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Felicitas Glade: "Zwei Freunde unter dem NS-Regime"

Der Arzt Dr. Ernst Bamberger und der Rechtsanwalt Wilhelm Hamkens lernten sich Anfang der zwanziger Jahre kennen. Der Kontakt entstand durch familiäre und persönliche Beziehungen und wurde durch den Stand als Akademiker in einer bäuerlichen Umgebung verstärkt, doch das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Männern erwuchs aus der beiden gemeinsamen Leidenschaft für die Jagd. Während Hamkens in der nationalsozialistischen Hierarchie zu hohen Ämtern aufstieg, wurde Dr. Bamberger wegen jüdischer Abstammung zum Opfer des Terrorsystems. Seiner beruflichen Existenz beraubt, erniedrigt und ausgestoßen, nahm er sich im Dezember 1941 das Leben. An diesen beiden Freunden, die der gleichen Gesellschaftsschicht angehörten und übereinsimmende Interessen hatten, werden die Umstände und Dimensionen deutlicher, in denen sich Menschen während der NS-Zeit bewegten, ebenso wie das Ausmaß des Absurden und Tragischen.

Eigentlich ist mir dieses Thema schon lange entgegengekommen. Seit fast 20 Jahren wohne ich in Remmels, wo Dr. Bamberger gestorben ist. Es war der Heimatort seiner Frau. Das Ehepaar hatte dort bei Verwandten Zuflucht gefunden, als dem hochgeachteten Rendsburger Arzt 1938 infolge der Rassengesetze die Approbation entzogen und seine chirurgische Klinik von einem "arischen" Kollegen übernommen wurde. In der Folgezeit hielten zwar Freunde und Patienten die Verbindung durch Besuche aufrecht, doch das änderte nichts an der Demütigung und Herabwürdigung, die Dr. Bamberger noch mehr belasteten, als er zum Tragen des "Judensterns" gezwungen wurde. Er ging nur noch im Dunkeln aus dem Haus, wie ältere Remmelser Einwohner erzählten.

Bald darauf folgte der Selbstmord. Der Protestant Dr. Bamberger erhielt ein christliches Begräbnis auf dem Neuen Friedhof in Hohenwestedt. 1985 wurde die ehemalige Rendsburger Synagoge nach ihm benannt und damit die Erinnerung an einen Menschen wachgehalten, dessen Schicksal um so betroffener macht, weil es so faßbar nahe ist.

Einer der Besucher in Remmels, der nach seiner Ankunft stets sein Auto in die Scheune gefahren hatte, war Wilhelm Hamkens gewesen, seit 1938 Regierungspräsident in Schleswig. Seine Karriere verdankte er der NSDAP. 1929 in die Partei eingetreten, wurde er sofort Hohenwestedter Ortsgruppenleiter und kurz darauf Kreisleiter. 1933 erhielt der Rechtsanwalt und Notar die Ernennung zum Landrat in Rendsburg, 1934 das Amt, an dem ihm besonders viel lag, das des Gaujägermeisters. Mit der nationalsozialistischen Prominenz hatte er schon frühzeitig Umgang ge-


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pflegt. Im August 1930 war Hamkens Gastgeber von Adolf Hitler, der in seiner Villa übernachtete. Dieses repräsentative Haus hatte sich übrigens der Schwiegervater von Dr. Bamberger, ein außerordentlich wohlhabender Mann, als Altersruhesitz erbauen lassen.

Auf die Person Wilhelm Hamkens und sein Leben, das fast romanhafte Züge trägt, stieß ich bei der Arbeit für die Hohenwestedter Ortsgeschichte. Seine Familie auf dem Gut Hoyerswort in Eiderstedt zeigte sich als sehr offen, und daher nahm ich gern das Angebot von Oberarchivrat Dr. Schwarz an, über Wilhelm Hamkens und den Bruder Otto Hamkens Beiträge für das Schleswig-Holsteinische Biographische Lexikon zu verfassen.

Schon bei den ersten Forschungen im Landesarchiv ergab sich aber eine Fülle von Material, die diesen Rahmen weit überschritt. Bei einem Gespräch, gewissermaßen einem "Zwischenbericht" auch über Hintergründe und Zusammenhänge, machte der stellvertretende Leiter des Landesarchivs Dr. Reißmann den Vorschlag, aufgrund der vorhandenen Möglichkeiten über ein Projekt "Dr. Bamberger - Wilhelm Hamkens" nachzudenken.

Dr. Detlef Korte vom Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte hatte schon vorher meine Bemühungen unterstützt und mir Wege geebnet. Mich beeindruckte dabei vor allem sein Verständnis für gewisse Aspekte persönlicher Problematik. Als ich mit ihm nun die Möglichkeiten auslotete, die diese größere Aufgabe bot, gingen seine Ratschläge wiederum weit über fachliche Hilfestellung hinaus. Dank seiner Hinweise und Empfehlungen zeichneten sich bald genauere Umrisse des Vorhabens ab.

An diesen beiden befreundeten Männern, dem assimilierten Juden Dr. Bamberger und dem überzeugten, aber eigenwilligen Nationalsozialisten Hamkens, läßt sich eine zeithistorische Schilderung festmachen, in der neben der politischen die sozialgeschichtliche Komponente breiten Raum erhält. Die Lebenskreise der Exponenten, die sich in Remmels und Rendsburg überschnitten, sind zugänglich, ebenso wie die noch lebenden Zeitzeugen. Ihretwegen allerdings müßte das Projekt baldmöglichst begonnen werden, was aber Förderung voraussetzt.

Alle bisherigen Ansprechpartner - wie beispielsweise Dr. Frauke Dettmer, die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Dr. Bamberger-Hauses - haben großes Interesse bekundet und ihre Unterstützung zugesagt. Ich wäre natürlich sehr dankbar, schon wegen der Voraussetzungen, dieses Thema bearbeiten zu dürfen. Das wichtigste Motiv ist dabei die persönliche Betroffenheit über das Geschehen in unmittelbarer Nähe, über die enge Verbindung zwischen "Täter" und "Opfer", über Normalität und Menschlichkeit des Bösen


Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 28 (Dezember 1995) S. 74-75.


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 28

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