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Detlef Korte (1956 - 1995)

Am 9. Dezember 1995 starb Dr. Detlef Korte. Die schleswig-holsteinische Zeitgeschichtsforschung verlor mit ihm eine ihrer aktivsten und profiliertesten Personen. Mehr als 15 Jahre hindurch hatte er seine Arbeit der kritischen Aufarbeitung und Analyse des Nationalsozialismus in Norddeutschland gewidmet und vertrat am Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte diesen Forschungsschwerpunkt.

Bereits Detlef Kortes Studium der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel war geprägt von intensivem politischen Engagement für eine demokratische, gerechte und darin menschliche Gesellschaft, die das Erbe nationalsozialistischer Vergangenheit als Auftrag begreift und die Auseinandersetzung damit aktiv und verantwortungsvoll betreibt. Zu Beginn der achtziger Jahre war er daher maßgeblich an der Gründung mehrerer Arbeitskreise und Initiativen beteiligt.

Der Arbeitskreis Asche-Prozeß begleitete 1980/81 das Kieler Landgerichtsverfahren gegen den ehemaligen SS-Obersturmführer Kurt Asche wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen. Als "Judenreferent" war er in den Jahren 1941 bis 1943 Adolf Eichmann im Reichssicherheitshauptamt direkt unterstellt gewesen und hatte die Deportationen von Juden aus den von deutschen Truppen besezten Ländern Belgien und Nordfrankreich organisiert. Der von Detlef Korte mitgegründete Arbeitskreis betreute jüdische Zeugen und führte Informationsveranstaltungen zum Prozeß und seinen historischen wie juristischen Hintergründen durch. Nach Verurteilung Asches widmetes sich die Mitglieder des Arbeitskreises mit einem antifaschistischen Politikverständnis der Erarbeitung und Durchführung von Stadtrundfahrten zur NS-Geschichte Kiels. Anfangs wurde die Gruppe deshalb vom Verfassungsschutz observiert; inzwischen sind die Rundfahrten ein anerkannter Bereich politischer Bildungsarbeit. Insbesondere die fachdidaktisch aufbereitete Materialien- und Dokumentensammlung ist für den Geschichtsunterricht hervorragend geeignet.

Im Beirat für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein, den Detlef Korte 1984 mitbegründete, betreute er das Jahrbuch und begutachtete für die Reihe der Sonderveröffentlichungen eingereichte Ma-


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nuskripte. Er beteiligte sich an der Organisation und Durchführung von Fachtagungen zu historischen, politischen wie kulturellen Themen.

Wichtigster Tätigkeitsbereich war für Detlef Korte jedoch der Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, den er im Frühjahr 1983 mit anderen Studenten, Historikern, Laienforschern und zeitgeschichtlich Interessierten gründete. Das Motiv hierfür war der Wunsch, die von der Kieler Universität vernachlässigte Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus im Lande zu betreiben und mit der Ansiedlung im außeruniversitären Bereich endlich neue Wege einzuschlagen. Vor dem Hintergrund des Forschungsansatzes einer "Geschichte von unten" sollte die Arbeit von Einzelpersonen, Initiativen und Geschichtswerkstätten koordiniert werden. Ihre Interessen galt es zu bündeln und nach Kräften im Lande zu vertreten.

Bis zu seinem Tod fungierte Detlef Korte als Sprecher bzw. Vorsitzender des Akens, erstellte anfangs die Druckvorlage des Info auf seiner Schreibmaschine, betreute Neumitglieder, erledigte die in Sachen Projektfinanzierung aufwendige Verwaltungsarbeit, initiierte Exkursionen und Veranstaltungsreihen.

In der Redaktion der Zeitschrift beschaffte er unermüdlich Beiträge oder regte ihre Abfassung durch ihm bekannte Autoren an. Es ist seinem wirklich ruhelosen Engagement zu verdanken, daß der Akens und die Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte heute aus der historischen Szene Norddeutschlands nicht mehr fortzudenken sind. Gegenüber den Mitgliedern zeigte sich Detlef Korte als Initiator, Motor und solidarischer Mitstreiter, der stets mit Verständnis und konstruktiver Hilfestellung auf Arbeits- und Forschungsprobleme reagierte.

1987 erstellte Detlef Korte zusammen mit Margot Knäuper eine erste Spezialbibliographie zum Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein. Sein Tod verhinderte die Fertigstellung einer überarbeiteten und erweiterten Neuauflage.

Mit seiner in langjähriger Forschung entstandenen Dissertation Erziehung ins Massengrab zum Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel Russee legte Detlef Korte 1994 die erste umfassende Studie zu diesem Lager vor und förderte damit die weitere Erforschung des nationalsozialistischen Repressions- und Vernichtungssystems. Die äußerst schlechte Quellenlage erschwerte die Recherchen, machte Besuche in mehr als 50 Archiven und umfangreiches Studium von Sekundärquellen wie etwa Gerichtsakten nötig. Das große Interesse der Fachöffentlichkeit spiegelt sich in zahlreichen kleineren Beiträgen zum AEL Nordmark wider, die Detlef Korte auf Anfrage verfaßte.

1987 erarbeitete er zusammen mit Irene Dittrich und Kay Gehrdes einen Dokumentarfilm über das KZ am Russee. Anlaß war der Kiel-Besuch mehrerer Frauen aus Luxemburg, die als Widerstandskämpferinnen von den Nazis in deutsche Konzentrationslager verschleppt worden waren. Detlef Korte knüpfte den Kontakt zu diesen Zeitzeuginnen und organisierte nach über 42 Jahren ihren Aufenthalt in Kiel.

Als Detlef Korte 1992 seine Tätigkeit im neugegründeten Schleswiger Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte aufnahm, wußte die historisch interessierte Öffentlichkeit des Landes, daß hier ein kompetenter Fachwissenschaftler auf den richtigen


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Posten gekommen war. Nun konnte er endlich mit aller Kraft übereinstimmend seine privaten, beruflichen und politischen Anliegen einer rückhaltlosen Aufklärung der NS-Vergangenheit umsetzen. Wie engagiert er diese Aufgabe vertrat, war in seinen Vorträgen und Referaten jenseits aller gekonnten Rhetorik und Faktenkenntnis deutlich spürbar. Zu seinen Obliegenheiten gehörte auch die Durchführung von Seminaren an der Bildungswissenschaftlichen Hochschule in Flensburg.

Erst relativ spät konnte sich Detlef Korte in seiner eigenen publizistischen Tätigkeit auch anderen Themen zuwenden, die er in Vorträgen und Presseartikeln umsetzte. Dabei war ihm das Erreichen eines interessierten Publikums ebenso wichtig wie die Teilhabe an einem spezifischen Fachdiskurs.

Nicht nur der Akens, der Arbeitskreis Asche-Prozeß und der Beirat für Geschichte tragen in Publikationen und Programm die Handschrift Detlef Kortes; sein Einfluß erstreckte sich auch auf zahlreiche Seminar, Magister- oder Doktorarbeiten sowie Aufsätze und Zeitungsartikel. Anstatt sich eitel zu profilieren, die Basis des Instituts für das persönliche Fortkommen zu nutzen, blieb er auf die Breitenwirkung seiner Arbeit konzentriert. Auch in seinem Forschungsprojekt, einer Sammelbiographie über die schleswig-holsteinischen Kreisleiter der NSDAP, gab er seriöser empirischer Forschung und Informationsdichte den Vorzug gegenüber öffentlichkeitswirksamer Themenwahl. Detlef Korte konnte zwar noch die Vorarbeiten, aber nicht mehr die Umsetzung des Projektes abschließen; der Band hätte neue Erkenntnisse über die Organisationsgeschichte der NSDAP für die weitere regionale Forschung zur Verfügung gestellt. Das Institut organisiert zur Zeit eine Fortführung des Projektes.

Fachliche Arbeit, menschliches und politisches Engagement stimmten bei Detlef Korte auf eine selten harmonische Weise überein. Neben großer Sachkenntnis machte ihn seine einnehmende Persönlichkeit zu einem geschätzten Kollegen in Arbeitskreisen wie dem Institut.

Eckhard Colmorgen / Kay Dohnke

Veröffentlichungen von Detlef Korte:

Public Record Office (London). Ein Archivbericht, in: Info Nr.2, hrsg. vom Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, Kiel 1984, S. 8 - 11.

"Auf gut deutsch - Kunst in Kiel in der Diktatur". Gedanken über eine Ausstellung, in: Info Nr.3, hrsg. vom Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, Kiel 1984, S. 8 - 14.

Als Gefangene im Konzentrationslager Russee, in: Kurt Hamer, Karl-Werner Schunck, Rolf Schwarz (Hrsg.): Vergessen und Verdrängt. Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus in den Kreisen Rendsburg und Eckernförde. Eine andere Heimatgeschichte, Eckernförde 1984, S. 236 - 239.

Zwangsarbeiter oder Fremdarbeiter, in: Gerhard Hoch und Rolf Schwarz (Hrsg.):


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Verschleppt zur Sklavenarbeit. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein, Alveslohe und Nützen 1985, S. 101 - 114.

Die schleswig-holsteinischen Konzentrationslager, in: Urs J. Diederichs und Hans-Hermann Wiebe (Hrsg.): Schleswig-Holstein unter dem Hakenkreuz, Bad Segeberg 1985, S. 121 - 134.

Streit um ein "Ehrenmal", in: Info Nr.9, hrsg. vom Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, Kiel 1986, S. 40 - 45.

(Zus. m. Rolf Schwarz): Die Bernadotte-Aktion. Eine Fotodokumentation, in: Demokratische Geschichte. Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein II, Kiel 1987, S. 263 - 283.

(Zus. m. Margot Knäuper): Bibliographie zum Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (Berichtszeitraum 1945 - 1985), Kiel 1987.

5 Jahre AKENS - Eine Bilanz, in: Info Nr.14, hrsg. vom Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, Kiel 1988, S. 24 - 29.

(Zus. m. Holger Malterer): Das Kieler Gewerkschaftshaus in Nazihand, in: Demokratische Geschichte. Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein III, Kiel 1988, S. 515 - 520.

"Aktion Gewitter" in Schleswig-Holstein, in: Demokratische Geschichte. Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein III, Kiel 1988, S. 521 - 526.

Vorstufe zum KZ: Das "Arbeitserziehungslager Nordmark" in Kiel (1944/45), in: Dachauer Hefte 5 (Die vergessenen Lager), Dachau 1989, S. 3 - 14.

"Erziehung" ins Massengrab. Die Geschichte des "Arbeitserziehungslagers Nordmark" Kiel Russee 1944 - 1945, Kiel 1991.

Für Kurt Hamer. Nachruf, in: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 21, November 1991, S. 102 - 103.

Das "Cap Arcona-Museum", in: Mitteilungen der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte Nr. 42/1992, S. 19 - 20.

Der Tod des Pastors Dittmann (Süderhastedt), in: Dithmarschen. Zeitschrift für Landeskunde und Landespflege 1992, S. 64 - 67.

Der Tote vom Speckenbeker Weg, in: Demokratische Geschichte. Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein VII, Kiel 1992, S. 207 - 211.

Das "Arbeitserziehungslager Nordmark" (1944-1945): "Erziehung" ins Massengrab, in: Begegnungen mit Kiel. Gabe der Christian-Albrechts-Universität zur 750-Jahr-Feier der Stadt. Hrsg. von Werner Paravicini in Zusammenarbeit mit Uwe Albrecht und Annette Henning, Neumünster 1992, S. 366 - 367.

Das Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte, in: Grenzfriedenshefte, Heft 2, Flensburg 1993, S. 115 - 122.

Das "Arbeitserziehungslager Nordmark" in Kiel (1944/45), in: Frank Bajohr (Hrsg.): Norddeutschland im Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 266 - 279.

Die schleswig-holsteinischen NSDAP-Kreisleiter, in: IZRG-Hefte 1, Arbeitsprogramm, hrsg. vom Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte, Schleswig 1994, S.17 - 27.


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Die Auschwitz-Leugner, in: Landeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.), Gegenwartsfragen 77, Kiel 1995, S. 75 - 82.

Die letzten Wochen in Kiel-Russee. "Arbeitserziehungslager Nordmark", in: Flensburger Tageblatt 14.2.1995.

"Käthe, das kann uns den Kopf kosten". Die Todesschüsse bei Lütjenhorn, in: Flensburger Tageblatt 14.3.1995.

Meldorfer Rathaus-Mord im Mai 1945. Bürgermeister Ferdinand Diekmann zückte seine Pistole und schoß sofort, in: Flensburger Tageblatt 1.5.1995.

Zwölf Jahre NS-Forschung von unten: Der AKENS, in: Zeitschrift für Erziehung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein, hrsg. von der GEW Schleswig-Holstein, Heft 5, Mai 1995, S. 7.

Der Anschlag auf die Synagoge in Kiel im August 1932, in: Jürgen Weber (Red.): Ende und Anfang im Mai 1945. Das Journal zur Ausstellung. Hrsg. von der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Kiel 1995, S.74 - 77.

"In Schleswig und Umgebung war folgendes bekannt...". Die NS-Zeit in Schleswig und die Nachkriegsermittlungen der Polizei, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Schleswiger Stadtgeschichte Heft 10/1995, S. 16 - 22.

Der Hedler-Skandal 1949-53. Ein rechtsradikales MdB aus Rendsburg und eine Schlägerei im Bundestag, in: Demokratische Geschichte. Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein IX, Kiel 1995, S. 275 - 292.

Koordination und Mitherausgabe:

Kiel. Antifaschistische Stadtrundfahrt. Begleitheft. Hrsg. vom Arbeitskreis Asche-Prozeß, Kiel 1983.

Kiel im Nationalsozialismus. Materialien und Dokumente. Hrsg. vom Arbeitskreis Asche-Prozeß, Kiel 1994.

Film:

"Wiedersehen nach 42 Jahren." Die Geschichte des Arbeitserziehungslagers Nordmark. Ein Film von Irene Dittrich, Kay Gehrdes und Detlef Korte. (Ausleihbar über Irene Dittrich, Esmarchstraße 60, 24105 Kiel)


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 28

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