Diese Dokumentensammlung, die laut Vorwort hauptsächlich zur Unterstützung für einen landeskundlich orientierten Geschichtsunterricht gedacht ist, stellt eine erste umfassende Quellensammlung zur Geschichte Mecklenburgs zwischen 1933 und 1945 dar. Die AutorInnen forschen schon seit mehreren Jahren zur regionalen Geschichte des Nationalsozialismus.
Der Band beinhaltet 83 sehr unterschiedliche Dokumente zu verschiedenen Aspekten der NS-Herrschaft, außerdem werden weitere Dokumente in
Faksimile wiedergegeben und regionalbezogene Ausschnitte aus den beiden mehrbändigen Veröffentlichungen "Meldungen aus dem Reich" (Herrsching 1984) und "Gestapo-Berichte über den antifaschistischen Widerstandskampf der KPD 1933 - 1939" (Berlin 1989 und 1990) abgedruckt. Ferner sind einige tabellarische Übersichten zu regionalen Wahlergebnissen im Umfeld des Jahres 1933, den Landesregierungen von 1918 bis 1934 und den Mitgliedern der Jüdischen Landesgemeinde Mecklenburgs von 1938 beigegeben.
Den Abschluß des Bandes bildet eine Chronologie wichtiger regionalbezogener Ereignisse zwischen 1930 und 1945. Die drucktechnische Wiedergabe der Faksimiles läßt durchgehend zu wünschen übrig; eine Lesbarkeit ist oft nicht gegeben.
Den historischen Materialien ist eine Einleitung vorangestellt, die einen kurzen Abriß der Geschichte Mecklenburgs in der NS-Zeit liefert und dabei gleichzeitig die Quellentexte sehr knapp einordnet. Vor oder nach den einzelnen Dokumenten wird weitestgehend auf eine quellenkritische Kommentierung verzichtet.
Die ausgewählten Quellentexte repräsentieren recht ungleichgewichtig den darzustellenden Zeitraum. Während zur Vorgeschichte der NSDAP in Mecklenburg nur vier Texte angeführt sind, stammen allein 20 Dokumente aus dem Jahr 1933. Für die folgende Zeit bis zum Kriegsbeginn wurden 22 Quellentexte ausgewählt, und 37 Texte geben Einblicke in die Phase des Weltkriegs. Die Dokumente sind überwiegend nach ihrem Entstehungszeitpunkt chronologisch geordnet. Wenige retrospektive Erinnerungen wurden nach ihrem zeitlichen Bezugskontext eingefügt.
Stark im Vordergrund stehen Belege für die brutale Machtausübung der Nationalsozialisten und den aktiven Widerstand gegen die NS-Herrschaft. Kaum vertreten sind Dokumente mit Aussagen über die Veränderungen im Arbeitsalltag, in der Freizeitgestaltung sowie in der regionalen Kunst und Kultur während der NS-Zeit. Dieses konzeptionelle Defizit der Dokumentation beschränkt ihre schulischen Einsatzmöglichkeiten, vor allem hinsichtlich des Verstehens der Integrationsangebote des NS-Systems, denen ja die Mehrheit der Bevölkerung gefolgt ist.
Der Aussagewert und der Umfang der abgedruckten Quellen ist sehr unterschiedlich, reicht von der kurzen Faktenmitteilung oder statistischen Aufstellung über Stimmungs- und Lageberichte unterschiedlicher Institutionen bis zu umfangreichen Erinnerungen von Zeitzeugen aus der Nachkriegszeit.
Die Dokumente geben differenzierte Einblicke in die Funktionsweise der NS-Herrschaft vor Ort und die Zeitverhältnisse insgesamt. Besonders mehrere subjektive Zeitzeugnisse - wie die Erinnerungen von Hans Bernitt über die illegale Fortsetzung der Tätigkeit des Vereins "Die Naturfreunde" (Dok. 46), der Abschiedsbrief der wegen Plünderung zum Tode verurteilten Marie-Luise Buckow (Dok. 57), der Brief einer Rostockerin über die Lebenssituation in der Stadt vom Februar 1945 (Dok. 79) und der Bericht von Wilhelm Beltz über das Kriegsende in Güstrow (Dok. 81) - geben instruktive Einsichten in die Lebensumstände, Haltungen und Beweggründe für das unterschiedliche Handeln der Personen. Gerade diese Dokumente eröffnen persönliche Sich-
ten und Einsichten zur NS-Zeit, die nichts von einem belehrenden und abstrakten Ton an sich haben und deshalb wohl auch das Interesse der Schüler finden können.
Mit dieser Publikation liegt ein erster Versuch vor, mittels zeitgenössischer Quellentexte die Zeit des Nationalsozialismus in Mecklenburg umfassender als bisher zu dokumentieren. Allerdings widerspiegelt diese Dokumentensammlung auch den unbefriedigenden Forschungsstand zur Geschichte Mecklenburgs von 1933 bis 1945, denn gerade Probleme der regionalen Alltags- und Sozialgeschichte des Nationalsozialismus wurden in der DDR-Geschichtswissenschaft sträflich vernachlässigt. Hier besteht noch ein ungeschmälerter Forschungsbedarf. Jedoch ist der Versuch der Herausgeber, historische Dokumente für eine notwendige regionalhistorische Profilierung des Geschichtsunterrichts bereitzustellen, sehr zu begrüßen. Dem sollten weitere Schritte unbedingt folgen!
Andreas Wagner
Beate Behrens, Karl Heinz Jahnke, Anne Geltz, Inge Wendt (Hrg.): Mecklenburg in der Zeit des Nationalsozialismus 1933 - 1945. Eine Dokumentation. Rostock: Norddeutscher Hochschulschriftenverlag 1995. 200 S.
Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 31 (Juni 1997) S. 92-94.
Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 31