitergegeben. [9]

Aus diesem Grunde habe ich in meiner Magisterarbeit "Von Zeitungsverboten, Gleichschaltung und dem ' Kampf um die Leserschaft' - Methoden der ' Nazifizierung' der Presse zwischen 1930 und 1934" am Beispiel ausgewählter Zeitungen aus Kiel, Lübeck und Flensburg die Zeitungen selbst zum Gegenstand der Betrachtung gemacht. Damit sollte einerseits die nötige Vorarbeit für weitere historische Studien geleistet werden, die sich kritisch dieser Tageszeitungen als Quellen bedienen. Andererseits wurde versucht, der Forderung Steensens nach "soliden Quellenstudien zu einzelnen, als besonders typisch anzusehenden Presseorganen" [10] nachzukommen und so der Forschung einen weiteren Baustein zu einer umfassenden Pressegeschichte Schleswig-Holsteins bereitzustellen. [11] Diese Vorgaben machten die Eingrenzung des Themas notwendig.

Mit den Städten Kiel, Lübeck und Flensburg wurde bewußt eine Auswahl nach der Größe sowie der politischen und publizistischen Bedeutung gemacht. Diese drei Städte waren nicht nur Brennpunkte des politischen Geschehens im äußersten Norden des Reiches, sie waren gleichzeitig auch die größten Zeitungsstädte der Region [12], in denen die auflagenstärksten und für die Region bedeutendsten Blätter


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herausgegeben wurden. "In größeren Städten steht sich die Presse scharf gegenüber", stellte schon 1926 die Regierung in Schleswig fest. [13] Deshalb sollten der Konkurrenzkampf der Zeitungen und die unterschiedlichen Vorgehensweisen bei deren "Nazifizierung" [14] auch dort festgemacht werden.

Zeitlich wurde die Untersuchung - bei kleineren Abweichungen - mit dem Jahre 1930 begonnen, da sich zu diesem Zeitpunkt die ersten nationalsozialistischen Parteiblätter etabliert hatten. [15] Außerdem schwenkte 1930 - nach Ende der "Ära Stresemann" und mit Beginn der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf Deutschland - die erste der untersuchten Zeitungen auf NS-Kurs ein. Mit der Reichstagswahl vom September 1930 bot sich zudem ein Prüfstein für die politische Tendenz der Zeitungen an. Als Schlußpunkt der Betrachtungen diente der August 1934. In der Forschung herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, daß nach der Vereinigung der Ämter von Reichspräsident und Reichskanzler in der Person Hitlers die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur und damit die "Nazifizierung" des öffentlichen Lebens endgültig abgeschlossen war. Auch die Zeitungsforschung betrachtet die Ereignisse des 30. Juni 1934 als "definitiven Drehpunkt für die bürgerliche Presse". [16]

Als Grundlage der Untersuchung wurden unterschiedliche Quellenarten herangezogen, die sich gegenseitig ergänzen und mosaikartig ein umfassenderes Bild ergeben. Hierzu wurden die wenigen vorhandenen, dafür aber teilweise sehr ergiebigen archivalischen Quellen ausgewertet und - soweit möglich - aus privaten Nachlässen und bisher unausgewerteten Materialien ergänzt. [17] Dabei stellte sich heraus, daß die heutigen Rechtsnachfolger der untersuchten Zeitungen durchweg nicht im Besitz relevanter Quellen zu sein scheinen. [18]

Als wichtigstes Instrument für die Lenkung der Zeitungen im "Dritten Reich" [19] wurden die Presseanweisungen des Propagandaministeriums berücksichtigt, die seit dem 1. Juli 1933 jede Redaktion täglich erhielt. [20] Zu den wichtigsten Pressekampagnen der Jahre 1933 und 1934 [21], zu politisch oder gesellschaftlich wichtigen Stichtagen [22] und Ereignissen von lokaler Bedeutung wurde untersucht, inwiefern die einzelnen Zeitungen die Anweisungen befolgt oder überhaupt Stellung bezogen haben.

Dabei standen im wesentlichen drei Fragenkomplexe im Vordergrund:

- 1. Die politische Tendenz der ausgewählten Zeitungen und deren Entwicklung mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus und der Machtübernahme [23] wurde detailliert analysiert und - wenn möglich - nach einzelnen Phasen unterschieden. Dabei wurden zur Illustration auch die nötigen Hintergründe wie Besitzverhältnisse, Redakteure, Auflage usw. herausgearbeitet, um eine Grundlage für die von Steensen angeregten "Lebensläufe" einzelner Presseerzeugnisse [24] zu schaffen.

- 2. "Nur allzu bereitwillig wird auch in der Fachliteratur das Klischee von der Gleichschaltung der Presse aufgegriffen und reproduziert". [25] Besonders in den ersten beiden Jahrzehnten nach Kriegsende weckten schlagwortartige Buchtitel wie "Presse in Fesseln" und "Presse in der Zwangsjacke" [26] den Eindruck, jede noch so geringe nonkonforme journalistische Äußerung wäre nach 1933 von vornherein ausgeschlossen gewesen. Dieses vereinfachende Bild wurde anhand ausgewählter Beispiele kritisch überprüft.


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- 3. Dazu war es nötig, das gesamte Spektrum der Methoden der "Nazifizierung" zu behandeln. Sowohl die personelle als auch die inhaltliche und die wirtschaftliche Seite wurden nach Maßgabe der vorliegenden Quellen berücksichtigt. Gleiches galt für die Methoden des Widerstandes [27] und jeder Art von Nonkonformität gegenüber den Maßnahmen von Staat und Partei. Auch mußte die Verschiedenheit individuellen Verhaltens anschaulich gemacht werden. Für jede einzelne Zeitung wurden die charakteristischen Merkmale beider Seiten herausgestellt.

Mit Hilfe dieser Leitfragen sollte ein differenziertes Bild von der "Nazifizierung" der Presse in Schleswig-Holstein und Lübeck gewonnen und die Wechselbeziehung zwischen Politik und Publizistik in den Jahren 1930 bis 1934 veranschaulicht werden.

2. Vom Umgang mit Zeitungsgeschichte - heute

Das im folgenden abgedruckte Kapitel über die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN wurde für diese Publikation ausgewählt, weil die KNN im Beobachtungszeitraum die am weitesten verbreitete - und damit wohl einflußreichste - Tageszeitung war. Außerdem konnte das Blatt im November 1994 sein 100jähriges Bestehen feiern. Eine solche Gelegenheit bietet sich für eine historische Rückschau an - zumal für eine selbstkritische, wie man sie von Journalisten eigentlich erwarten sollte.

Aus dieser Hoffnung heraus bot ich der Chefredaktion der KIELER NACHRICHTEN schon im Februar 1994 an, aus den Ergebnissen der Magisterarbeit einen historischen Hintergrundbericht über die Geschichte der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN zwischen 1930 und 1934 anzufertigen. Das Interesse hielt sich jedoch in sehr bescheidenen Grenzen, so daß ich mein Angebot im Oktober noch einmal schriftlich wiederholte. Die Antwort: Man sei "bereits durch eine Auftragsarbeit von Prof. [Heinz-Dietrich] Fischer aus Bochum 'versorgt', der auch für das von den Kieler Nachrichten geplante Buch über die Geschichte der KN verantwortlich zeichnet." Gleich ein ganzes Buch, dazu noch von einem so renommierten Publizisten wie Prof. Fischer - das hörte sich vielversprechend an und ließ für meine Arbeit neue Erkenntnisse und Anregungen erwarten.

Doch - zu früh gefreut. Prof. Fischer bedauerte auf Nachfrage, "mitteilen zu müssen, daß ich nicht an einer Geschichte der 'Kieler (Neuesten) Nachrichten' arbeite", sondern nur an einer "kleinen historischen Skizze [...] freilich aufgrund einer nicht gerade guten Materialbasis". Am 19. November lag der Sonnabendausgabe der KN dann das angekündigte "Buch" bei: eine 32seitige Jubiläumsausgabe. Der einleitende Artikel versprach noch einmal, das Jubiläum biete Anlaß, "über die Vergangenheit und vor allem die Zukunft nachzudenken. Auf den folgenden Seiten [...] finden sie die Geschichte der Zeitung, finden sie bedeutende Ereignisse aus einem Jahrhundert redaktioneller Berichterstattung und eine Vorstellung des Unternehmens".

Aber statt der "Geschichte der Zeitung" findet der interessierte Leser lediglich Anekdötchen, Zitate und Fotos aus der Kieler Geschichte. Keine ganze Seite nimmt der historische Rückblick von Prof. Fischer ein, dessen Name zudem


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ungenannt bleibt. Der Artikel selbst enthält wegen der vom Autor zugestandenen "nicht gerade guten Materialbasis" leider nichts neues. Einiges gebe es zu ergänzen, teilweise gar zu berichtigen. So wird die KIELER ZEITUNG - die seit dem 1. Juli 1930 KNN-Eigner Curt Heinrich gehörte - als "profiliertes [...] alteingesessenes Kieler Blatt" bezeichnet. Es fehlt jedoch völlig der Hinweis, daß die Zeitung auffälligerweise kurz nach dem Besitzerwechsel, spätestens ab dem Oktober 1930, zu einer eindeutig nationalsozialistischen Zeitung wurde, deren wichtigste Redakteure zu jener Zeit bereits NSDAP-Mitglieder waren. Vor diesem Hintergrund ist der folgende Beitrag als notwendige Ergänzung zu verstehen.

3. Blatt des konservativen Bürgertums und der "nationalen Opposition"

Seit der Gründung der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN im Jahr 1894 [28] war der sächsische Industrielle Karl Leonhardt Inhaber der Zeitung. [29] Durch Heirat seiner einzigen Tochter Irene mit dem Kaufmann Dr. Kurt Heinrich gingen die KNN im Dezember 1929 in den Besitz der Familie Heinrich über. [30] Mit einer Auflage, die sich im gesamten Beobachtungszeitraum zwischen 60.000 und 70.000 Exemplaren bewegte, war sie die am weitesten verbreitete Tageszeitung in der Provinz Schleswig-Holstein; in Kiel wurde sie statistisch fast in jedem Haushalt gehalten. [31] Als traditionelles familiäres Anzeigenblatt der Kieler Bevölkerung, aber auch wegen der Vielzahl von Geschäfts- und Stellenanzeigen [32] nahm sie eine überragende wirtschaftliche Stellung auf dem schleswig-holsteinischen Zeitungsmarkt ein. [33] Dies drückte sich auch in dem Untertitel aus, man beanspruchte, "Das Hauptblatt Schleswig-Holsteins" zu sein. Gleichzeitig hielten die KNN - sicher nicht nur aus Eigeninteresse, sondern auch aus Rücksicht auf die unzähligen Anzeigenkunden von Industrie und Wirtschaft - ausdrücklich das "Banner der Privatwirtschaft" [34] hoch.

Die KNN waren Organ des konservativen Bürgertums, vertraten zu Beginn der Weimarer Republik die Position der DVP [35] und bezeichneten sich selbst als "unabhängig national". [36] Spätestens 1926 jedoch war das Blatt nach Angaben der Behörden "politisch an die Deutschnationale [Volks-]Partei gebunden". [37] Als die DNVP sich ab 1928 unter ihrem Parteivorsitzenden Hugenberg zunehmend im nationalistischen Sinne radikalisierte [38] und dieser als Chef eines Pressekonzerns seine Zeitungen für Hitler öffnete und ihn so "gesellschaftsfähig" machte [39], vollzogen auch die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN diesen Schwenk mit. Sie lehnten die Weimarer Republik als "marxistische[s] System" [40] strikt ab.

Das Anwachsen der NSDAP zur zweitstärksten Partei bei den Reichstagswahlen vom September 1930 verbuchten die KNN als "größten Erfolg" für "die gesamte Rechte, bestehend aus Deutschnationaler Volkspartei und Nationalsozialisten" [41], obwohl die DNVP im Vergleich zu 1928 fast zwei Millionen Stimmen eingebüßt hatte. Das Wahlergebnis insgesamt sei ein deutliches Zeichen dafür, daß sich "die Auffassung der Rechten im Volke durchsetzt". Schon zu diesem Zeitpunkt engagierten sich auch die KNN für das Konzept der "nationalen Opposition" [42], das die NSDAP mit einbezog.

Die sozialdemokratische SCHLESWIG-


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[Abb. 2: Das Redaktionsgebäude der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN am Fleethörn]


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HOLSTEINISCHE VOLKSZEITUNG kritisierte die Haltung der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN bereits im November 1930. Angesichts der offensichtlichen "Nazifizierung" der KIELER ZEITUNG, die im gleichen Verlag wie die KNN erschien, warf das SPD-Organ dem Verleger Heinrich vor, seine beiden Zeitungen aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen politisch unterschiedlich auszurichten:

"Die 'Kieler Neuesten Nachrichten' sind ein ausgesprochen deutschnationales Blatt, und wie Hugenberg kein Hehl aus seiner Freundschaft mit den Nazis macht, so auch nicht die 'Kieler Neuesten Nachrichten'. Aber doch alles mit Maßen. Unter den Abonnenten der 'Neuesten Nachrichten' sind zu viele, die nicht mit der Nazipolitik einverstanden sind, und die doch aufbegehren könnten, wenn die Nazifreundschaft zu offen in die Erscheinung treten würde. So kam man zur Arbeitsteilung zwischen den 'Kieler Neuesten Nachrichten' und der 'Kieler Zeitung'". [43]

Der Vorwurf wirtschaftlicher Motive und einer daraus erwachsenen angeblichen "Arbeitsteilung" kann hier nicht überprüft werden. [44] Eine Annäherung an die Nationalsozialisten jedoch, eine Verteidigung der NSDAP gegen staatliche Maßnahmen, kann durchaus belegt werden. Als zum Beispiel der Kieler Polizeipräsident im Dezember 1930 eine nationalsozialistische Jugendversammlung wegen "schwerer Gefährdung" von eingeladenen Schülern verbot, ergriffen die KNN Partei für die Veranstalter. Den Legalitätsbekundungen der NSDAP sei Glauben zu schenken und das Versammlungsverbot des "marxistischen" Polizeipräsidenten daher völlig unverständlich. Der Nationalsozialismus als "geistige Bewegung [sei] mit einer Politik der Nadelstiche und Scherereien" nicht aufzuhalten. [45] In ironisch-verächtlichen Worten wurde Polizeipräsident Karl Dietrich als einer der "Gebieter auf den roten Polizeithronen Preußens" bezeichnet, der mit dieser Aktion bewußt im Sinne der SPD und gegen die NSDAP gehandelt hätte.

Noch mehrfach erklärten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN die Legalitätsbekundungen der NSDAP öffentlich für glaubwürdig. [46] Alle von der NSDAP getroffenen Maßnahmen und Pläne seien demnach lediglich "Selbstschutz" und mit den Aktivitäten von Reichsbanner und Eiserner Front auf eine Stufe zu stellen. [47] Befürchtungen, die Nationalsozialisten würden einen Bürgerkrieg vorbereiten, wären lediglich der Furcht der "Marxisten" um ihre Machtposition in Preußen entsprungen. Diese aber müßten sich daran gewöhnen, "daß vielleicht auch einmal eine neue Partei ans Ruder kommt" [48], womit nach Ton und Inhalt des Leitartikels nur die NSDAP gemeint sein konnte.

Die Parteinahme der KNN reichte so weit, daß sie vor dem Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtages im August 1931 auf der Titelseite und noch mehrfach im Blatt einen Stimmzettel abdruckten, auf dem das "Ja" bereits angekreuzt war. [49] Die Begründung dafür sowie die genaue Parteiausrichtung der KNN selbst konnte der Leser folgendem Satz entnehmen: "Wenn Du ein Gegner der sozialdemokratischen Partei und des heutigen Systems und damit der heutigen Zustände bist, mußt Du - auch wenn Du mit den extremen Parteien nicht sympathisierst - beim Volksentscheid mit 'Ja' stimmen". [50]

Das Scheitern der Abstimmung wurde den Lesern dann mit der tendenziösen Schlagzeile "Zehn Millionen Wähler fordern Auflösung des Preußischen Landta-


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[Abb. 3: KIELER NEUESTE NACHRICHTEN vom 8. August 1931]

ges" gemeldet. In einem Leitartikel bedauerte der ungenannte Redakteur (wohl Hauptschriftleiter Dr. Fritz Wichmann), daß die erforderliche Stimmenzahl nicht erreicht wurde. Durch ein arithmetisches Konstrukt wurde das Ergebnis durch die KNN auf über 50% schöngerechnet. [51] Vordringliche Aufgabe der von den KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN vielbeschworenen "nationalen Opposition" war nach Ansicht des Redakteurs, die Zusammenarbeit nicht wieder aufzugeben.

Die publizistische Unterstützung dieser auch als "nationale Front" oder "nationale Rechte" bezeichneten nationalistischen Sammlungsbewegung sollte die Berichterstattung der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN bis Ende Juni 1933 wesentlich bestimmen. Davon, daß die KNN "noch 1932 deutlich in die nationalsozialistische Propaganda eingeschwenkt waren", wie Kopper behauptet [52], kann man also nur im Rahmen der Unterstützung der "nationalen Opposition" sprechen, denn die politische Bindung an die DNVP wurde nicht aufgegeben. Eindeutig - jedoch ohne explizite Nennung der DNVP - hieß es zur Reichstagswahl 1930 auf der Titelseite: "Wer Ruhe, Ordnung und Wirtschaftsordnung will, wähle national, bürgerlich und deutsch". [53] Zur Landtagswahl in Preußen druckte man an gleicher Stelle eine programmatische Erklärung Hugenbergs ab [54] und lieferte den Lesern Argumentationshilfen unter der Überschrift "Warum deutschnational?". [55]

Bei den Reichspräsidentenwahlen 1932 ergriff die Zeitung im Gefolge der "nationalen Opposition" eindeutig für Hitler Partei, trotz der "unangenehmen Situation", damit gegen Hindenburg propagieren zu müssen: "Die Entscheidung kann aber nicht zweifelhaft sein. Wer das seitherige System ablehnt, kann, wie die Dinge heute liegen, nicht Hindenburg wählen". [56] Als die NSDAP bei den Landtagswahlen in Preußen kurz darauf erstmals stärkste Partei wurde, war der Leitartikel der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN trotz starker Verluste der DNVP mit "Der Sieg der nationalen Opposition" überschrieben. Die Wahl sei eindeutiges Zeichen für die Ablehnung des Systems, was in der hohen Stimmenzahl für die NSDAP nur seinen extremsten Ausdruck gefunden hätte. Generalisierend hieß es weiter:

"Ob Hitler oder Hugenberg, das ist in der Kampfeinstellung gegen die Weima-


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rer Koalition dasselbe. Auf seiten der nationalen Opposition ist der große Erfolg der Nationalsozialisten als ein gemeinsamer Sieg aller nationalbewußten Kreise des Volkes aufzufassen". [57]

Vor diesem Hintergrund kann man es nur als konsequent bezeichnen, wenn der "Preußenschlag" vom 20. Juli 1932 seitens der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN als "Systemwende", als langerwartete "Machtübernahme durch die nationale Rechte" begrüßt wurde. [58] Die kritische Lage in Preußen war angeblich von den Parteien der Weimarer Koalition selbst verschuldet worden, weshalb man auch die Entlassung von 24 zumeist sozialdemokratischen Ober-, Regierungs- und Polizeipräsidenten als "großes Aufräumen" freudig begrüßte. [59] Den autoritären Kurs und die undemokratischen Staatsreformpläne Papens lobten die KNN als "kraftvolle Initiative", die wegen der angeblich bestehenden "Sehnsucht nach Staatsautorität [...] in Uebereinstimmung mit dem Volkswillen" liege. [60]

Vor der Novemberwahl 1932 beschwor das Blatt von der Fleethörn eindringlich die Einheit der beiden "nationalen Bruderparteien" DNVP und NSDAP. [61] Sie sollten sich nicht länger wegen des Kabinetts Papen bekämpfen, da dies nur der Linken neuen Auftrieb geben würde. Wie in den Jahren zuvor riefen die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN auch diesmal wieder auf: "Keine Stimme den Marxisten! - Wählt national!" [62] Auch die Wahlanzeigen der Parteien sprachen eine deutliche Sprache. Bei früheren Wahlen hatten regelmäßig fast alle Parteien rechts von der SPD in den KNN inseriert. [63] Doch wie schon im Juli 1932 fanden sich nun nur noch Wahlaufrufe von DVP, DNVP und NSDAP. Für alle anderen Parteien schienen die Leser der KNN als Zielgruppe für ihre Parteipropaganda vernachlässigenswert zu sein, was als guter Indikator für die tatsächliche Zusammensetzung der Leserschaft gelten kann.

Auch in den konkurrierenden Zeitungen wurden die KNN dementsprechend eingeschätzt. Der nationalsozialistische VOLKSKAMPF griff sie häufig als "sanftes Papenorgan" an [64], da er die "national-bürgerlichen" Zeitungen als zu wenig radikal im Kampf gegen das System betrachtete. Für die sozialdemokratische VOLKSZEITUNG waren die KNN ein deutschnationales Blatt für "Spießbürger" und "brave Nachtmützen-Leser", deren Verleger mit KNN und KIELER ZEITUNG wirtschaftlich geschickt den Zeitungsmarkt abschöpfen wollte. [65]

Aus dem Leitartikel der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN vom Tag nach der Novemberwahl 1932 spricht eine tiefe Ratlosigkeit. Selbst der große Stimmgewinn der als "Rückgrat der bürgerlichen Front" bezeichneten DNVP konnte nicht die Enttäuschung des Verfassers über die weiter fortbestehende Arbeitsunfähigkeit des Reichstags verbergen. [66]

Auch in der Folgezeit bestimmte das Mißfallen über die noch immer nicht zustande gekommene Regierung der "nationalen Konzentration" die Berichterstattung der KNN. Das kam besonders pointiert nach dem Kölner Treffen Papens mit Hitler zum Ausdruck, die Bracher als "Geburtsstunde des Dritten Reiches" bezeichnet. [67] Für die Zeitgenossen bei den KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN war dies dagegen lediglich ein Intermezzo, "nicht aber die charakteristische Melodie zur Kennzeichnung der kommenden Dinge". [68] Die Frage einer Tolerierung durch die NSDAP oder einer verantwortlichen Mitbeteiligung der Nationalsozialisten an der zu bildenden Regierung beurteilte der Leit-


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artikler als zweitrangig.

Viel wichtiger war für die KNN die Überwindung der Gegensätze innerhalb des nationalistischen Lagers: "jedenfalls besteht die Gefahr, daß die Bataille für die gesamte Rechte verloren geht, wenn sie sich nicht einigt, und der lachende Dritte wäre, wenn es abermals zur Reichstagsauflösung und zu Neuwahlen kommt, zweifellos die Weimarer Koalition, die wie der Phönix aus der Asche wieder entstehen würde. Es ist der letzte Moment der Einigung der Rechten". [69]

Der einzig erfolgversprechende Weg aus der Krise war daher für die KNN in den letzten Januartagen des Jahres 1933 die Erklärung des Staatsnotstandes durch Schleicher oder durch ein neues Kabinett, "gestützt auf die wiederhergestellte Harzburger Front". [70]

4. Zwischen nationaler Begeisterung und journalistischer Chronistenpflicht

Die stets vordatierten KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN konnten nur in einer Teilauflage ihrer Ausgabe vom 31. Januar 1933 die amtliche Meldung unter der neutralen Überschrift "Hitler zum Reichskanzler ernannt" bringen. [71] Der Leitartikel erging sich dagegen noch in Spekulationen über die Zusammensetzung des neuen Kabinetts. Erst in der Ausgabe vom 1. Februar fand sich daher die große Begeisterung über die "Einigung der nationalen Front", die man in der neuen Regierung verwirklicht sah:

"Der 30. Januar 1933 wird in der Geschichte der deutschen Nation als ein Jubeltag fortleben, brachte er doch die so lange ersehnte Verständigung und Zusammenarbeit zwischen dem Reichspräsidenten von Hindenburg, dem großen Vertreter der alten Tradition einer ehrwürdigen Vergangenheit, und dem Führer einer neuen deutschen Generation, Adolf Hitler, der die große nationalsozialistische Bewegung geschaffen hat, die sich in den Dienst der Aufgabe stellt, ein neues freies Deutschland aufzubauen". [72]

Für die NEUESTEN NACHRICHTEN war die Begeisterung nur mit jener vom August 1914 vergleichbar, die sie pathetisch beschworen. Über die Fackelumzüge im ganzen Reich - so auch in Kiel - berichteten sie ausführlich mit großen Fotos und unverhohlener Zustimmung im Textteil. [73] Die Notverordnung "zum Schutz des deutschen Volkes" begrüßten sie als zwar "außergewöhnliche", aber dennoch notwendige Maßnahme zur "Erhaltung der Ruhe und Ordnung". [74]

Nach dem Reichstagsbrand stimmten auch die KNN-Leitartikel in die nationalsozialistische Propagandaversion von der Brandstiftung als kommunistischem "Fanal zum Bürgerkrieg" ein. Dies sei ein symbolischer Anschlag auf die gesamte Nation und ein deutliches Zeichen der drohenden "bolschewistischen Gefahr". Mit diesen Begründungen forderten die KNN in ihren Leitartikeln mehrfach "unbeschränkte Vollmacht" für die Regierung zum härtesten Durchgreifen. [75]

Allerdings läßt die journalistische Behandlung des Themas immer noch auf eine gewisse Zurückhaltung schließen, denn im Gegensatz zu anderen "bürgerlichen" Blättern, die bereits in der Überschrift die vermeintlich "Kommunistische Brandstiftung im Reichstag" als unumstößliche Tatsache meldeten [76], machten die KNN neutral mit "Das Reichstagsgebäude in Brand gesteckt" auf. Säuberlich trennte


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man die WTB-Agenturmeldung und die Drahtmeldung des Amtlichen Preußischen Pressedienstes. Während WTB [77] lediglich über den reinen Hergang der Ereignisse berichtete und nur in einem Satz darauf hinwies, einer der Täter sei ein holländischer Kommunist, verbreitete der staatliche Pressedienst bereits die These vom kommunistischen Bürgerkriegsplan. Dies allerdings teilten die KNN ihren Lesern journalistisch korrekt unter genauer Angabe der Quelle sowie der Überschrift "Eine amtliche Mitteilung" mit. [78] Hier wurden also die reine, um Objektivität zumindest bemühte Nachricht und der meinungsbildende Kommentar klar voneinander abgegrenzt.

Solch journalistische Sorgfalt findet sich bei den untersuchten Zeitungen in dieser Form nur bei den KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN. Dieses Spannungsverhältnis von bemüht neutralen Berichten und eindeutig tendenziösen Leitartikeln charakterisiert die ambivalente Haltung der KNN in den ersten Monaten nach der Machtübernahme sehr gut. Von der Redaktion verfaßte tendenziöse Nachrichten oder gar Falschmeldungen und bewußte Desinformationen wie bei der KIELER ZEITUNG konnten für die KNN nicht nachgewiesen werden. Bei aller Zustimmung in Leitartikeln für die drakonischen Maßnahmen gegen Kommunisten und Sozialdemokraten [79], bei aller Begeisterung für die neue Regierung - die "nationale [...] Flutwoge, die das morsche System von Weimar hinwegschwemmen wird" [80] - waren die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN nach dem Ende der VOLKSZEITUNG doch die zuverlässigste Informationsquelle, was die bloße Ereignisgeschichte anbelangte.

So findet man nur in den KNN die historisch korrekte Fassung von der Absetzung des Kieler Oberbürgermeisters Dr. Lueken am 11. März, einen Tag vor den Kommunalwahlen in Preußen. Im Gegensatz zur KIELER ZEITUNG berichteten sie, daß Lueken keineswegs auf eigenen Wunsch, sondern erst nach Vorstellung der NSDAP-Kreisleitung beim Regierungspräsidenten beurlaubt wurde. [81] Auch über den Hintergrund - seine vorherigen Querelen mit der NSDAP - wurden die Leser richtig informiert. Zur Besetzung des Rathauses lieferten die KNN keinen pathetischen Stimmungsbericht, sondern informierten kurz und ohne kommentierende Bemerkungen über die reinen Fakten.

Die Version des neuen kommissarischen Oberbürgermeisters Walter Behrens von den Vorgängen dagegen fand sich - unter Angabe der Quelle und vollständig in Anführungsstrichen - in einem gesonderten Bericht. Diesem konnte der Leser sogar noch zusätzliche Informationen entnehmen, welche die Version der KIELER ZEITUNG endgültig als Lüge entlarvten. Denn Behrens selbst berichtete hier von dem Druck, den die NSDAP auf den Regierungspräsidenten ausgeübt hatte, wogegen von einem angeblichen Wunsch Luekens keine Rede war. [82] Zusätzlich fand sich im Inseratenteil der KNN eine ganzseitige Anzeige, in der Lueken selbst die Leserschaft über seine "nicht auf eigenen Wunsch, sondern zwangsweise erfolgte Beurlaubung" informierte.

Auch die KNN-Meldung über den Mord an Wilhelm Spiegel unterschied sich wesentlich von den Berichten anderer Zeitungen. Weder deuteten sie den Mord propagandistisch in eine "kommunistische Provokation" um, wie es die KIELER ZEITUNG [83] tat, noch verschwieg sie das Verbrechen ganz, wie der VOLKSKAMPF. Statt-


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dessen gaben die KNN auch hier die bis dahin bekannten Fakten unter Angabe aller Quellen wieder. Auch die Tatsache, daß mindestens einer der Täter eine SA-Uniform trug, wurde nicht unterdrückt. [84] Ein Motiv für diese im Vergleich zu den anderen untersuchten Zeitungen differenzierende und bemüht meinungsfreie Berichterstattung [85] könnte die journalistische Berufstugend der "Chronistenpflicht" gewesen sein. [86]

Trotzdem dienten sich auch die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN der neuen Regierung an. Als die Schriftleitung im März mehrfach Informationsmaterial von oppositionellen Gruppen aus dem Ausland erhielt, lieferte sie diese pflichtbewußt bei den Behörden ab. Briefe der Komintern mit Einheitsfront-Aufrufen händigte sie der Polizeibehörde aus [87], Propagandamaterial von Otto Strassers "Schwarzer Front" schickte sie sogar dem Regierungspräsidenten Wallroth persönlich: "Anliegender Brief, der uns in der unverfänglichen Form aus Wien zuging mit darin befindlichem Aufruf der Schwarzen Front, übersenden wir zur sehr gefälligen Kenntnisnahme. Mit vorzüglicher Hochachtung v. Massow". [88]

Auch im März betonten die KNN in ihren zahlreichen Leitartikeln noch immer die Mitwirkung der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot - dem Zusammenschluß von DNVP und Stahlhelm - in der "nationalen Front". Ob nach den Kommunalwahlen oder wichtigen politischen Maßnahmen, nie war ausschließlich die Rede von der NSDAP. [89]

Ebenfalls im März begann in der nationalsozialistischen Presse mit antisemitischen Artikeln die propagandistische Vorbereitung auf den geplanten "Boykott-Sabbat". Erst drei Tage nach dem ersten Bericht in der KIELER ZEITUNG erschien in den KNN ein Leitartikel zur angeblichen jüdischen "Greuelpropaganda" des Auslands. Er war gemäßigt in der Diktion, vermied jede antisemitische Beschimpfung und beschränkte sich darauf, zu betonen, es hätten "in Deutschland keine Pogrome stattgefunden [...]. Nirgendwo in Deutschland haben Massenerschießungen und Folterungen von Juden stattgefunden". [90] Das Thema "Boykott jüdischer Geschäfte" behandelten die KNN auch in der Folge mit äußerster Zurückhaltung. Während die KIELER ZEITUNG pauschal zur "Gegenoffensive des deutschen Volkes" aufrief [91], betonten die KNN schon in der Überschrift distanziert, dies sei ein "Nationalsozialistischer Aufruf". [92]

Als einzige aller Kieler Zeitungen kamen sie auch hier ihrer Chronistenpflicht nach und berichteten über antisemitische Ausschreitungen, die am 28. März - also schon vor dem Boykott - stattgefunden hatten. Ein 78jähriger jüdischer Geschäftsmann war von jugendlichen Hitleranhängern auf offener Straße brutal mißhandelt und sein ihm zu Hilfe eilender Sohn unter Schlägen durch die Holtenauer Straße getrieben worden. [93] Die zentralen Anordnungen der NSDAP zum Boykott wurden in den KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN zwar in voller Länge abgedruckt, das Kieler Boykottkomitee allerdings mußte seinen Aufruf in Form einer kostenpflichtigen Anzeige veröffentlichen. [94] Die KIELER ZEITUNG und der VOLKSKAMPF dagegen hatten den Aufruf in ihren redaktionellen Teil übernommen.

Die Liste der zu boykottierenden Geschäfte gar veröffentlichten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN erst verspätet am Abend des Boykottages, obwohl die Maßnahmen gegen die Läden bereits um 10 Uhr begonnen hatten. Hauschildt beurteilt dies richtig, wenn er dazu schreibt:


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[Abb. 4: KIELER NEUESTE NACHRICHTEN 2.April 1933]


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"In welcher Art eine solche Liste am nächsten Tag [95] verspätet abgedruckt wurde - im kleinstmöglichen Satz, ohne genaue Adressen und ohne jede alphabetitische oder sonstige Ordnung, dafür mit dem distanzierenden Hinweis 'auf Veranlassung des von der Kreisleitung der NSDAP eingesetzten Kieler Boykott-Komitees veröffentlichen wir...' - , diese Form läßt schon eher auf aktiven Widerwillen schließen als nur auf einfaches Desinteresse". [96]

Zur Motivation der KNN für dieses Verhalten führt Hauschildt weiter an, daß die meist konservativen und patriotischen jüdischen Kaufleute der Stadt als Anzeigenkunden gute Geschäftspartner des Verlages waren. Auch der nationalsozialistische VOLKSKAMPF hatte dies bemerkt und am Tag vor dem Boykott einen polemischen Artikel unter dem Titel "Mercedes und Salamander" veröffentlicht, in dem die KNN angegriffen wurden, weil sie "auf der ersten Seite in schwülstigen Patriotismus machen und auf allen anderen Seiten Riesenanzeigen jüdischer Firmen bringen". [97] Ob die äußerste Zurückhaltung und der "aktive Widerwillen" letztendlich wirtschaftlich bedingt waren oder aus tatsächlicher Rücksicht auf den jüdischen Teil der Bevölkerung resultierten, muß dahingestellt bleiben. Die Tatsache selbst zeigt, daß sich die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN noch im März "ein Stückchen Unabhängigkeit von der NSDAP hatte[n] bewahren können". [98] Am 4. April druckten sie wieder Inserate von boykottierten Firmen ab.

Anfang April wurde Dr. Fritz Wichmann in seiner Position als Hauptschriftleiter der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN abgelöst. Kurz zuvor hatte er in seinem Leitartikel "Regierung und Presse" noch einmal generelle Äußerungen zur Haltung der KNN gemacht: Für eine "nationalbewußte Zeitung" wie die KNN sei es eine "heilige Aufgabe", die Maßnahmen der neuen Regierung "freudig" zu beobachten und zu begleiten. [99] Übereinstimmend mit einer Goebbels-Rede vom Vortag betonte Wichmann, Pressefreiheit könne nur noch "innerhalb des unverbrüchlichen und unabänderlichen nationalen Rahmens bestehen". [100]

Vom 12. April 1933 an wurde Fritz Wichmann, der seit dem Juli 1908 - also über 24 Jahre lang - Hauptschriftleiter des Blattes gewesen war, nicht mehr im Impressum der Abendzeitung geführt. Weder gibt es in der Berichterstattung der KNN in den ersten Apriltagen Besonderheiten, noch enthalten die Quellen Hinweise, warum er abgelöst wurde. Noch Mitte Juli schrieb der Kieler Polizeipräsident Rantzau in einem Bericht an den Regierungspräsidenten, bisher wäre "weder im Verlag noch in der Schriftleitung [der KNN] personell gleichgeschaltet worden". [101] So bleibt das Alter des gelernten Redakteurs als plausibler Grund zur Erklärung dieses Schrittes. Mit seinen 62 Jahren scheint er sich im April 1933 aus dem Berufsleben zurückgezogen zu haben. [102]

Wichmanns Nachfolger wurde für eine kurze Übergangszeit von nicht einmal zwei Wochen der langjährige Sportredakteur der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN, Theodor Dotzer [103], der die KNN - soweit sich das für diese Interimsphase sagen läßt - im Geiste Wichmanns ohne spürbare Veränderungen fortführte.


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5. Selbstgleichschaltung, Verbotsandrohung und wirtschaftliche Stärke

Am 26. April übernahm Dr. August Heuser - der schon unter Wichmann Redakteur für politische Nachrichten gewesen war - den Posten des verantwortlichen Hauptschriftleiters. Unter ihm setzte sich die Anpassung an das neue System weiter fort. Nach der "Friedensrede" des Reichskanzlers hatten die KNN noch betont, "von der äußersten Rechten bis zur Linken, einschließlich der Sozialdemokratie" [104] wäre diese auf Zustimmung gestoßen. Doch bald schon betonte man den "nationalen Konsens" aller legalen Parteien nicht mehr; stattdessen wurde die SPD jetzt auch von den KNN zunehmend angegriffen. So denunzierte man die Lübecker Sozialdemokraten Julius Leber und Willi Rath anläßlich des Prozesses wegen der Vorfälle in der Nacht zum 1. Februar 1933 in einer großen Schlagzeile als "marxistische Messerstecher". [105]

Am 10. Juni 1933 veröffentlichten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN auf den ersten beiden Seiten den Artikel "Die KPD als Mordorganisation". [106] Nichts unterschied seine Aufmachung von derjenigen anderer Artikel. Als Autor war Gerhard Giesecke angegeben, laut Vorspann ein Polizeileutnant a.D. und Überläufer von der KPD zur NSDAP. Die vollständige Quellenangabe fehlte, war dieser Artikel doch den KNN wie allen anderen Zeitungen im Reich vom Ministerium für Reichsaufklärung und Propaganda drei Tage vorher mit der dringenden Bitte um Veröffentlichung zugegangen.

Schon bevor die Berliner Pressekonferenz bei der Reichsregierung am 1. Juli 1933 zu einem reinen Befehlsempfang für Journalisten umgewandelt wurde, verschickte das Propagandaministerium solche Weisungen an die deutsche Tagespresse. Der Abdruck von "Die KPD als Mordorganisation" erfolgte aufgrund der zweiten überhaupt überlieferten Presseanweisung. [107] Die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN sind die einzige der untersuchten Zeitungen, für die ein Abdruck nachgewiesen werden konnte. Damit machte die Redaktion sich - noch ohne Zwang! - zu einem willfährigen Werkzeug für schärfste antikommunistische Propaganda. Alle in dem Artikel beschriebenen angeblichen Aktivitäten der KPD wurden lediglich als Vorbereitung zum Reichstagsbrand und schließlich zum "bewaffneten Aufstand" dargestellt, was nochmals nachträglich die Gewaltmaßnahmen gegen die zu "Verbrecher[n] oder Psychopaten" abgestempelten Kommunisten rechtfertigen sollte. [108]

Wie weit die KNN sich im Juni 1933 bereits von ihrer ursprünglich DNVP-nahen Position entfernt hatten, zeigte ein Leitartikel zum Rücktritt Hugenbergs. Mit keinem Wort wurde sein Schritt bedauert, sondern als "Eingliederung" in den nationalsozialistischen "deutschen Einheitsstaat" [109] begrüßt. Der anonyme Autor nannte die Selbstauflösung der DNVP eine "weitere wichtige Etappe im Sinne der Vollendung des neuen Deutschland als eine[r] einheitlich fest in sich geschlossene[n] Volksgemeinschaft aller Deutschen". [110] Die Auflösung der DNVP bewirkte somit die endgültige Hinwendung der KNN zur NSDAP, dem verbliebenen Rumpf der von ihr so leidenschaftlich unterstützten "nationalen Opposition".

Mit der beginnenden Selbstgleichschal-


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tung ging nach dem Erscheinen der parteiamtlichen Tageszeitung NORDISCHE RUNDSCHAU am 1. Juli 1933 die Agitation der NR-Schriftleitung gegen die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN einher. Die NORDISCHE RUNDSCHAU streute das Gerücht aus, die KNN stünden vor einem Verbot. Dagegen wehrte sich die Abendzeitung mit einem Artikel in eigener Sache, betitelt "Falsche Gerüchte". Hierin berief man sich auf Beteuerungen Hitlers, daß die in Privatbesitz befindliche "nationale" Presse - zu der sich die KNN selbst zählten - nicht angetastet werde. Zu solchen staatlichen Maßnahmen bestünde auch keinerlei Anlaß, da die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN aus ihrer nationalen Einstellung "niemals ein Hehl gemacht" hätten. [111]

Am folgenden Tag rief der Schriftleiter der NORDISCHEN RUNDSCHAU, Hinrich Rix, sofort den Kieler Polizeipräsidenten an, um "ein behördliches Einschreiten" und "schärfstes Durchgreifen" [112] zu verlangen. Denn obwohl der Urheber der Gerüchte nicht namentlich genannt worden war, empfand Rix den Artikel als eindeutigen Angriff auf sein Blatt. Den eigentlichen Grund für das Verlangen nach scharfen Maßnahmen versteckte er hinter der angeblich beunruhigenden Wirkung des Artikels auf die Öffentlichkeit. Jedoch hatte Graf Rantzau bereits Ermittlungen angestellt und den KNN-Geschäftsführer Ewald von Massow "ganz unverblümt darauf aufmerksam gemacht, er habe ein keineswegs genügend verbürgtes Gerücht geschäftlich ausgenutzt, und er dürfe die infolgedessen in nationalsozialistischen Kreisen entstandene Erregung nicht leicht nehmen". [113] Aus diesem Aktenvermerk geht deutlicher hervor, welche Motive hinter der Ermahnung lagen. Statt von Erregung in der Öffentlichkeit war plötzlich nur noch von der NSDAP die Rede, der die Veröffentlichung schaden könnte.

Neben der Verwarnung erging zudem noch die dringende schriftliche Empfehlung, "die Angelegenheit durch einen vorbehaltlosen Artikel in Ordnung zu bringen" [114], wobei sich "vorbehaltlos" in diesem Zusammenhang nur auf ein uneingeschränktes Bekenntnis zum NS-Staat beziehen konnte. Die Ausgabe vom 11. Juli enthielt dann tatsächlich einen abermals mit "Falsche Gerüchte" überschriebenen Artikel, in dem die KNN ausdrücklich die Halt- und "Bedeutungslosigkeit der Ausstreuungen" beteuerten. [115] Doch vier Tage später wurden Hauptschriftleiter und Verlagsleiter der NORDISCHEN RUNDSCHAU abermals beim Polizeichef Rantzau vorstellig, um noch schärfere Maßnahmen gegen die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN einzufordern.

Offenbar genügten der NORDISCHEN RUNDSCHAU auch diese Ausführungen nicht, was als Zeichen dafür gewertet werden kann, daß es ihr - entgegen aller Beteuerungen - keinesfalls nur um diesen speziellen Artikel ging, sondern um die generelle Ausschaltung der Konkurrenz. Die nun folgenden Vorgänge und inoffiziellen Verhandlungen sind ein gutes Beispiel für die schwindenden Skrupel, die selbst Behörden in der Bereitschaft zur Anwendung nicht-rechtsstaatlicher Machtmittel an den Tag legten. So vermerkte Rantzau, er sei noch vor dem Besuch der nationalsozialistischen Pressevertreter von sich aus zu der Überzeugung gelangt, "daß für Kiel drei nationale Zeitungen zuviel seien". [116]

Was er aus dieser Überzeugung heraus Rix und Verlagsleiter Hugo Wächtler vorschlug, überstieg seinen Zuständigkeitsbereich bei weitem, wird aber ver-


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ständlich, wenn man seine guten Beziehungen zur Kieler NSDAP berücksichtigt, derer er sich mehrfach rühmte. [117] Der Polizeipräsident trug den Vertretern der Kieler NS-Zeitung vor: "Selbstverständlich müßten unter diesen Umständen die Kieler Neuesten Nachrichten weichen, da sie erst in allerletzter Zeit ihre bisher reaktionäre Haltung in gleitendem Übergang in eine nationalsozialistische Einstellung gewandelt hätten". [118]

Darüber waren sich beide Seiten einig; indes unterschieden sich die Meinungen hinsichtlich der Vorgehensweise. Während Rix die Angelegenheit als Vorwand für weitergehende Maßnahmen ausnutzen wollte, ging der Polizeipräsident noch über dessen Anregungen hinaus. Rantzau erachtete eine offene Parteinahme für die Regierungspresse als besser und plante, "auf ein Verbot der K. N.N. in aller Offenheit mit der Begründung hinzuwirken, daß im neuen Deutschland nur noch Raum für nationalsozialistische Zeitungen sei". [119] Unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte schlug Rantzau die Zusammenlegung der KNN mit einem nationalsozialistischen Blatt vor, ohne dabei zu sagen, ob er damit die KIELER ZEITUNG oder die NORDISCHE RUNDSCHAU meinte.

Während der Polizeichef also langfristige und endgültige Pläne hegte, war Rix und Wächtler mehr an einer schnellen Klärung der aktuellen Differenzen gelegen. Auf ihr Einwirken hin erklärte sich Rantzau "erbötig, dem Blatte [den KNN] gegenüber in dieser Beziehung einen weiteren Druck auszuüben". [120] Dafür forderte er die NORDISCHE RUNDSCHAU auf, ihm relevantes Belastungsmaterial zuzuspielen, welches er dann "gern benutzen würde".

Noch am selben Tag fertigte Hinrich Rix eine Auflagenachricht für die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN an und schickte sie an Rantzau. [121] Neben einer wiederholten Beteuerung der völligen Haltlosigkeit der Gerüchte sollte nach dem Willen der NORDISCHEN RUNDSCHAU in der Montagsausgabe folgender Satz stehen: "Die 'Kieler Neuesten Nachrichten' bedauern auf das Tiefste, sich in verantwortungsloser Weise hierzu hergegeben zu haben". [122] Als die Reichsleitung der NSDAP tags darauf Zwangsandrohungen und Boykottmaßnahmen gegen bürgerliche Zeitungen verboten hatte, kamen dem übereifrigen Polizeipräsidenten allerdings Zweifel, welche für die eigentlichen Motive des Vorgehens gegen die KNN entlarvend sind. Nun plötzlich teilt er dem Regierungspräsidenten in einem Bericht mit: "Auch der an sich naheliegende Weg, den Abdruck unter Hintansetzung rechtlicher Bedenken mit revolutionären Mitteln zu erzwingen, ist für eine Behörde nicht mehr gangbar" [123], zumal es sich dabei "lediglich um eine im wirtschaftlichen Interesse der Nordischen Rundschau erfolgende politische Maßnahme handeln würde". [124]

Da Rantzau nach eigenem Bekunden die NORDISCHE RUNDSCHAU wirtschaftlich stützen wollte, ein "Versteckspiel" - also Maßnahmen unter fadenscheinigen Vorwänden - aber gleichzeitig ablehnte, schlug er den radikalsten und direktesten Weg vor: Er unterbreitete dem Regierungspräsidenten Wallroth in einem als "Geheim!" klassifizierten Schreiben die Bitte, "ein Verbot der Kieler Neuesten Nachrichten aus allgemeinpolitischen Gründen [...] durch Funkerlaß bei dem Herrn Preuß. Minister des Innern erwirken zu wollen". [125] Abschriften des Gesuches erhielten auch der Oberpräsident und das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin. Doch dieses Vorpreschen Rantzaus, sei-


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ne nur allzu bereitwillige Übernahme der Forderungen des NS-Blattes, wollte selbst Gauleiter Lohse nicht ohne Abstriche unterstützen. Ein willkürliches "Verbot aus allgemeinen politischen Gründen" etwa war in keinem bestehenden Gesetz vorgesehen, weshalb Lohse die Passage in dem an ihn gerichteten Brief auch dick unterstrich und mit einem großen Fragezeichen versah. Handschriftlich vermerkte er, die angeführten Gründe würden für ein Verbot "nicht ausreichen". [126]

Auch Regierungspräsident Wallroth teilte Lohses Meinung zu Rantzaus Vorstoß; die angeführten Gründe seien nicht schwerwiegend genug für ein Verbot, zumal nach den Erfahrungen der letzten Zeit mit einer Aufhebung des Verbots durch das Reichsgericht zu rechnen wäre. [127] Stattdessen schlug er eine Verwarnung und Verhandlungen mit dem Inhaber wegen der Gleichschaltung der Redaktion vor. Tatsächlich ordnete Lohse dann auch als einzige konkrete Maßnahme die Verwarnung der KNN an, verbunden mit einer Verbotsandrohung für den Fall der Publikation weiterer sogenannter "Tendenzmeldungen". [128] Von Rantzaus Überlegungen tauchte in dem Schreiben an den Verlag kein Wort auf, der Inhalt der Verwarnung wurde sogar noch nachträglich abgemildert. [129] Auch die Aufforderung an den Regierungspräsidenten, Verhandlungen über die Gleichschaltung der Redaktion zu führen, strich Oberpräsident Lohse handschriftlich. Die Gründe dafür müssen wegen der dürftigen Quellenlage zu diesem Komplex unklar bleiben. Wie sich in der Folge noch zeigen sollte, wurden diese Pläne aber nicht ganz aufgegeben.

Die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN wehrten sich mit den ihr zur Verfügung stehenden publizistischen Mitteln. Am 18. Juli prangte auf der Titelseite die große Überschrift: "Boykottmaßnahmen gegen bürgerliche Zeitungen untersagt". [130] In diesem zweiten Aufmacher wurde ein Reichsdiensttelegramm des Arbeitsministers Seldte abgedruckt, das Zwangsandrohungen gegen bürgerliche Zeitungen verbot. Auch die nationalsozialistische Konkurrenz reagierte auf diese Anweisung. Zwei Tage später war in der NORDISCHEN RUNDSCHAU ein großer Leitartikel "Warum nationalsozialistische Presse?" lesen. Neben einigen allgemein gehaltenen Ausfällen gegen die Blätter der "Geldbeutel" und "Spießer" hieß es dort in unverhohlener Anspielung auf die KNN, "eine gewisse Presse [müsse] angesichts unserer nationalsozialistischen Idee um ihren Bestand bangen". [131]

Im August 1933 verstärkten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN ihre publizistische Selbstverteidigung gegen die Denunziationen der NORDISCHEN RUNDSCHAU und deren aggressive Werbemethoden. Über Streitigkeiten zwischen parteiamtlichen und bürgerlichen Zeitungen im Reich berichteten die KNN in großer Aufmachung. So nahmen sie einen Streit in Oldenburg zum Anlaß, unter der Überschrift "Für den Schutz der Heimatpresse" folgende fett hervorgehobene Unterzeile abzudrucken: "Jeder kann die Zeitung halten, die er am liebsten lesen mag. Niemand ist verpflichtet, eine bestimmte Zeitung zu beziehen". [132] Dieser Satz diente in der Folge als eine Art Parole, die die KNN immer wieder verwendeten. [133] Außerdem eröffnete man eine großangelegte, sich über mehrere Ausgaben erstreckende Kampagne mit Anzeigen in eigener Sache, die Argumente für den KNN-Bezug liefern sollten. [134]


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[Abb. 5: KIELER NEUESTE NACHRICHTEN 26. August 1933]

6. Eigenwilliger Umgang mit zentralen Presseanweisungen

Die Berichterstattung der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN in den ersten Monaten nach Einführung der zentralen Presseanweisungen war durchaus nicht einheitlich. Zwar hatte man als einzige den Auflageartikel über die "KPD als Mordorganisation" abgedruckt und auch die Anregung des Propagandaministeriums aufgenommen, eine regelmäßige Rubrik "Es geht aufwärts" über die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einzuführen. [135] Andererseits ist die Zahl der nachgewiesenen Abweichungen und Nicht-Einhaltungen von Direktiven - besonders in der Zeit bis zum April 1934 - so groß wie bei keinem anderen Blatt. Als Beispiele dafür sollen zunächst zwei Anweisungskomplexe näher betrachtet werden.

In der 1933 propagandistisch so wichtigen Kirchenfrage begrüßten die KNN vorbehaltlos das Reichskonkordat mit dem Vatikan. Schon vor seiner Unterzeichnung wurde der Vertrag in Leitartikeln eine "geschichtliche Tat" genannt, da sich nunmehr auch die katholische Glaubensgemeinschaft "rückhaltlos in den nationalsozialistischen Staat einordnen" müsse und werde. [136] Schadenfroh wurde über das Ende der "politisierenden Prälaten" der Zentrumspartei polemisiert. Außerdem wies man mit spürbarer Genugtuung darauf hin, daß der Vertragsabschluß eine Anerkennung des Regimes durch den Vatikan und damit eine ungeheure außenpolitische Aufwertung bedeutete. Doch bei den fast gleichzeitig in ganz Deutschland stattfindenden Vorstandswahlen der evangelischen Kirche fand sich in den KNN nicht die vom Propagandaministerium gewünschte Berichterstattung.


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Wohl druckte man die Auflagenachricht von der Überwachung von Wahlhandlungen ab, die betont neutral verfaßt war. [137] Doch der Anweisung, die Deutschen Christen (DC) "aufs Wärmste zu unterstützen" [138], kamen die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN am wenigsten von allen untersuchten Zeitungen nach. Zwei Tage vor den Wahlen veröffentlichten sie - wiederum als einzige - eine Bekanntmachung des Oberkirchenrates, die nochmals explizit die "Freiheit der Kirchenwahl" betonte. [139] Damit setzten die KNN einen ausgleichenden Gegenpol zu Aufrufen, die sich vor der Wahl in allen Zeitungen fanden und zur Stimmentscheidung für solche Vertreter aufriefen, "die sich vorbehaltlos zum Dritten Reich bekennen". [140]

Auch nach den Wahlen sparten die KNN bei aller oberflächlichen Begeisterung für den überwältigenden Sieg der DC-Bewegung nicht mit Kritik an den Forderungen radikaler Kräfte innerhalb der Bewegung. Der Verfasser des Leitartikels zu den Kirchenwahlen stellte "mit Befriedigung und Genugtuung fest [...], daß auch hier wie auf anderen Gebieten der stürmische Drang der Revolution nicht zu einer Verletzung ewig gültiger Gesetze führte". [141] Diese Formulierung spielte deutlich auf den Arierparagraphen an, dessen Einführung die im Deutschen Evangelischen Kirchenbund vereinigten Landeskirchen in der Kirchenverfassung vom 11. Juli 1933 noch einmal abgewehrt hatten. [142] Die KNN nahmen auch hier eine differenzierte Haltung ein, welche zwar die ideologischen Grundprinzipien des nationalsozialistischen Staates akzeptierte, sich aber innerhalb dieses Rahmens eine recht bedeutsame Abweichung - die Ablehnung des Arierparagraphen - herausnahm.

Auch in dem für die vielen Geschäftsleute unter den Lesern wichtigen Wirtschaftsteil fand sich in dieser Zeit ein Verstoß gegen eine Presseanweisung. Die Reichsregierung hatte über das Propagandaministerium am 27. Juli explizit die Berichterstattung zur beabsichtigten Senkung der Kanalabgaben im Kaiser-Wilhelm-Kanal wegen noch schwebender Verhandlungen verbieten lassen. [143] Dennoch konnte man am folgenden Tag in den KNN einen ausführlichen Zweispalter über die Neuordnung der Kanal-Gebühren lesen, der die Gründe der Kostensenkung erörterte. [144] Die Leser wurden durch dreifache Wiederholung darüber informiert, daß vor allem unter ausländischer Flagge fahrende Schiffe seit längerem die Passage durch Deutschland mieden und stattdessen die Fahrt um Skagen herum vorzogen. Der Bericht endete mit einer ausdrücklichen Empfehlung an den Reichsverkehrsminister, die Gebühren um mindestens 30% zu senken. Solche Forderungen und Wünsche der Presse an die Regierung waren aber ausdrücklich unerwünscht [145], was bei der Bewertung dieses auf den ersten Blick unbedeutend erscheinenden Verstoßes berücksichtigt werden muß.

Im Juli und August 1933 also fanden sich in den KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN mehrfach Abweichungen von den Presseanweisungen des Reichspropagandaministeriums. [146] Hinzu kam, daß die Spannungen zwischen der NORDISCHEN RUNDSCHAU und den beiden Blättern des Verlages Gerbrandt, Junghans & Co. [147] noch immer nicht beigelegt waren. Die Bemühungen der Behörden zur Beendigung des Konflikts gingen inoffiziell weiter. In einem erneuten Schreiben an den Regierungspräsidenten bekräftigte Polizeipräsident Rantzau nochmals, daß der Kieler Zeitungsmarkt seiner Meinung


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nach zu klein sei für drei Zeitungen und die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN als erste weichen müßten. [148] Interessanterweise wurden jetzt alle drei als "nationalsozialistische Zeitungen" bezeichnet, während im Juli noch von drei "nationalen Zeitungen" die Rede war. [149] Auch dies spricht für die oben genannte Beobachtung, erst nach der Selbstauflösung der DNVP hätten sich die KNN endgültig zum Nationalsozialismus hingewendet. In den Plänen Rantzaus jedoch war auch für solcherart angepaßte KIELER NEUESTE NACHRICHTEN kein Platz; er hielt es für zweckmäßig, die KIELER ZEITUNG als NS-Morgenzeitung und die NORDISCHE RUNDSCHAU als NS-Mittagszeitung herauszugeben. [150]

Ein Verbot der KNN lediglich aus wirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen war sowohl vom Regierungspräsidenten als auch vom Oberpräsidenten bereits im Juli abgelehnt worden. In dieser unklaren Situation - ganze drei Tage nach dem Schreiben des Polizeipräsidenten - übernahm der Verleger Ewald von Massow nun auch offiziell die Hauptschriftleitung der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN. [151] Ob der Grund allein die schwere Erkrankung August Heusers war oder eine etwaige Einflußnahme von behördlicher Seite, muß dahingestellt bleiben. Auch hier kann aufgrund der schlechten Quellenbasis über die Motive lediglich spekuliert werden.

Man kann aber annehmen, daß beide Gründe zusammengewirkt haben. Eine linientreuere nationalsozialistische Ausrichtung der KNN schien wegen des zunehmenden Drucks von Seiten der Kieler NSDAP sowie des ihr zuarbeitenden Polizeipräsidenten unvermeidbar gewesen zu sein. Bereits mehrfach hatten die Behörden eine personelle "Gleichschaltung" in Erwägung gezogen. In diesem Moment wird die plötzliche schwere Erkrankung des bisherigen Hauptschriftleiters, der sechs Wochen später verstarb [152], eine günstige Gelegenheit gewesen sein, um eine personelle Veränderung zu vollziehen. Die nicht mehr zu beantwortende Frage, ob die Verlagsleitung der KNN dabei aus eigener Initiative oder erst nach Druck von behördlichen Stellen handelte, ändert letztlich nichts am Resultat.

Der weltgewandte Major a.D. Ewald von Massow, der im Ersten Weltkrieg Generalstabschef beim Chef des Nachrichtenwesens im Großen Hauptquartier gewesen war, sollte bis 1941 Verleger und Chefredakteur in einer Person bleiben und so die Geschicke der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN wesentlich bestimmen. [153] Den Freiraum aber, den sich die KNN in ihrer Berichterstattung und der Befolgung der Presseanweisungen bisher herausgenommen hatten, hielt auch Ewald von Massow aufrecht.

Zwei Wochen nach Massows offiziellem Antritt als Hauptschriftleiter war aus Berlin die strikte Anordnung ergangen, nichts über die Ausweisungen deutscher Journalisten aus Moskau zu bringen. [154] Dennoch veröffentlichten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN zwei Tage später einen zweiten Aufmacher mit der Schlagzeile: "Repressalien Sowjetrußlands. Im Zusammenhang mit dem Leipziger Prozeß". [155] Einen Monat später verschickte das Propagandaministerium an alle deutsche Zeitungen Matern [156] mit den Stimmzetteln zur Reichstagswahl und zur Volksabstimmung. Diese Vorlagen, auf denen bereits das "NSDAP" bzw. "Ja" angekreuzt waren, sollten laut Presseanweisung "einmal jetzt nach Eingang der Matern und ein zweites Mal kurz vor der Wahl" [157] veröffentlicht werden.


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[Abb. 6: KIELER NEUESTE NACHRICHTEN 3. November 1933]


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Pflichtgemäß druckten die KNN am 3. November die Stimmzettel ab. Ein zweites Mal wurden die Leser jedoch nicht indoktriniert, wie sie "richtig" zu wählen hätten; ebenso wie der LÜBECKER GENERAL-ANZEIGER und die FLENSBURGER NACHRICHTEN beließen es auch die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN bei der teilweisen Erfüllung der Berliner Direktive. Abweichungen von der intendierten Presseberichterstattung waren zu diesem Zeitpunkt scheinbar noch ohne negative Folgen für Redakteure und Verlag möglich.

Allerdings dürfen solche vereinzelten Verstöße gegen Presseanweisungen keinesfalls verallgemeinernd als Ablehnung des Nationalsozialismus oder gar als Ausdruck des Widerstandes interpretiert werden. Zu sehr wurde im allgemeinen politischen Teil schon seit langem der Kurs des NS-Staates befürwortet und jede einzelne Maßnahme begrüßt. Deutlich wird dies besonders bei der Berichterstattung der KNN vor den Reichstagswahlen vom November 1933. Zahlreichen Artikeln zufolge schien der Ausgang schon vorher sicher festzustehen, und jubelnde Begeisterung durchzog sämtliche Veranstaltungsankündigungen. So schrieb man zum Besuch Hitlers in Kiel unter einem großen Portraitfoto des Reichskanzlers auf der Titelseite: "Der Führer, den Kiel heute jubelnd begrüßen wird". [158]

Hatten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN noch im Mai 1933 sachlich und journalistisch korrekt vom "deutschen Reichskanzler" geschrieben [159], so titelte man nun pathetisch: "Der Führer ruft die Nordmark. Kiels großer Hitlertag - Begeisterte Menschenmassen umjubeln den Volkskanzler". [160] In der Zeitungsforschung ist vielfach auf die Titulierung Hitlers als wichtiges Indiz für die politische Haltung einer Zeitung hingewiesen worden. [161] Jede journalistisch gebotene Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung mußte verschwinden, wenn statt des amtlichen Titels das anbiedernde "der Führer" inflationär verwendet wurde, zumal dies ursprünglich nur die Bezeichnung für Hitler als Parteivorsitzenden war. [162]

Zu dieser Zeit ergingen sich auch die KNN immer häufiger in Führerhuldigungen. Aus der Reichstagswahl wurde in den Spalten der einst bürgerlichen Zeitung ein "Aufmarsch des deutschen Volkes zur Ablegung des Bekenntnisses zu seinem neuen Führern, zu dem Führer". [163] Mehrseitig wurde nun auch hier in schwülstigem Pathos berichtet: "Der Führer kommt! [...] In vielen Schaufenstern sieht man die mit Tannengrün geschmückte Büste des Volkskanzlers. Der Führer kommt!". Man verstieg sich sogar - analog zum "Kaiser-Wetter" - zu der Formulierung " Hitler-Wetter". [164] Auch die Verwendung von sprachlichen Floskeln aus der NS-Propaganda nahm stetig zu. Die Reichstagswahl vom 12. November 1933 wurde den KNN-Lesern als ein weiterer "historischer Tag", als abermaliges "Bekenntnis zu Hitler" und erneute "eindeutige Bestätigung für die mitreißende Kraft des Nationalsozialismus" [165] präsentiert.

Doch trotz der fortschreitenden Angleichung der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN an Inhalt und Sprache nationalsozialistischer Propaganda war der Streit zwischen den privaten Blättern und der parteiamtlichen Zeitung in Kiel noch nicht beigelegt. Auch dies ist als weiteres Indiz dafür zu werten, daß es tatsächlich weniger ein Streit um die politische Gleichschaltung der Presse als vielmehr ein wirtschaftlich bestimmter "Kampf um


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die Leserschaft" war, wie es Polizeipräsident Rantzau treffend nannte. [166] Immer noch bekämpfte die NORDISCHE RUNDSCHAU im Herbst 1933 die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN. Zwar ging sie gegen die KIELER ZEITUNG - ihre direkte Konkurrentin um die nationalsozialistisch eingestellte Leserschaft - weitaus schärfer vor, und zwar mit der Forderung nach Einstellung. [167] Da aber beide Zeitungen im selben Verlag erschienen und die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN eine gewisse Konkurrenz darstellten, griff man auch diese mit allen erdenklichen Mitteln an.

Das Verbreiten von Gerüchten sowie das aggressive Auftreten von Werbern waren offensichtlich bevorzugte Methoden der NORDISCHEN RUNDSCHAU. Trotz des mehrfachen ausdrücklichen Verbots durch NSDAP-Parteidienststellen traten Werber noch immer in SA- und SS-Uniform auf, wie aus einer Beschwerde der KNN-Verlagsleitung hervorgeht. Im gleichen Schreiben an den Oberpräsidenten Lohse hieß es: "Aus unserem Leserkreise wird uns immer wieder berichtet, daß Werber der Nordischen Rundschau behaupten, die Kieler Neuesten Nachrichten seien ein jüdisches Unternehmen". [168] Mehrfache Bitten beim Verlag des parteiamtlichen Blattes um Unterlassung hätten zu keinem Ergebnis geführt. Daher verwehrte sich KNN-Geschäftsführer Karl Schubert bei Lohse nachdrücklich gegen die Denunziationen. Die Behauptungen seien unzutreffend und haltlos. [169] Schubert bat den Oberpräsidenten, der als Vermittler in dem Streit fungierte, um Genehmigung zur Veröffentlichung einer Erklärung in eigener Sache.

Seine außergewöhnliche Vorsicht entsprang wohl den schlechten Erfahrungen, die der Verlag zwei Monate zuvor bei der Veröffentlichung eines Flugblattes der KIELER ZEITUNG in eigener Angelegenheit gemacht hatten. Die Erklärung sollte folgenden Wortlaut haben: "Die Kieler Neueste Nachrichten sind ein rein deutsches Zeitungsunternehmen und ihre Inhaber ausnahmslos christlicher Abstammung. Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit. Kieler Neueste Nachrichten". [170]

Anscheinend hat Gauleiter Lohse die Erlaubnis verweigert, denn in den KNN-Ausgaben der folgenden Zeit konnte keine solche Erklärung nachgewiesen werden. Allerdings findet sich am 3. November auf der Kieler Lokalseite ein großer Kasten zur Abonnentenzahl. Das Faksimile einer notariellen Beurkundung bescheinigt der Abendzeitung, im Stadtbezirk Kiel 40.640 zahlende Abonnenten zu haben - 265 mehr als im Vorjahr. Offenbar kursierten auch hierzu anderslautende Gerüchte, wie man dem anschließenden Text entnehmen kann. Trotzig heißt es dort: "Solche Dokumente haben mehr Beweiskraft als Worte und Behauptungen [...] Alles in allem: Nach wie vor an erster Stelle". [171] Auch am nächsten Tag wehrten sich die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN in einer Anzeige heftig gegen Denunziationen von Seiten der Nationalsozialisten. Auf der Schleswig-Holstein-Seite stellten sich die KNN groß dar als "eine nationale Zeitung, die jeder abonnieren darf". [172] Jeglicher Zwang zum Beziehen eines anderen Blattes sei ungesetzlich und verstoße gegen die Auffassung der Reichsregierung sowie weiterer amtlicher Stellen.

Da die Gerüchte aber nicht verstummten und der Oberpräsident keine positive Reaktion auf die Bitte der KNN gezeigt hatte, bat Ewald von Massow um eine Aussprache. [173] Außer einer Aktennotiz ist darüber jedoch nichts überliefert. So


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[Abb. 7: KIELER NEUESTE NACHRICHTEN 3. November 1933]


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kann mit Sicherheit nur gesagt werden, daß ein Gespräch stattgefunden hat, in dem der Oberpräsident den KNN-Verleger und Chefredakteur "wegen der zukünftigen Haltung & Stellung dieser Zeitungen" - also der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN und der KIELER ZEITUNG - instruierte. [174] Bis auf einen Vorfall gab es in der Folge dann auch tatsächlich keine Streitigkeiten mehr um die KNN.

Am 1. Dezember wurde die Schriftleitung noch einmal "ernstlichst" verwarnt. Infolge einer Beschwerde von ungenannter Seite sah sich Polizeipräsident Rantzau dazu veranlaßt, weil er meinte, im Unterhaltungsteil der KNN eine "aussergewöhnlich starke Herabsetzung des Führers" erblickt zu haben. [175] Er begründete die Verwarnung wie folgt: "Auf Blatt 8 der Kieler Neuesten Nachrichten Nr. 272 vom Sonntag, dem 19.11.1933, befindet sich in der Rätselecke ein Ergänzungsrätsel, in dem der Kopf des Herrn Reichskanzlers neben einer beinschwingenden Tänzerin und einem Notenständer, vor dem ein Prompetenbläser [sic] steht, gezeigt wird. Diese Nebeneinanderstellung von Tänzerin und Trompetenbläser im gleichen Bilde mit dem Kopf des Herrn Reichskanzlers, überhaupt dessen Verwendung in einem Rätsel, lässt die gebotene Achtung vor dem Führer des nationalsozialistischen Reiches vermissen [...] Ich muss darauf hinweisen, dass heute von jeder Zeitung verlangt werden muss, dass sie jede Spalte ihrer Zeitung so absetzt, dass sie in jeder Weise dem Ansehen des Staates und seiner Träger Rechnung trägt und nicht Raum für irgend welche verkehrten Vorstellungen gibt". [176]

Drei Tage später reagierte Verlagsleiter von Massow mit einem Antwortschreiben an Graf Rantzau. Darin stritt er ab, eine Abbildung Hitlers gebracht zu haben; vielmehr hätte es sich lediglich um einen "roh skizzierten Schemakopf" gehandelt, anhand dessen das Wort "Mund" zu erraten gewesen wäre. Tatsächlich gründeten sich die schwerwiegenden Vorhaltungen allein auf eine etwa 1 x 1,5 cm große Zeichnung in einer fast zwei Wochen alten KNN-Ausgabe (vgl. das Titelbild dieser Zeitschrift). Nur bei "knifflicher [sic] Betrachtung", so der Verlagsleiter, hätte man eine gewisse entfernte Ähnlichkeit zum Reichskanzler bemerken können. Diese Unachtsamkeit der Schriftleitung gestand von Massow in dem Brief auch ein. Gegen den Ton der Verwarnung aber meldete er vorsichtigen Protest an, indem er betonte, "dass die Stärke der Ausdrucksweise in dem Verwarnungsschreiben mit der doch nur geringfügigen Aehnlichkeit unserer Schemazeichnung nicht ganz in Uebereinstimmung zu stehen scheint". Daher erstatteten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN auch beim Regierungspräsidenten Wallroth Bericht über den unverhältnismäßig rüden Tonfall.

Der weitere Verlauf dieses Konfliktes ist nicht überliefert. Die Auseinandersetzung selbst ist aber bezeichnend für die Haltung sowohl des Polizeipräsidenten Rantzau als auch der KNN-Schriftleitung unter von Massow. Graf Rantzau wollte - wie bereits erwähnt - die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN verbieten, um die Lage auf dem KIELER ZEITUNGsmarkt zu entspannen und die NORDISCHE RUNDSCHAU wirtschaftlich zu unterstützen. Dabei schien ihm jedes Mittel recht zu sein, von "außerrechtlichen, revolutionären Methoden" [177] bis zu Maßnahmen mit legalem Anstrich wie dieser Verwarnung, deren Begründung jedoch nur allzu fadenscheinig war. Andererseits zeigt das


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Beispiel, daß man auch bei den angepaßten KNN nicht bereit war, jede Art von willkürlicher Schikane ohne Gegenwehr hinzunehmen.

Ungefähr zur gleichen Zeit scheinen aber die Streitigkeiten innerhalb der Kieler Tagespresse beigelegt worden zu sein. Zwar klingt bei der NORDISCHEN RUNDSCHAU auch weiterhin gelegentlich eine gewisse Häme über die gleichgeschalteten Zeitungen an [178], doch ist von handfesten Streitigkeiten mit materiellen Folgen wie im Sommer und Herbst 1933 nichts mehr überliefert.

So kann die Entwicklung der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes allein anhand ihrer Berichterstattung erfolgen. Die Zahl der Verstöße gegen zentrale Presseanweisungen nahm, wie bei allen untersuchten Blättern, etwa seit der Jahreswende 1933/34 stark ab. Gleichwohl fand sich im Januar 1934 ein Verstoß, der außer bei den KNN nur noch bei den FLENSBURGER NACHRICHTEN festgestellt werden konnte. Ebenso wie in anderen Orten ging auch in Kiel die Hitlerjugend scharf gegen christliche Jugendverbände vor. Nach einer Beschwerde bei der Gauleitung über allzu rigorose Methoden der HJ kam es zur Auflösung und völligen Neubildung der Kieler Hitlerjugend, über die laut Direktive vom 12. Januar 1934 nichts veröffentlicht werden durfte. [179] Dennoch brachten die NEUESTEN NACHRICHTEN auf ihrer Lokalseite einen kurzen Bericht über die Auflösung des Standorts Kiel der HJ. [180] Auch wenn er nur 13 Zeilen umfaßte, war dies doch ein eindeutiger Verstoß gegen eine Anweisung des Reichspropagandaministeriums.

Hierbei scheint allerdings der lokale Aspekt des Themas von entscheidender Bedeutung gewesen zu sein, denn im Laufe des Jahres 1934 setzte sich in Folge der Uniformitätsdebatte im Propagandaministerium die Ansicht durch, "dass für manche Zeitungen besondere lokale Interessen vorhanden sind, die eine Behandlung eines an sich verbotenen Themas verlangen". [181] Um allzu große Auffälligkeiten und Peinlichkeiten zu vermeiden, ließ man es zu, daß zumindest die ortsansässigen Blätter über für andere Zeitungen "verbotene" Ereignisse berichteten, die in ihrem direkten Einzugsgebiet passiert waren. Ob dies auch hier schon der Fall war, muß dahingestellt bleiben; die KNN aber werden wohl aus diesem Gedanken heraus gehandelt haben, denn die Entlassung der gesamten Kieler Hitlerjugend konnte in der Bevölkerung nicht unbemerkt bleiben, zumal die Aufforderung des Gebietsführers Oldigs zum Standortappell in allen Tageszeitungen abgedruckt worden war. [182] Eine schlichte Unterdrückung bereits bekannter Ereignisse wollten die KNN anscheinend nicht vornehmen. Zumindest einen Rest von journalistischer Chronistenpflicht hatte man sich mit dieser Veröffentlichung noch bewahrt.

7. Weitgehendes Einschwenken auf NS-Kurs

Nach einem Jahr nationalsozialistischer Herrschaft zogen auch die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN in einem großen Leitartikel Bilanz. Die Zustände der ausgehenden Weimarer Republik wurden dem Leser als "Hexensabbat" und chaotische, hoffnungslose Zustände ins Gedächtnis zurückgerufen. [183] Demgegenüber wurden die Ausschaltung politischer Gegner sowie die beginnende Arisierung im An-


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schluß an Hitlers Machtübernahme als wichtige und notwendige Schritte bei der "größte[n] der Taten", der "Schaffung der deutschen Volksgemeinschaft" gepriesen. Ganzseitig rekapitulierte man auch im Innenteil den "Jahrestag der nationalsozialistischen Erhebung". Zum bedeutenden "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" allerdings schwiegen die KNN weitgehend; zwar druckten sie den Wortlaut des Gesetzes ab [184], redaktionelle Artikel oder gar Kommentare sucht man jedoch vergeblich. Die Rede von Reichsinnenminister Frick zur sogenannten "Reichsreform", die alle Zeitungen laut Presseanweisung in großer Aufmachung veröffentlichen sollten [185], druckten die KNN überhaupt nicht ab.

Anfang Februar 1934 hatte die englische MORNING POST Meldungen veröffentlicht, denen zufolge nationalsozialistische Kreise in Deutschland Vorbereitungen getroffen hätten, Dänemark mit SA-Terrorgruppen zu überfallen, um Nordschleswig zurückzuerobern. [186] Dazu wurde eine Presseanweisung herausgegeben, die eine Berichterstattung über diese Meldungen unter dem Schlagwort "bösartige Brunnenvergiftung" gestattete. Auch in diesem Fall konnten die aufsehenerregenden Geschehnisse wegen ihrer lokalen Bedeutung kaum unterdrückt werden. Neben den FLENSBURGER NACHRICHTEN waren die KNN das einzige der untersuchten Blätter, welches sich überhaupt zu diesem Themenkomplex äußerte. An hervorragender Stelle - in einem Leitartikel auf der Titelseite - übernahm man unverändert die Deutung des Propagandaministeriums und dementierte heftig die "englische Falschmeldung". [187] Die ausführliche Wiedergabe der britischen Presseberichte in zwei langen Absätzen schloß mit der Feststellung, dies alles sei eine "bewußte Lüge [...] einegemeine Brunnenvergiftung", die nur den einen Zweck hätte, Hitlers Friedensbeteuerungen in schlechtes Licht zu rücken.

Die Beurteilung dieses Leitartikels gestaltet sich außerordentlich schwierig, da über den wichtigsten Aspekt - die Absichten und Motive der KNN zum Abdruck - keine wissenschaftlich haltbaren Feststellungen getroffen werden können. Einerseits machte sich der Verfasser des Leitartikels die vorgefertigte Meinung des Propagandaministeriums zu eigen und gab sie unverändert wieder, entsprach also vollkommen den Intentionen einer Indoktrination der Leser. Andererseits aber fällt die ausführliche Wiedergabe der MORNING POST-Artikel auf, die für eine bloße Widerlegung nicht in solchem Umfang nötig gewesen wäre; immerhin zwei Drittel des gesamten Textes informierten den Leser unkommentiert über die angeblichen deutschen Aggressionspläne. Dies waren Informationen, die man keiner anderen Kieler Zeitung entnehmen konnte, und nur in eingeschobenen Sätzen zwischen den langen referierenden Passagen erfuhren sie eine Bewertung im nationalsozialistischen Sinne. Ob man aber daraus schließen kann, daß die KNN ihren Lesernbewußt anti-nationalsozialistische Informationen zukommen lassen wollten, muß dahingestellt bleiben. An diesem Beispiel wird die für die gelenkte Presse im NS-Staat typische Verquickung von Information und Indoktrination deutlich.

Nachdem die Goebbels-Rede vom 19. April 1934 über die Aufgaben der deutschen Presse bei den bürgerlichen Journalisten auf größte Ablehnung, ja Empörung gestoßen war [188], enthielten sich die meisten Zeitungen jeder Berichterstattung, was wegen des 45. Geburtstages


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Hitlers mit Platzmangel begründet werden konnte. Ebenso wie die gesamte bürgerliche Presse konnte sich auch die KNN-Schriftleitung erst nach dreimaliger Ermahnung des Reichspropagandaministeriums [189] zur Veröffentlichung des Redetextes entschließen. Mit merklichem Widerwillen druckte man im hintersten Teil der Zeitung einige Auszüge der Rede ab, die keiner weiteren Kommentierung für würdig befunden wurden.

Lediglich durch einige besonders hervorgehobene Zitate gab man dem Artikel gewisse Schwerpunkte. So mutet es schon etwas seltsam an, daß die KNN aus einer langen Rede über die Rolle der Presse beim Aufbau des nationalsozialistischen Staates ausgerechnet folgenden Passus in Fettdruck einrückte: "Denn darüber besteht kein Zweifel, daß unter denen, die der Partei ferngeblieben sind, sich viele befinden, die es ehrlich mit der Bewegung meinen". [190]

Zweifellos hatte das Propagandaministerium nicht wegen einer solchen Wendung auf den Abdruck gedrängt. So bleibt auch hier nur festzuhalten, daß die KNN zumindest in beschränktem Maße ihren Freiraum bei der Erfüllung einer Presseanweisung ausgenutzt haben, indem sie der Rede einen anderen als den intendierten Schwerpunkt gaben.

Diese beiden Beispiele können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN nach ihrer personellen Gleichschaltung generell den Anweisungen wesentlich strikter folgten als noch 1933. Von der Zeitung, für die bis Anfang 1934 noch die meisten Verstöße gegen die Berliner Direktiven nachgewiesen werden konnten, entwickelte sich das Kieler Abendblatt langsam zu einer gleichgeschalteten Zeitung, die sich immer weniger von anderen Blättern unterschied. Nach dem Verstoß im Zusammenhang mit der Auflösung der Kieler Hitlerjugend im Januar 1934 konnte keine wesentliche Mißachtung einer Anweisung mehr nachgewiesen werden. Auch von Beschwerden der NORDISCHEN RUNDSCHAU, von Parteistellen oder Denunziationen aus der Bevölkerung ist aus dieser Zeit nichts mehr überliefert. Die Presseanweisungen waren mittlerweile ein selbstverständlicher, internalisierter Teil der journalistischen Arbeit; durch gesetzliche wie berufsständische Maßnahmen waren die Schriftleiter in der Ausübung ihrer Tätigkeit weiter unter Druck gesetzt worden. [191]

So zogen sich auch die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN bei kontroversen Fragen auf den bloßen unkommentierten Abdruck von Agenturmeldungen zurück, wie etwa bei der Eröffnung des "Feldzuges gegen Miesmacher und Kritikaster". Gerade hier, wo man von Seiten des Propagandaministeriums eindeutige Kommentierung erwartet hatte, beließ es das Blatt beim Nachdruck der vorformulierten halbamtlichen Nachricht. Im Zusammenhang mit dem sogenannten "Röhm-Putsch" Ende Juni 1934 beachteten die KNN dann jede einzelne der neun Presseanweisungen. Schon im Vorfeld hielt man sich streng an die Direktiven und unterließ jede Veröffentlichung über Papens kritische "Marburger Rede".

Auch die Ereignisse des 30. Juni selbst wurden mit Hilfe des DNB-Agenturmaterials heruntergespielt, wobei die Erscheinungsweise der KNN eine wichtige Rolle spielte. Die vordatierte Sonntagsausgabe vom 1. Juli konnte wegen des frühen Redaktionsschlusses noch nichts über die Ereignisse bringen. Am Montag aber erschien wie immer keine Ausgabe der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN, so


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daß die Vorgänge am Dienstag journalistisch gesehen schon fast wieder unaktuell waren. Die einzige tagesaktuelle Meldung fand sich dann auch folgerichtig im Vorspann [192] des Aufmachers wieder: "Die Säuberungsaktion fand Sonntag ihren Abschluß". [193] Die Berichterstattung beschränkte sich auf die unverbundene Aneinanderreihung von Agenturmeldungen des halbamtlichen Deutschen Nachrichtenbüros, da andere Quellen nicht benutzt werden durften. [194]

Auf diese Weise erhielt die Leserschaft über die Hintergründe fast keine Informationen, außer in die Agenturmeldungen eingestreute, vage Floskeln von einer angeblichen Verschwörung. Auch im Leitartikel "Treu zum Führer!" blieb der Verfasser bewußt dem Nebulösen und Unkonkreten verhaftet; weder Personen noch spezifische Vorwürfe wurden beim Namen genannt. Stattdessen war gänzlich undifferenziert von einem "Komplott" und "gerechter Sühne" die Rede, und selbst auf den Themenkreis Homosexualität wurde mit der beiläufigen Bemerkung über die "krankhafte Veranlagung" einiger SA-Leute nur indirekt angespielt. So verwundert es nicht, wenn auf der Titelseite eher die Berichterstattung über "begeisterte Huldigungen" dominierte, die Hitler von verschiedenster Seite entgegengebracht wurden und über deren Bekanntwerden auf offizieller Seite "selbstverständlich keinerlei Bedenken" bestanden. [195] Eine wie auch immer geartete Distanzierung von den blutigen Ereignissen war den Zeitungen durch die rigorose Beschränkung der Quellen von vornherein verwehrt.

Schon am nächsten Tag war die Staatsaffäre nicht einmal mehr Thema des Leitartikels in dem Abendblatt, die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN hatten "Deutschlands Getreideversorgung" der Erörterung für wichtiger befunden. [196] Der nationalsozialistische Putsch in Österreich wurde in den KNN auf die gleiche Art behandelt. Die journalistische Eigenarbeit der Redakteure beschränkte sich jetzt hauptsächlich auf das Verfassen von Überschriften und die Zusammenstellung von Agenturmeldungen.

Im August 1934 traf auch auf die Journalisten der KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN das zu, was ein Redakteur des VÖLKISCHEN BEOBACHTERS einmal rückblickend festgestellt hatte: "Schriftleiter wurden [...] immer mehr Hakenmacher, Leute, die an die amtliche Meinung Haken, die Zeichen ihrer redaktionellen Bearbeitung, zu machen hatten, weiter nichts". [197] Aus dem "sanften Papenorgan" von 1932, das noch bis Ende Juni 1933 seine Leser relativ unabhängig informiert hatte, war nur ein Jahr später eine personell und inhaltlich gleichgeschaltete Zeitung geworden, die sich nur noch im Ton von anderen Zeitungen unterschied. Michael Freund hat dies in einem Vergleich treffend beschrieben: "Die 'Kieler Neuesten Nachrichten' waren im 'Dritten Reich' so, wie die meisten 'nazifizierten' Zeitungen waren: ganz regierungs- und parteifromm, aber auch mit einem Rest des bürgerlichen Unvermögens, die nationalsozialistische Tirade mit dem rauhen und belegten Kehllaut des wahren nationalsozialistischen Kämpfers nachzusagen". [198]

Die Zeitung, die noch im Herbst 1933 heftigen nationalsozialistischen Angriffen ausgesetzt gewesen war, hatte allen Verbotsandrohungen und -plänen zum Trotz überlebt. Zu stark war noch immer ihre wirtschaftliche Vormachtstellung auf dem Kieler Zeitungsmarkt [199], zu stark vor allem die traditionelle Leserbindung, die sich in zahllosen Familienanzeigen bemerkbar


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machte. [200] Doch ihr wirtschaftliches Überleben mußten die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN mit der Einbuße jeder individuellen, unabhängigen und von der nationalsozialistischen Propaganda abweichenden Berichterstattung bezahlen.

8. Anmerkungen

1. Vgl. den immer noch grundlegenden Aufsatz von Wilhelm Mommsen, Die Zeitung als historische Quelle. In: Beiträge zur Zeitungswissenschaft. Festgabe für Karl d'Ester. Münster 1952, S. 165 - 173.

2. Vgl. Gabriele Toepser-Ziegert, Die Entwicklung der Medien im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. In: medium 2 (1988), S. 30.

3. Josef Wulf, Presse und Funk im Dritten Reich. Gütersloh 1964, S. 195.

4. Schreiber unterstellt sogar noch den Lübecker Zeitungen von 1939, sie seien "zuverlässig, weil dem Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 unterstehend". Albrecht Schreiber, Zwischen Hakenkreuz und Holstentor. Lübeck 1983, S. 99.

5. Thomas Steensen, "In Land und Stadt das Heimatblatt". In: Werner Paravincini (Hrg.), Mare Balticum. Sigmaringen 1992, S. 407 - 412.

6. Wolf Gehrmann, Britische Presse- und Informationspolitik in Schleswig-Holstein 1945-1949. Kiel 1993, sowie Ute Haese/Torsten Prawitt-Haese,"Dem Leser ein Halt in schwerer Zeit". Schleswig-Holsteinische Pressegeschichte 1945 - 55. Hamburg 1994.

7. Sämtliche Lübecker Zeitungen sind für die Forschung nur völlig unzureichend zugänglich. Sie liegen ausschließlich in der Lübecker Stadtbibliothek vor, so daß deren Verfilmung und Bereitstellung ein dringendes Desiderat der Regionalforschung ist.

8. Rudolf Rietzler, Gegründet 1928/29: Die 'Schleswig-Holsteinische Tageszeitung'. In: Erich Hoffmann/Peter Wulf (Hrg.), 'Wir bauen das Reich'. Neumünster 1983, S.117 - 133; Regine Bigga/Uwe Danker, Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung 1892 bis 1968. In: Demokratische Geschichte Bd. 4 (1989), S. 427 - 436; Hans Wind, Gedanken zur Volks-Zeitung. In: Arbeitskreis Demokratische Geschichte (Hrg.), Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950. Kiel 1985, S. 129 - 133; Karl Rickers, Erinnerungen eines Kieler Journalisten 1920 - 1970. Neumünster 1992.

9. Als häufigste Quelle für solche Fehler haben sich die sehr fehlerhaften Zusammenstellungen von Seidel herausgestellt. Horst Seidel, Kieler Zeitungs-Chronik. [Kiel] o.J. und ders., Presse und Rundfunk in Kiel. Kiel 1966.

10. Steensen, S. 392.

11. Der Kieler Presse-Klub, der bereits als Initiator von Haese/Prawitt-Haeses Pressegeschichte aufgetreten ist, hat auf Nachfrage Interesse an der Herausgabe einer Schleswig-Holsteinischen Pressegeschichte 1933 - 45 bekundet.

12. Auch nach 1945 sollten diese drei Städte die Zeitungslandschaft in der Region bestimmen; vgl. Gerd G. Kopper, Zeitungsideologie und Zeitungsgewerbe in der Region. Düsseldorf 1972, S. 42ff.

13. LAS (Landesarchiv Schleswig) 301/5817-5818, Bericht des Regierungspräsidenten vom 1.10.1926.

14. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff "Nazifizierung" für die Ereignisse vor 1933 gebraucht. Der Terminus "Gleichschaltung" wurde von den nationalsozialistischen Propaganda für die Zeit nach dem 30.1.1933 verwendet. Außerdem trägt dieser pauschalisierende Begriff, wie Frei zurecht kritisch einwendet, den "Unterschieden, auch der Vielfalt der Vorgehensweisen im Prozeß der Instrumentalisierung der öffentlichen Kommunikation nicht genügend Rechnung". Norbert Frei, Die deutsche Presse unter den Nationalsozialisten. In: medium 2 (1988), S. 38.

15. Am 3.1.1929 war erstmals die SCHLESWIG-HOLSTEINISCHE TAGESZEITUNG erschienen, am 31.5.1929 der LÜBECKER BEOBACHTER.

16. Norbert Frei/Johannes Schmitz, Journalismus im Dritten Reich. München 1989, S. 32.

17. Hier sind besonders zu erwähnen der Nachlaß von Erich Beck, Akten des NSDAP-Hauptarchivs, Akten der Preußischen Innenministeriums, Spruchkammerakten und vor allem die bisher überhaupt noch nicht ausgewerteten, zahlreich vorhandenen Akten zur Presse im Lübecker Staatsarchiv.

18. Auf schriftliche Anfrage erklärten KIELER NACHRICHTEN, LÜBECKER NACHRICHTEN und FLENSBURGER NACHRICHTEN, nicht oder nicht mehr im Besitz von Unterlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu sein. Aufschlußreiche Unterlagen aus der Nachkriegszeit, die Kopper noch 1972 für seine Arbeit beim Verleger Christian Wulff in Bad Segeberg einsehen konnte, sind heute nicht mehr auffindbar (mündliche Auskunft Frau Arnold, Sekretariat Wäser Zeitungsverlag vom 19.1.1994).

19. Vgl. Karl-Dietrich Abel, Presselenkung im NS-Staat. Berlin 1968, S. 38, und Fritz Schmidt, Presse in Fesseln. Berlin 1948, S. 223.

20. Die Presseanweisungen, auch "Sprachregelungen" genannt, wurden auf der mittäglichen Pressekonferenz der Reichsregierung den Berliner Korrespondenten der großen Zeitungen in einer Art "Befehlsausgabe" (Fritz Sänger, Verborgene Fäden. Bonn 1978, S. 53) persönlich mitgeteilt. Kleinere Zeitungen erhielten die Direktiven per Fernschreiben über die Landesstellen des Reichspropagandaministeriums (Wulf, S. 87). Von den untersuchten Zeitungen hatten zumindest die KIELER NEUESTEN


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NACHRICHTEN mit Werner Pfeiffer und der LÜBECKER GENERAL-ANZEIGER mit Alfred Gerigk einen Korrespondenten in Berlin (Institut für Zeitungswissenschaft (Hrg.), Handbuch der Deutschen Tagespresse. Berlin 51934, S. 65, 212). Sehr wahrscheinlich nahmen beide an der Pressekonferenz teil. Vgl. Bundesarchiv, Abteilung Potsdam. Bestand 50.01, Akte Nr. 971. Verzeichnis der bei der Reichspressekammer akkreditierten Pressevertreter.

21. Nach einer Auszählung der Anweisungen ergaben sich folgende inhaltliche Schwerpunkte der Presselenkung: 1933: 11 Anweisungen zur Kirchenfrage, 8 zum Reichstagsbrandprozeß; 1934: 27 Anweisungen zur Kirchenfrage, 26 zur SA und zum sog. "Röhm-Putsch".

22. Diese Vorgehensweise orientiert sich an der Arbeit von Günsche, wobei es erklärtes Ziel der vorliegenden Arbeit war, für jeden Monat mindestens einen Stichtag zu finden. Vgl. Karl-Ludwig Günsche, Phasen der Gleichschaltung. Osnabrück 1970.

23. Der Begriff "Machtergreifung" wurde lange vor 1933 für das politische Ziel der NSDAP geprägt (vgl. Handbuch für die Provinz Schleswig-Holstein. Kiel 31929, S. 273), ist also keinesfalls "eine erst später entstandene Propagandaformel", wie häufig kolportiert wird (so bei Inge Klatt/Horst Peters, Kiel 1933. Kiel 1983, S. 6). Um den propagandistischen Begriff zu vermeiden, dessen Verbreitung "zu den noch heute nachwirkenden Erfolgen der NS-Sprach- und Pressepolitik" gehört (Norbert Frei, Die Presse am Ende der Weimarer Republik. In: Wieland Eschenhagen (Hrg.), Die "Machtergreifung". Darmstadt 1982, S. 203), wurde aus der Vielfalt der auftauchenden Termini der am wenigsten ideologisch besetzte Begriff ausgewählt; vgl. Norbert Frei, "Machtergreifung". Anmerkungen zu einem historischen Begriff. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 31, S. 136 - 145.

24. Steensen, S. 392.

25. Gabriele Toepser-Ziegert, NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Bd. 1: 1933. München 1984, S. 29* (im folgenden zitiert als NSP 1933 bzw. NSP 1934). Diller spricht sogar von der "Legende von der total unterdrückten Presse". Ansgar Diller, Aufräumen mit Legenden. In: medium 3 (1988), S. 68.

26. Fritz Schmidt, Presse in Fesseln. Berlin 1948; Oron J. Hale, Presse in der Zwangsjacke 1933-1945. Düsseldorf 1965.

27. Zur grundsätzlichen Problematik von publizistischem "Widerstand" in einer Diktatur vgl. Jürgen Hagemann, Die Presselenkung im Dritten Reich. Bonn 1970, S. 300f. und Norbert Frei, Nationalsozialistische Eroberung der Provinzpresse. Stuttgart 1980, S. 136.

28. Am 20.11.1894 erschien erstmals der GENERALANZEIGER fÜR SCHLESWIG-HOLSTEIN, dessen Namen man am 2.4.1895 in KIELER NEUESTE NACHRICHTEN (KNN) umänderte. Die heutigen KIELER NACHRICHTEN publizierten als direktes Nachfolgeblatt am 19.11.1994 eine Jubiläumsausgabe "1894 - 1994. 100 Jahre in einer Zeitung".

29. Christian Heinrich, Am Anfang war ein Stück Papier... In: Kieler Nachrichten 15.4.1972, S. 3. Zum Leonhardt-Konzern gehörten mindestens sieben weitere Generalanzeiger in Chemnitz, Plauen und Braunschweig (vgl. Maximilian Müller-Jabusch (Hrg.): Handbuch des öffentlichen Lebens. Leipzig 61931, S. 774).

30. Wirtschafts-Archiv des Institut für Weltwirtschaft (IWW). Hauptarchiv. V 30. Auszug aus dem Handelsregister Kiel vom Dezember 1929.

31. Im Jahre 1926 standen ca. 40.000 Abonnenten in Kiel einer Gesamtbevölkerung von 213.881 Einwohnern (1925) gegenüber. Vgl. ALA-Zeitungskatalog 511926, S. 253 und Jürgen Jensen/Peter Wulf (Hrg.), Geschichte der Stadt Kiel. Neumünster 1991, S. 304.

32. Nach eigenen Angaben wurden in den KNN fünfmal soviel bezahlte Anzeigen veröffentlicht wie in den beiden übrigen Kieler Tageszeitungen zusammen. Rudolf Mosse Annoncen-Expedition (Hrg.), Zeitungskatalog 541928, S. 273.

33. Vgl. Inge Klatt, Das Aufkommen des Nationalsozialismus am Beispiel Kiels. In: Urs J. Diederichs/ Hans-Hermann Wiebe (Hrg.), Schleswig-Holstein unter dem Hakenkreuz. Bad Segeberg 1983, S. 62.

34. KNN 1.1.1933.

35. Dirk Dähnhardt/Gerhard Granier (Hrg.), Der Kapp- Putsch in Kiel. Eine Dokumentation zum 60. Jahrestag der Märzereignisse von 1920. Kiel 1980, S. 16.

36. ALA-Zeitungskatalog 511926, S. 72; Mosse 1928, S. 83; Müller-Jabusch 1931, S. 813.

37. LAS 301/5817-5818. Politisches Presseverzeichnis von Schleswig-Holstein und Hamburg vom 1.10.1926.

38. Christian Zentner/Friedemann Bedürftig (Hrg.), Das große Lexikon des Dritten Reiches. München 1985, S. 124 und 273.

39. Walter Tormin (Hrg.), Die Weimarer Republik. Hannover 231977, S. 176.

40. KNN 22.7.1932.

41. KNN 16.9.1930.

42. KNN 11.8.1931.

43. SCHLESWIG-HOLSTEINISCHE VOLKSZEITUNG (SHVZ) 28.11.1930; vgl. SHVZ 10.1.1933.

44. Vgl. Dietrich Hauschildt, Vom Judenboykott zum Judenmord. Der 1. April 1933 in Kiel. In: Erich Hoffmann/Peter Wulf (Hrg.), 'Wir bauen das Reich'. Neumünster 1983, S. 335 - 360, hier S. 340: "ob der Eigentümer beider Zeitungen Meinungsvielfalt unterstützen wollte oder aus politisch unterschiedlich eingestellten Teilen der Bevölkerung Gewinn ziehen wollte, sei dahingestellt."

45. KNN 17.12.1930. Der Nationalsozialistische Studentenbund wird bei dieser Gelegenheit als "Freiheitsarmee der deutschen Jugend" bezeichnet.

46. Vgl. KNN 17.8.1932.

47. KNN 8.4.1932.

48. Solche Hoffnungen auf eine "kommende, bessere Aera" kamen noch öfter in den KNN zum Ausdruck. KNN 26.7.1932.


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49. KNN 8.8.1930: Dazu druckte man unten auf der Titelseite ein Spruchband ab mit dem fettgedruckten Text: "Wir wollen frei sein, wie die Väter waren! Deshalb stimmt 'Ja' beim Volksentscheid! - Der Preußische Landtag ist aufzulösen!"

50. KNN 9.8.1931.

51. KNN 11.8.1930.

52. Gerd Günter Kopper, Zeitungsideologie und Zeitungsgewerbe in der Region. Eine Fallstudie zu den politischen Voraussetzungen und Strukturbedingungen der Konzentration in Schleswig-Holstein 1945 - 1970. Düsseldorf 1972, S. 44.

53. KNN 14.9.1930.

54. KNN 13.4.1932.

55. KNN 22.4.1932.

56. KNN 10.4.1932.

57. KNN 26.4.1932.

58. KNN 22.7.1932.

59. KNN 23.7.1932.

60. KNN 2.8. und 16.8.1932; vgl. KNN 27.7. und 17.8.1932.

61. KNN 6.11.1932.

62. Ebd.

63. So z.B. im September 1930: NSDAP, DVP, DNVP, Zentrum, Mittelstandspartei, Bauern- und Landvolkpartei, Deutsche Staatspartei, Konservative Volkspartei.

64. VOLKSKAMPF (VK) 7.10.1932. Vgl. Christel Bronstert, Das Bild des Juden in der nationalsozialistischen Provinzpresse Schleswig-Holsteins (Nordische Rundschau). Staatsexamensarbeit. Kiel 1982, S. 14, und VK 19.11.1932.

65. SHVZ 10.1.1933.

66. KNN 8.11.1932.

67. Zitiert nach Michael Salewski, Der Weg ins Dritte Reich. Kiel 1983, S. 44.

68. KNN 7.1.1933.

69. KNN 7.1.1933. Der Berliner Korrespondent der KNN sah in der NSDAP gar einen bloßen Mehrheitsbeschaffer für die "nationale Opposition". Er mutmaßte, Hindenburg würde von Papen wieder mit der Bildung eines Kabinetts beauftragen, wenn dieser "ihm die Nationalsozialisten mitbringt".

70. KNN 26.1.1933.

71. KNN 31.1.1933. Diese war bereits am Abend des 30. Januar mit dem Datum des Folgetages herausgegeben worden; vgl. KNN 1.2.1933: "Wie Hitler zum Reichskanzler wurde. Die Mitglieder des neuen Kabinetts (Wiederholt, da nur in einem Teil der gestrigen Auflage enthalten)"

72. KNN 1.2.1933.

73. KNN 2.2., 3.2., 7.3.1933.

74. KNN 5.2.1933.

75. KNN 1.3. und 2.3.1933.

76. FLENSBURGER NACHRICHTEN (FN) 28.2.1933.

77. WTB: Wolff's Telegraphisches Büro, in den 30er Jahren größte deutsche Nachrichtenagentur. Im Dezember Zusammenlegung mit Hugenbergs Telegraphen-Union zum staatseigenen deutschen Nachrichtenbüro (DNB)

78. KNN 1.3.1933.

79. KNN 2.3.1933. Leitartikel "Die Schutzmaßnahmen des Reiches": "Und wenn die Schutzmaßnahmen, die die Reichsregierung beschlossen hat, drakonischer Natur sind, so war das nicht anders zu erwarten: Ernste Zeiten erfordern ernste Maßnahmen, und es geht um Deutschland."

80. KNN 7.3.1933. Leitartikel "Absolute Mehrheit der nationalen Konzentration".

81. KNN 12.3.1933.

82. Ebd.

83. Kieler Zeitung (KiZ) 13.3.1933.

84. KNN 14.3.1933.

85. Auch für die Meldung "Schüsse in der Kehdenstraße" zu den Ereignissen vom 1. April trifft dies zu. Dort wurde der Jude Friedrich Schumm sogar durch die fehlende Namensnennung geschützt. Die KNN kürzten ihn nur mit "Sch." ab und bezeichnen die Ereignisse als "einen bedauerlichen Zwischenfall". KNN 2.4.1933; vgl. KNN 4.4.1933.

86. Dr. Fritz Wichmann war seit Juli 1908 KNN-Hauptschriftleiter und damit der erfahrenste und langgedienteste aller Chefredakteure der untersuchten Zeitungen. Von 1927 bis 1933 war er Vorsitzender des schleswig-holsteinischen Landesverbandes im Reichsverband der deutschen Presse (RDP). Herrmann A. L. Degener (Hrg.), Degeners Wer ist's? Berlin Degener 21935, S. 1724.

87. Horst Peters, Proletarischer Widerstand in Schleswig-Holstein. In: Diederichs/Wiebe, S.107.

88. LAS 309/22576, Schreiben der KNN an den Regierungspräsidenten vom 18.3.1933. Anbei: "Der Schwarze Sender, Nachrichtenblatt der Schwarzen Front", Wien-Berlin vom 19.3.1933.

89. KNN 7.3., 14.3., 25.3.1933.

90. KNN 28.3.1933; vgl. KiZ 25.3.1933.

91. KiZ 1.4.1933.

92. KNN 30.3.1933.

93. Ebd.

94. Vgl. Hauschildt, S. 340.

95. Wegen der Vordatierung der KNN ist dieser Teil der Behauptung unzutreffend. Die KNN mit dem Datum vom 2.4.1933 war bereits am Abend des 1 .April erschienen.

96. Hauschildt, S. 343.

97. VK 31.3.1933.

98. Hauschildt, S. 340. Vgl. auch die "äußerst liberale Haltung" des Kunstkritikers Dr. Reinhold Stolze noch zu Beginn des Jahres 1933, über die der Aufsatz von Kahlcke sehr genau Auskunft gibt. Thomas Kahlcke, Die Kunstkritik in den Kieler Zeitungen der 30er Jahre. In: Beiträge zur Ausstellung "Auf gut deutsch..." Kunst in Kiel in der Diktatur. Kiel 1984, S. 91 - 104, hier 91ff.

99. KNN 9.4.1933.

100. KNN 9.4.1933.

101. LAS 310/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an den Regierungspräsidenten vom 17.7.1933.

102. Degener 21935, S. 1724. Dort wird er als "fr.[üherer] Red.[akteur]" mit Wohnsitz in Wiesbaden geführt. Diese Beobachtungen schließen natürlich nicht aus, daß sich


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Wichmann aus politischen Gründen aus dem Journalismus zurückgezogen hat.

103. Vom 12.4. bis 25.4.1933 erschien Theodor Dotzer im Impressum der KNN als Hauptschriftleiter. 1956 - 1966 war Dotzer Chefredakteur der KIELER NACHRICHTEN (KN 5.5.1965).

104. KNN 19.5.1933.

105. KNN 28.5.1933. Bei einem Angriff von Nationalsozialisten auf den Reichstagsabgeordneten Julius Leber war in der Nacht zum 1. Februar 1933 in Lübeck ein SA-Mann tödlich verletzt worden; Leber und der ihn begleitende Jungbannermann Willi Rath wurden daraufhin verhaftet. Das deutlich politisch gefärbte Urteil gegen Leber lautete auf achtzehn Monate Gefängnis, nach deren Verbüßung er noch weitere zwei Jahre in den Konzentrationslagern Esterwegen und Sachsenhausen festgehalten wurde.

106. KNN 10.6.1933.

107. ZSg. 101/1/2 vom 7.6.1933. In: NSP 1933, S. 2.

108. KNN 10.6.1933.

109. KNN 6.7.1933.

110. KNN 29.6.1933.

111. KNN 7.7.1933.

112. LAS 310/5821, Aktenvermerk des Kieler Polizeipräsidenten vom 17.7.1933.

113. Ebd.

114. LAS 301/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an die KNN vom 8.7.1933.

115. KNN 11.7.1933.

116. LAS 310/5821, Aktenvermerk des Kieler Polizeipräsidenten vom 17.7.1933.

117. Vgl. LAS 301/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an den Regierungspräsidenten vom 13.9.1933.

118. LAS 310/5821, Aktenvermerk des Kieler Polizeipräsidenten vom 17.7.1933.

119. Ebd.

120. Ebd.

121. LAS 301/5821, Schreiben der NORDISCHEN RUNDSCHAU an den Kieler Polizeipräsidenten vom 15.7.1933.

122. LAS 301/5821, Vorschlag der NORDISCHEN RUNDSCHAU für eine Auflagenachricht [vom 15.7.1933].

123. LAS 301/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an den Regierungspräsidenten vom 17.7.1933.

124. LAS 310/5821, Aktenvermerk des Kieler Polizeipräsidenten vom 17.7.1933.

125. LAS 301/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an den Regierungspräsidenten vom 17.7.1933.

126. Ebd.

127. Das am 8. April 1933 erfolgte Verbot der Zeitschrift SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER BAUER auf sechs Monate (Amtsblatt vom 15.4.1933, S. 121) war durch Beschluß des Reichsgerichts wieder aufgehoben worden. Und dies, obwohl "es zweifellos viel besser zu begründen war, als es bei den Kieler Neuesten Nachrichten auf Grund des vorliegenden Sachverhalts möglich wäre", wie der Regierungspräsident betonte. LAS 301/5821, Schreiben des Regierungspräsidenten an den Oberpräsidenten vom 20.7.1933.

128. LAS 301/5821, Schreiben des Oberpräsidenten an den Verlag der KNN 25.7.1933.

129. Maschinenschriftlich hieß es: "Bei Veröffentlichung weitere Tendenzmeldungen werde ich ein Verbot der 'Kieler Neuesten Nachrichten' durchführen." Dies wurde durch ein handschriftliches "werde [... ein Verbot ...] in Erwägung ziehen" überschrieben. LAS 301/5821, Schreiben des Oberpräsidenten an den Verlag der KNN 25.7.1933.

130. KNN 18.7.1933.

131. Nordische Rundschau (NR) 20.7.1933.

132. KNN 4.8.1933.

133. Vgl. KNN 11.8.1933.

134. Vgl. KNN 26.8. und 29.8.1933.

135. In der Rubrik "Es geht aufwärts" veröffentlichte die KNN regelmäßig Meldungen zur Arbeitsmarktlage und druckte Zitate prominenter Wirtschaftsvertreter zum Arbeitsbeschaffungsprogramm ab, die ihr vom Reichspropagandaministerium geliefert worden waren. KNN 9.7. und 25.7.1933. ZSg. 101/1/50 vom 8.7.1933. In: NSP 1933, S. 60, und ZSg. 101/1/66 vom 27.7.1933. In: NSP 1933, S. 76.

136. KNN 11.7.1933; vgl. KNN 22.7. und 25.7.1933.

137. ZSg. 101/1/65 vom 17.7.1933. In: NSP 1933, S. 75, abgedruckt in der KNN 19.7.1933.

138. ZSg. 101/1/64 vom 17.7.1933. In: NSP 1933, S. 75.

139. KNN 21.7.1933.

140. KNN 20.7. und 21.7.1933.

141. KNN 26.7.1933.

142. Vgl. Eberhard Aleff (Hrg.), Das 3. Reich. Hannover 241970, S. 53.

143. ZSg. 101/1/66 vom 27.7.1933. In: NSP 1933, S. 76.

144. KNN 28.7.1933.

145. Karl-Dietrich Abel, Presselenkung im NS-Staat. Eine Studie zur Geschichte der Publizistik in der nationalsozialistischen Zeit. Berlin 1968, S. 123.

146. Ein weiterer Verstoß findet sich in der KNN vom 27.8.1933, in der auf der Titelseite über den Tod des Deutschlandfliegers Poss nach einem Unfall berichtet wurde. Die Schlagzeile "Poss und sein Begleiter tödlich verunglückt" verstieß ausdrücklich gegen die Anweisung ZSg. 101/1/94 vom 26.8.1933 (in: NSP 1933, S. 111).

147. Dies waren die KIELER ZEITUNG und die KIELER NEUESTEN NACHRICHTEN.

148. LAS 310/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an den Regierungspräsidenten vom 13.9.1933.

149. LAS 310/5821, Aktenvermerk des Kieler Polizeipräsidenten vom 17.7.1933.

150. Ebd.

151. Seit dem 16.9.1933 erschien Ewald von Massow im Impressum der KNN als Hauptschriftleiter.

152. KNN 3.11.1933. Todesanzeigen Dr. phil. August Heuser: "nach kurzer, schwerer Krankheit". Darunter befindet sich auch eine Todesanzeige der NSBO der KNN: "Er war uns ein ehrlicher und aufrichtiger Kamerad, mit uns fest verbunden in der Gefolgschaft Adolf Hitlers".

153. Familienbuch derer von Massow. C 60. Ewald Rüdiger Andreas: Danach ging er 1941 "aus politischen Gründen in den Ruhestand".


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154. ZSg. 101/1/110-110a vom 26.9.1933. In: NSP 1933, S. 134.

155. KNN 28.9.1933.

156. Matern nennt man beim Hochdruckverfahren Papp- oder Kunststofftafeln, in die der fertige Satz eingeprägt wird, um davon die Druckplatte zu gießen. Da solche Matern leicht zu transportieren waren, waren sie zur Belieferung vieler Zeitungen mit inhaltlich identischem Material besonders gut geeignet.

157. ZSg. 101/2/15/Nr. 25 vom 31.10.1933. In: NSP 1933, S. 194.

158. KNN 8.11.1933; vgl. Abb. 1, S. 20.

159. KNN 19.5.1933.

160. KNN 8.11.1933.

161. So bei Jürgen Hagemann, Die Presselenkung im Dritten Reich. Bonn 1970, S. 302. Aufschlußreich in sprachlichem Zusammenhang sind auch die Briefe der KNN an die Behörden. Während von Massow im März noch "mit vorzüglicher Hochachtung" unterschrieb (LAS 301/5821, Schreiben der KNN an den Regierungspräsidenten vom 18.3.1933), grüßte er nun mit "Heil Hitler!" (LAS 301/5821, Schreiben der KNN an den Oberpräsidenten vom 8.11.1933).

162. Zentner/ Bedürftig, S. 200.

163. KNN 12.11.1933.

164. KNN 8.11.1933. Die Bezeichnung "Hitler-Wetter" wurde jedoch auch in anderen Medien verwendet.

165. KNN 14.11.1933.

166. LAS 310/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an den Regierungspräsidenten vom 19.10.1933.

167. Ebd. Die NORDISCHE RUNDSCHAU rechnete die KNN nicht zu den nationalsozialistischen Zeitungen. Sie hielt es für "das Beste, wenn die Kieler Zeitung eingeht".

168. LAS 301/5821, Schreiben der KNN-Verlagsleitung an den Oberpräsidenten vom 1.11.1933.

169. Ebd.

170. LAS 301/5821, Anlage zum Schreiben der KNN-Verlagsleitung an den Oberpräsidenten vom 1.11.1933.

171. KNN 3.11.1933.

172. KNN 4.11.1933.

173. LAS 301/5821, Schreiben der KNN an den Oberpräsidenten vom 8.11.1933.

174. Ebd.

175. LAS 301/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an die KNN vom 1.12.1933.

176. Ebd.

177. LAS 301/5821, Schreiben des Kieler Polizeipräsidenten an den Regierungspräsidenten vom 17.7.1933.

178. Vgl. NR 30.12.1933 und 30.6.1934.

179. ZSg. 101/3/16/Nr. 175 vom 12.1.1934. In: NSP 1934, S. 19.

180. KNN 13.1.1934.

181. ZSg. 101/3/184/Nr. 471 vom 21.4.1934. In: NSP 1934, S. 197.

182. KNN 12.1.1934, KiZ 2.1.1934.

183. KNN 30.1.1934.

184. KNN 1.2.1934.

185. ZSg. 101/3/48/Nr. 217 vom 31.1.1934. In: NSP 1934, S. 53.

186. ZSg. 101/3/60/Nr. 246 vom 6.2.1934. In: NSP 1934, S. 69.

187. KNN 8.2.1934.

188. NSP 1934, S. 195.

189. ZSg. 101/3/179/Nr. 463 vom 19.4.1934, ZSg. 101/3/180/Nr. 464 und ZSg. 101/3/182 vom 21.4.1934. In: NSP 1934, S. 192ff.

190. KNN 22.4.1934.

191. Das Schriftleitergesetz vom 4.10.1933 hatte jeden Schriftleiter persönlich haftbar gemacht für den Inhalt der von ihm verantworteten Artikel. Im Januar 1934 waren Berufsgerichte der Presse als neues Repressionsmittel eingerichtet worden, die mit ehrengerichtlichen Verfahren gezielt einzelne Redakteure ausschalten oder gefügig machen sollten; vgl. Norbert Frei, Die nationalsozialistischen Berufsgerichte der Presse. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 32. Jg. (1984), 124ff.

192. Der Vorspann oder Lead ist der erste Satz oder die ersten beiden Sätze einer Nachricht, der zum Einstieg in das folgende Thema gewählt wird.

193. KNN 3.7.1934.

194. ZSg. 101/4/2/Nr. 578 vom 1.7.1934. In: NSP 1934, S. 262.

195. ZSg. 101/4/2/Nr. 575 vom 1.7.1934. In: NSP 1934, S. 260.

196. KNN 4.7.1934.

197. Anonymus, Mehr gesprochen. In: Der Spiegel Nr. 15/1967, S. 58.

198. Michael Freund, Korruption. Ein Fall in Schleswig-Holstein unter dem Mikroskop. In: Die Gegenwart Nr. 114, Juli 1950, S. 9.

199. Anfang 1934 betrug die Druckauflage der KNN 67.629 Exemplare und damit mehr als dreimal soviel wie die der anderen Kieler Tageszeitungen zusammen. Die NORDISCHE RUNDSCHAU brachte es auf 14.700, die KIELER ZEITUNG nur auf 5.240 Exemplare. Institut für Zeitungswissenschaft (Hrg.), Handbuch der Deutschen Tagespresse. Berlin 51934, S. 212.

200. Die KNN-Ausgabe vom Heiligabend 1933 umfaßte über drei Seiten (!) nur mit Verlobungsanzeigen.

Abbildung 2 aus dem Archiv der Kieler Nachrichten; alle Faksimiles nach Mikrofilmen der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel.


Veröffentlicht in den Informationen der Schlewig-Holsteinischen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 27 (Juli 1995) S. 20-54.


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 27

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