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Kay Dohnke: 50 Jahre Curio-Haus-Prozesse

Vom 18. März bis zum 3. Mai 1946 fand im Hamburger Curio-Haus der erste einer Reihe britischer Militärgerichtsprozesse statt, in dem nationalsozialistische Verbrechen verhandelt und abgeurteilt wurden. Außer dem ersten Verfahren gegen die Wachmannschaften des Konzentrationslagers Neuengamme fanden später auch Prozesse gegen die Aufseher von Ravensbrück, des "Arbeitserziehungslagers Nordmark" in Kiel-Hassee und des Gestapo-Gefängnisses Fuhlsbüttel statt. Voraufgegangen war der sogenannte Zyklon-B-Prozeß, in dem die Beteiligung dreier Angehöriger der Firma Testa (Tesch & Stabenow) an der großindustriellen Herstellung des Blausäuregases und ihre Mitwisserschaft an der Verwendung zur Massenvernichtung von Menschen verhandelt wurde.

Am 3. Mai 1946, genau ein Jahr nach Befreiung des Lagers, wurden elf von 14 Angeklagten für ihre Verbrechen in Neuengamme zum Tode verurteilt. Am fünfzigsten Jahrestag der Urteilsverkündung lud die internationale Lagergemeinschaft (Amicale Internationale KZ Neuengamme) zu einem Gespräch über die Prozesse und einer öffentlichen Erklärung ihres Präsidenten Robert Pinçon (Frankreich) und der Vizepräsidenten Jean le Bris (Frankreich), Ernst Nielsen (Dänemark), Janusz Kahl (Polen), Victor Malbecq (Belgien) und Fritz Bringmann (Deutschland) ein.

Robert Pinçon skizzierte einleitend knapp die Geschichte des Konzentrationslagers Neuengamme: 1940 zusammen mit Auschwitz eingerichtet, mußten hier insgesamt 106.000 Häftlinge aus 28 von der deutschen Armee besetzten Ländern unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. 55.000 von ihnen verloren ihr Leben bei der Schinderei in Klinkerwerk oder Tongruben, beim Minenräumen in Hamburg, in Rüstungsbetrieben oder bei Beseitigung der Bombentrümmer, wurden zu Tode gefoltert, erschossen, bei Auflösung des Lagers 1945 auf Todesmärsche getrieben oder starben bei der Bombardierung der Flüchtlingsschiffe in der Neustädter Bucht.

Fritz Bringmann erinnerte in einer Bilanz des Hauptverfahrens an einzelne konkrete Verbrechen. Verhandelt wurden die Tötung von mehr als 1.000 arbeitsunfähigen Häftlingen durch Giftinjektionen, die Erschießung von 40 sowjetischen Offizieren, die Erhängung von 13 polnischen und russischen Krankenschwestern, die öffentlichen Exekutionen zu Abschreckungszwecken, die Erhängung von 78 holländischen Widerstandskämpfern, die medizinischen Experimente an Erwachsenen und zwanzig jüdischen Kindern und ihre anschließende Vernichtung im Außenlager Bullenhuser Damm, die Ermordung von 71 Männern und Frauen aus dem Hamburger Widerstand, die Tötungsdelikte auf den Todesmärschen bei Auflösung des Lagers. Grotesk, aber kaum verwunderlich: Sämtliche Angeklagte hatten im Curio-Haus-Prozeß auf Nichtschuldig plädiert.

Doch dieser Gedenk-Nachmittag war für die Amicale mehr als nur ein historischer Rückblick. In ihren Bemühungen um Schaffung einer Gedenkstätte auf dem ehemaligen KZ-Gelände ist schon sehr früh die Verlegung der


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erst 1948 dort eingerichteten Justizvollzugsanstalt zur wesentlichen Forderung geworden. "Aber noch immer steht, wie ein Geschwür auf lebendigem Leibe und auf blutgetränktem Boden, die Strafanstalt" sagte Janusz Kahl, polnischer Vizepräsident der Amicale. Das ehemalige Lagergelände sei ein großer Friedhof, dessen Würde durch die JVA empfindlich gestört werde. Nachdrücklich bekräftigen die überlebenden Häftlinge daher ihr Ziel: "Die Strafanstalt muß bis Ende des Jahrhunderts vom Gebiet des ehemaligen Lagers beseitigt worden sein!"

Im Gespräch mit den Zuhörern stellten die Präsidiumsmitglieder die Perspektiven für die Verlegung des Neuengammer Gefängnisses dar. Zwar habe ein Staatsrat des Justizministeriums die Kooperationsbereitschaft seiner Behörde bekundet, denn das Interesse an einer neuen, modernen JVA sei groß. Hamburgs erster Bürgermeister jedoch argumentiere allein mit der angespannten Haushaltslage, vermeide aber jede politische Willenserklärung.

Finanzielle Argumente, so Jean le Bris, lasse man aber nicht gelten: lediglich 0.3 % des Hamburger Gesamtbudgets wäre für einen Gefängnisneubau nötig - und das sollte der Stadt ein würdevoller Umgang mit dem Gedenken an die KZ-Opfer doch wert sein. Die Nicht-Verlegung müsse daher als politische Entscheidung angesehen werden. Erst ein konsequenter Schritt des Hamburger Senates würde zeigen, ob man die Verantwortung für die Geschichte wirklich annehme.


Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinschen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 29 (Juni 1996) S. 54-55.


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