Thomas Pusch

"... es tut mir leid um Deutschland!"

Die Entschädigungsakten als Quelle für die Exilforschung

Der Untersetzte: Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandekommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.

Der Große: Man kann sagen, der Mensch ist nur der mechanische Halter eines Passes. Der Paß wird ihm ihn die Brusttasche gesteckt wie die Aktienpakete in das Safe gesteckt werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertgegenstände enthält.

Der Untersetzte: Und doch könnt man behaupten , daß der Mensch in gewisser Hinsicht für den Paß notwendig ist. Der Paß ist die Hauptsach, Hut ab vor ihm, aber ohne dazugehörigen Menschen wär er nicht möglich oder mindestens nicht ganz voll. Es ist wie mit dem Chirurg, er braucht den Kranken, damit er operieren kann, insofern ist er unselbständig, eine halbe Sach mit seiner ganzen Studiertheit, und in einem modernen Staat ist es ebenso; [...]

Aber die Pässe gibts hauptsächlich wegen der Ordnung. Sie ist in solchen Zeiten absolut notwendig. Nehmen wir an, Sie und ich liefen herum ohne Bescheinigung, wer wir sind, so daß man uns nicht finden kann, wenn wir abgeschoben werden sollen, das wär keine Ordnung. ..."

aus: B. Brecht, Flüchtlingsgespräche [1]

I. Entschädigungsverfahren

Die Akten zu den Verfahren von Entschädigung und Rückerstattung - auf letztere wird in diesem Aufsatz nicht eingegangen - von Verfolgten und Opfern des Nationalsozialismus können als eine der bedeutendsten, differenziertesten und umfangreichsten Quellen zur Sozialgeschichte im Nationalsozialismus gelten. Die Nutzung dieser Akten wurde in den vergangenen Jahren - meist leise und ohne Aufhebens - für die Wissenschaft freigegeben, aber noch nicht überall. [2] Anfängliche generelle Abwehr ließ sich 50 Jahre nach dem Ende der politischen Herrschaft des Nationalsozialismus nicht mehr legitimieren. Personenrechtliche Einschränkungen gelten aus gutem Grunde aber weiterhin. Doch Personenschutzbestimmungen und Datenschutzrechte (informationelle Selbstbestimmungrechte) sind in unserer Gesellschaft nicht als Freiheitsrechte definiert. Das aber ist eine andere Diskussion... [3]

Archive und Bibliotheken, erst recht Behörden, haben vor einer Situation gar panische Angst: die BenutzerInnen stehen vor der Tür und begehren etwas. Gelegentlich wird man den Eindruck nicht los, daß man als BenutzerIn stört. Kein Archiv wird daher z.B. den Schritt unternehmen, an den historischen Seminaren der Universitäten eine Informationsveranstaltung anzubieten etwa mit dem Titel: "Die Entschädigungsakten als Quelle für die Forschung". Dieser Beitrag möchte deshalb - in recht persönlich gehaltener Form - die Entschädigungsakten als Quelle speziell für die Emigrations- oder Exilforschung im Nationalsozialismus vorstellen und dabei nicht als systematische, gar quellenkritische Betrachtung mißverstanden werden. Hier geht es um den "Reichtum", den diese Akten darstellen, und für einen Wissenschaftler, der viele Monate sich hierin vertieft hat, fällt eine Distanz zur Quelle nicht so leicht. Ein wenig wird auch das "Drumherum" des Forschens, so z.B. die stoffliche Seite dieser Quelle, hier eine Berücksichtigung finden. Es sind ja nicht nur Anträge und Bescheinigungen, die nach Ende des Nationalsozialismus abgefaßt oder ausgefüllt, eingereicht und bearbeitet wurden, in den Akten enthalten, nicht nur Vermerke und Bescheide - das alleine würde die Akten schon als wertvoll erscheinen lassen - nein! Es sind ja auch die Originaldokumente, die den Akten u.U. beigefügt sind (warum hat man nicht die Kopien oder Abschrift eingereicht?).

Zurück zum Gegenstand dieser Geschichte, den Quellen, hier den Entschädigungsakten. Im folgenden werden vier exemplarisch zu verstehende Einzelfälle Einblicke in die Anschaulichkeit und Problematik des Entschädigungsverfahrens, hier speziell der EmigrantInnen, liefern. Doch bevor ins Detail abgeschweift wird, sei an dieser Stelle eine unvollständige Liste aller möglichen und unmöglichen Quellen, die in den Entschädigungakten enthalten sind, vorgestellt. Neben Staub, abgebrochenen Bleistiftspitzen und Fingerabdrücken von Sachbearbeitern fanden sich in acht zufällig zu diesem Zwecke noch einmal durchgesehenen Akten folgende Inhalte:

Paß-, Fahndungs- und Familienfotos; Auszüge aus Aussageprotokollen der NS-Verfolgungsbehörden, Anklage- und Urteilsschriften; V-Leute-Berichte; LVA-Akten; ärztliche Atteste; Auszüge aus Gewerbe-, Handels- und Strafregistern; Baupläne; Steuerklärungen aus dem In- und Ausland; Fahrkarten und Fahrpläne; OdN-Anträge; Darlehensanträge und Firmenbilanzen; Pensionsbescheinigungen; Antragsformulare und Feststellungsbescheide; Ausweise von Flüchtlingskomitees; Verdienstbescheinigungen; Meldebescheinigungen; Auskünfte der Landesämter für Verfassungsschutz; Belege über Umzugskosten, Lagerhaltungskosten und Speditionen sowie Zollerklärungen; Paßdokumente; Zeugnisse aus Schule, Hochschule oder Arbeitswelt; Ehestandsbescheinigungen; Krankzeitenmeldungen; Verdienstbescheinigungen; Lebensläufe; Abschiedsbriefe an Angehörige; Auskünfte von Militärarchiven; Haftbescheinigungen (über Haftzeiten, Einweisungs- und Entlassungspapiere); Vernehmung ehem. Tatbeteiligter: Gestapo-Beamte, Nachbarn, Bürgermeister; Anfragen und Feststellungen der Staatsbürgerschaft (der Innenministerien, Paß- und Fremdenbehörden der Emigrationsländer, der Ordungsämter); Militärausweise ( der Résistance oder der Interbrigaden); Ermittlungsverfahren nach dem KPD-Verbot 1956; Aktenvermerke; Verpfändungen von Entschädigungsleistungen; Gesundheitsgutachten aller Fachrichtungen (neurologisch-psychologische, orthopädische, fachinternistische, HNO, zahnheilkundliche Gutachten; Forschungsgutachten...

Kurz und gut: sieht man einmal von geheim- und nachrichtendienstlichen Quellen oder organisationsinternem Material ab, so kann annähernd jede überhaupt für eine Emigrationsstudie in Frage kommende Quelle in den Entschädigungsakten enthalten sein. Viele der neurologisch-psychiatrischen Gutachten haben zudem die Qualität von Oral-History-Interviews, zahlreiche Akten der Innenbehörden der Emigrationsländer, z.B. Paß- und Ausländerämter, sind zumindest in Form von Auskünften der dort tätigen Institutionen ebenfalls erreichbar. [4]

II. Die Stofflichkeit der Quelle [5]

EmigrantInnen kommen weit herum, und auch wenn dem bekannten Brechtschen Gedicht Über die Bezeichnung Emigranten [6] aus der empirischen Perspektive vehement widersprochen werden muß, so beschreibt der Zyklus Flüchtlingsgespräche überzeugend die Wichtigkeit all dieser Papiere und Bescheinigungen. Ohne einen Ausweis ist der Mensch gar nicht, ja er existiert noch nicht einmal mehr, meint "Ziffel".

Aber: wie schafft es jemand, ein Blatt Papier über Internierungscamps und den Aufenthalt in Partisanenlagern zu retten? Hat man im Camp einen Schrank? Trägt man das Papier im Futter der Jacke eingenäht? Nein, sicher nicht. Denn würde man mit diesem Papier von einer Wehrmachtsstreife im besetzten Frankreich erwischt werden und dieses Papier wiese einen als deutschen Partisanen in Frankreich aus, der Tod wäre sicher - und er hat so manche ereilt. Wo hat Werner Bringmann seinen Militärpaß der Internationalen Brigaden aus dem Spanischen Bürgerkrieg aufbewahrt, während er Mitglied einer Résistance-Einheit war? Und welchen Weg, welche Situationen hat dieser Militärpaß erlebt? Und wenn z.B. Gerhard Kratzat (alias "Jan") - eine der faszinierendsten Persönlichkeiten (und eine der vergessensten), die in diesen Recherchen eine Rolle spielen - bald zehn Jahre mit mehreren falschen Identitäten gelebt hat, was verändert sich dadurch in der Psyche dieses Menschen - welche Identität nimmt er an? Und hat man den Abschiedsbrief des Gerhard Kratzat vor sich - was empfanden diejenigen, die ihn seit dem Abfassen des Briefes am 12. Juli 1944 in den Händen hatten und lasen? Was der Gefängnispfarrer, die Schreibkraft der Wehrmachtsgerichtes, die Angehörigen, die Lebensgefährtin oder der Sachbearbeiter des Verfahrens? Hier nur der Schluß des vielseitigen Briefes:

"[12.7.1944] Ihr Lieben

Es ist soweit. Ich rauche eine letzte Zigarette und sende Euch meine letzten herzlichen Grüße. Draußen scheint warm die Sonne, und ich habe den Eindruck, daß es gar nicht so schwer sein wird, hinauszutreten und ihre letzten Strahlen zusammen mit dem tödlichen Blei zu empfangen.

Ich danke Euch noch einmal für alles Gute, das Ihr mir erwiesen, für das Leben, das trotz aller Härten so golden, so sonnig war. [/] Ich sterbe ruhig, ich habe stets im Einklang mit mir selbst gelebt, nie durch eine Lüge mir selbst das Leben erleichtert und zugleich vergällt. Das ist wohl das beste, das man von dem Leben erhoffen kann. [/] Leider kann ich diesem Brief nicht die Arbeiten, denen ich diese letzten Jahre widmete, hinzufügen. Ich hätte Euch so gerne etwas hinterlassen, das Euch ein wenig mit Stolz erfüllt. [/] Was auch immer kommen mag, mir ist um Eure Zukunft, um Deutschland Zukunft nicht bang. Ich hoffe, daß in den Brüdern und Schwestern alles fortleben wird, was uns lieb und teuer war. [/] Ein letztes inniges Gedenken und einen letzten Gruß an alle Freunde, die vielleicht nach dem Krieg um ein Lebenszeichen bitten.[/] Euer Gerhard." [7]

Und die Freunde kamen und fragten... Warum gab Kratzat nach zehn Jahren Illegalität in der Emigration, wenige Wochen vor der Befreiung seiner Operationsbasis im Umland von Paris, seine wahre Identität den Häschern bekannt? Das war geradezu selbstmörderisch...

Viele diese Dokumente haben Wege zurückgelegt, beachtliche. Natürlich gilt gleiches für das Soldbuch eines Landsers. Doch welche Distanz hat der aufgeklärte Historiker, Jahrgang 1963, zum Landser, und welche Nähe baut er zu "seinen" historischen Subjekten auf? Aber was ist schon der Weg des Landsers zwischen Kirkenes, Bordeaux und Stalingrad gegen die Odyssee eines Rudolf Katz oder Richard Hansen rund um den Globus oder dem Weg aus den Internationalen Brigaden in ein deutsches KZ? Oder den Weg des Viktor Priess im Ankerspill bei starkem Frost von Hamburg nach Oslo, Kopenhagen, Dünkirchen, Kopenhagen, Paris, Albacete, dem legendären Partisanenbataillon in der Estremadura, den Lagern Gurs, Le Vernet, Port Bou, Algier, Delfa, dem Dienst in der Britischen Afrika-Armee, dem Landweg von Algerien in die UdSSR, der Verbannung ins hinterste Asien und acht Jahren Gulag in Vorkuta am Eismeer? Um dann doch nach 19 Jahren nach Hamburg zurückzukommen?

Der Paß der Wally Jacobsohn

Hermann Jacobsohn wuchs in Lübeck als Kind einer angesehenen Rechtsanwaltsfamilie auf. Seine Eltern - Mutter Wally geb. Page, Vater Leopold - waren Mitglied der jüdischen Gemeinde, der Vater Teilnehmer des ersten sogenannten "Welt"-Krieges. Der Sohn Hermann war bereits vor 1933 als Geschäftsmann in Frankreich und Spanien bei verschiedenen Handelshäusern tätig. Nach seiner offiziellen Abmeldung aus Lübeck (April 1933) kam er noch einmal in seine Heimatstadt. Dazu schrieb er im Kontext seines Entschädigungsverfahrens: "Ich hätte in Deutschland eine Stellung bekommen können, konnte aber die Luft dort nicht atmen [...]" Er versuchte, seine Familie von der Auswanderung zu überzeugen, was ihm aber nicht gelang. Erst nach der Reichspogromnacht unternahmen die Eltern die notwendigen Schritte.

Lange vor Beginn des Spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936 war Hermann Jacobsohn beruflich in Barcelona tätig. Er gehörte wahrscheinlich zu den Menschen, die an der Niederschlagung des Franco-Putsches und am Volksaufstand beteiligt waren. Leider äußerte er sich selbst nur indirekt, sehr wohl aber parteiisch, zu den Ereignissen auf den Barrikaden. Im Verlauf der Niederlage des spanischen Experiments bereitete er dann die Ausreise nach Südamerika vor. 1938 reiste er zunächst nach Marseille und konnte dort ein Visum für Kolumbien erhalten.

Der weitere Lebensweg der Familie ist schnell erzählt. Der Sohn verließ Spanien und kam über Marseille zunächst nach Kolumbien und dann 1939 nach Chile. Dort heiratet er 1943 eine Argentinierin. [8] Die Eltern sind 1939 über Panama nach Kolumbien und von dort aus nach Chile emigriert. Ab Kolumbien (Baranquille) war die Familie wieder zusammen. Die Mutter verstirbt 1941 in einer psychiatrischen Anstalt, der Vater 1945 an einem Krebsleiden. Vom Wohlstand und sozialer Stellung seiner Eltern und dem beträchtlichen Vermögen seiner Großeltern war nichts geblieben.

Zur Geltungmachung der Verfolgung und Schädigung seiner Familie mußte der Sohn zahllose Belege und Bescheinigungen erbringen. So reichte er auch u.a. den Reisepaß seiner Mutter im Laufe des Verfahrens ein. Den größeren Teil all dieser Belege hätte sich der Sohn sparen können, hätte er nachfolgendes Dokument, den Ausbürgerungsvorschlag der Gestapo-Kiel vom 30. Juni 1939 gegen seine Familie, zur Verfügung gehabt. Dieses vom damaligen Chef der Gestapostelle Kiel, Dr. Haselbacher, verfaßte Schreiben liefert die meisten Angaben und bestätigt sie damit "offiziell":

"Der am 31.1.1939 nach Kolumbien ausgewanderte jüdische Rechtsanwalt Leopold Jacobsohn, [...] mosaisch, deutscher Reichsangehöriger, verheiratet mit Amaly Wally geb. Pagel, [...] wohnhaft gewesen in Lübeck, entstammt einer jüdischen Familie [...].

Aus der Ehe des Jacobsohn ist ein Sohn Hermann Alfred [...] hervorgegangen, der am 11.4.1933 nach Spanien auswanderte. Er soll eine Zeitlang auf Seiten der Rotspanier gekämpft haben. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist jedoch nicht bekannt. Nach unüberprüfbaren Mitteilungen soll er sich bei seinen Eltern in Kolumbien aufhalten.

Vom Jahre 1906 bis 1937 war Jacobsohn Mitinhaber der Rechtsanwaltsfirma Jacobsohn, Dres. Meyer und Bründel in Lübeck. Dr. Bründel ist deutschblütig. Er trat nach der Machtübernahme aus der Firma aus. Jacobsohn übte seine Tätigkeit als Rechtsanwalt noch bis Ende 1938 aus. Bis zum 31.12.1938 war er als jüdischer Konsulent für den Oberlandesgerichtsbezirk Kiel zugelassen.

Jacobsohn hat von 1899 bis 1900 und von 1914 bis 1918 im Infanterieregiment 162 in Lübeck gedient. Er ist Inhaber des Eisernen Kreuzes II., des Hanseatenkreuzes, des Frontkämpferkreuzes und der Landwehrdienstauszeichnung II.

Von 1901 [?, TP] bis 1933 war Jacobsohn Mitglied der Demokratischen Partei und von 1904 bis zur Auflösung Mitglied und zuletzt 2. Vorsitzender der "Esra Loge" des "Unabhängigen Ordens Bne Brith" in Lübeck. Eine schriftstellerische bzw. rednerische Tätigkeit hat er nicht ausgeübt. Es ist aber bekannt, daß er das Reichsbanner mit Geldmitteln unterstützt hat.

Im Zuge der Aktion gegen die Juden wurde Jacobsohn am 10.11.1938 festgenommen und dem Konzentrationslager Sachsenhausen zugeführt. Wegen seines Alters wurde er am 22.11.1938 wieder entlassen. [...]

Er besitzt bei der Dresdner Bank in Lübeck ein Wertpapierdepot und ein Auswandererkonto. Ferner befindet sich noch ein Auswandererkonto bei M.M. Warburg und Co. [...] Die Konten sind im Einvernehmen mit dem Finanzamt Lübeck (Devisenstelle) bis zur Einziehung sichergestellt.

Da Jacobsohn Mitglied der jüdischen "Esra Loge" (UPBB) war, die als staatsfeindlich erklärt und aufgelöst worden ist, ferner das Reichsbanner finanziell unterstützte, sind die Voraussetzungen für die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Erlaß [...] erfüllt.

Ich bitte, die Ausbürgerung des Jacobsohn beim RF-SS anzuregen und die Ausbürgerung auch auf die Familienangehörigen zu erstrecken." [9]

Das Augenmerk soll nun aber auf den "edelsten Teil" eines Menschen gelegt werden, den Paß. Alle diese Stempel und Eintragungen im Reisepaß der Frau Jacobsohn, Visa-Ein- wie Austräge, Kürzel, Abzeichnungen, Datumsstempel und Unterschriften provozieren eine Frage: Wieviele Sprachen mußte eigentlich ein Zöllner oder Grenzschützer beherrschen, damit er auch nur etwas davon versteht, was da gestempelt, gedruckt oder geschrieben war? Oder reichte ihm dieser eine Buchstabe auf dem Deckblatt ("J") im Paß so vieler Menschen Mittel- und Osteuropas aus, um zu erkennen, daß es sich hier um höchst zweifelhafte Elemente handelt? Man bedenke, offenkundig rassistische Stereotypen wie etwa die Hautfarbe, die es den heutigen "Grenzschützern" so leicht machen, gab es nicht, Juden waren alle "weiß".

Was steht nun alles über das Schicksal der Familie Jacobsohn (Lübeck) im Reispaß der Wally Jacobsohn? Abbildungen laden zum Studium ein.

III. Hatte die "Wiedergutmachung" in Schleswig-Holstein spezifische Bedingungen für die EmigrantInnen?

Ohne Umschweife: für die im hier zugrunde gelegten Forschungsprojekt betrachteten EmigrantInnen stellt die "Wiedergutmachung" über viele Jahre ein weiteres Unrecht dar. Gesunder Menschenverstand, ein Rest an Mitmenschlichkeit und geringste Kenntnisse über die politischen Gegebenheiten des Bundeslandes machen es fast unmöglich, von Zynismus, Revanchismus und Bürokratismus der Behörden (und Politiker) nicht angewidert zu sein (Ausnahmen bestätigen dies und werden in diesem Aufsatz besonders hervorgehoben).

Die Wiedergutmachung der Spanienkämpfer

Einen besonderen Fall für die Schlechterstellung der NS-Verfolgten stellt die Entschädigung der Spanienkämpfer dar. Sie waren die Verlierer im Bürgerkrieg, und ihre Kontrahenten der faschistischen Legion Condor erfreuten sich im Nachkriegsdeutschland eines hohen Ansehens und weitgehend ausreichender Versorgung. [10]

Die Hoffnung vieler Spanienkämpfer hinsichtlich einer Entschädigung richtete sich vor allem auf zwei Aspekte. Sie wollten zunächst die erlittenen Gesundheitsschäden als "verfolgungsbedingt" anerkannt wissen, um so in den Genuß von Beschädigtenrenten zu kommen, und sie wollten die Haft- und Internierungszeiten in Südfrankreich nach 1939 als Haftstrafe entschädigt wissen.

Die Ablehnung eines Antrages auf Beschädigtenrente im Falle des Werner Bringmann bringt die Argumentation in Schleswig-Holstein deutlich hervor. Darin heißt es: "Alle herangezogenen [Gesundheits-]Gutachten lehnen den Zusammenhang der bestehenden Beschwerden mit den Verfolgungsmaßnahmen 1933 ab. Sie [Bringmann] waren Teilnehmer des Bürgerkrieges in Spanien und es ist anzunehmen, daß die Beschwerden als Folge des Krieges entstanden sind. Der Spanienkrieg ist aber nicht als Verfolgungsmaßnahme im Sinne des Gesetzes v. 4.3.48 anzusehen." Kern der Begründung bleibt die Ansicht, daß der Spanische Bürgerkrieg kein von deutscher Seite betriebener Krieg oder keine von dieser Seite betriebene Verfolgungsmaßnahme gewesen sei.

Die von der VVN-Schleswig-Holstein geführte Berufungsklage wiederholt den Widerstandsaspekt explizit noch einmal und weitet ihn auf die Tätigkeit im französischen Widerstand aus. "Seit dieser Zeit [Kapitulation Frankreichs] lebte der Berufungskläger wieder illegal in Frankreich; er hat sich einige Zeit später auf den Namen Arne Sode angemeldet und war demnach als dänischer Staatsangehöriger zunächst unbehelligt geblieben. Dieses dauerte bis zum Jahre 1946. Er führte in Frankreich den Widerstand gegen den Nazismus in der französischen Widerstandsbewegung Franc Tireur Partisan (F.T.P.)." Der Kampf im Ausland gegen den Faschismus geübte Widerstand sei auf verschiedene Weise geführt worden, "z.B. durch Presse-, Radio- und Buchkampagnen und darüber hinaus durch Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg oder im Heer der Alliierten Verbündeten des 2. Weltkrieges oder in den Untergrundbewegungen der besetzten Länder". [11]

Die Berufungsklage wird am 2. November 1951 abgelehnt. Neben dem erkennbaren politischen Unwillen sind hier aber auch die Lücken in den Gesetzen für die Ablehnung verantwortlich zu machen. Zu viele Einzelfälle waren bei der Abfassung der Gesetze gar nicht berücksichtigt worden, sowohl aus Unwillen als auch aus Unkenntnis heraus.

Einen anderen, für die unterschiedliche Wiedergutmachungspraxis in den Bundesländern weitaus aufschlußreicheren Konflikt focht "Jule" Jürgensen, Führungskader der KPD in Norddeutschland, exemplarisch für andere aus. Jürgensen wollte die Internierung und Illegalität in Südfrankreich von 1939 bis 1943 als anrechnungsfähige Haftzeiten gewertet wissen und dafür eine Entschädigung einklagen. Juristisch war der Fall recht schwierig, da unterschieden werden mußte nach "Internierung in Frankreich vor Kriegsbeginn", "Internierung bis zum Waffenstillstand" und "unter dem Vichy-Regime", dann noch einmal unterschieden in "besetztes" und "unbesetztes" Frankreich. Belege, Zeugenaussagen und Erklärungen der Betroffenen füllen die Akte. Die Frage aber, welche Haft auf Druck oder Anweisung deutscher Dienststellen oder aber nur "im Sinne dieser", jedoch von der legitimen französischen Regierung betrieben, anzusehen sei, war Hauptstreitpunkt des Verfahrens.

Jürgensen kam zu Hilfe, daß die Entschädigung bis zur Verabschiedung von bundeseinheitlichen Gesetzen Ländersache war und recht unterschiedlich gehandhabt wurde. Das Landesentschädigungsamt (LEA) in Kiel fragte daher bei den Entschädigungsämtern aller anderen Bundesländer an, wie in vergleichbaren Fällen entschieden worden sei. Von sieben Bundesländern finden sich in seiner Akte vielseitige Rückläufe.

Teilweise wird vor dem Hintergrund der landesspezifischen Entschädigungspraxis explizit auf Jürgensens Fall eingegangen, teilweise werden Vergleichsfälle übersandt und interpretiert. Vergleicht man nun die Eingänge, dann fällt auf, daß - ging es um die Rechte und Interessen der Spanienkämpfer - Schleswig-Holstein eine Sonderrolle einnahm, mehr noch, ein Schlußlicht ist: in den als Beispielen dokumentierten Fällen sind die Bescheide für die Antragsteller weitaus günstiger, entgegenkommender bis hin zu solidarisierend ausgefallen.

An der Spitze lag die Position aus dem Saarland, ohne Frage ein Indiz für den vergleichsweise hohen Anteil von Remigranten und Spanienkämpfern in politischen Funktionen. Vor diesem Hintergrund wurde die Klage beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugunsten von Jürgensen entschieden, der Wert als Präzedenzfall aber dadurch entscheidend gemindert, daß ein vereinheitlichendes Bundesgesetz kurze Zeit später neue Rahmenbedingungen festsetzte.

Vergleicht man, welche - langsam einsetzende - günstigere ideologische Bewertung die Teilnahme am Bürgerkrieg in der DDR erfuhr und welche Existenzsicherung dort gewährleistet wurde, so kann der Entschluß zur Übersiedlung in die DDR nur konsequent sein. Aus den Entschädigungsverfahren geht dann auch hervor, wie Jürgensen und ein weiterer ehemaliger Spanienkämpfer Schleswig-Holstein im Zuge der KPD-Verfolgung und ungünstiger Wiedergutmachung die Bundesrepublik verließen und in die DDR übersiedelten. [12]

Auffallend ist aber auch, wie stereotyp und spärlich die Angaben zur Teilnahme am Bürgerkrieg von den Beteiligten waren. In weiten Bereichen wurde hier ein Tabu berührt. [13]

IV. Das Subjekt in der Geschichte

Das Entschädigungsverfahren erzeugt nicht nur besondere Quellen, sondern auch spezifische Kommunikationssituationen zwischen den AntragstellerInnen und den Sachbearbeitern des LEA. [14] Die Entschädigungsämter entstanden mehr ohne weniger aus dem Nichts, ihr Personal aber keineswegs: Verwaltungsbeamte konnten sicherlich alles verwalten. Wie hängen die Abwicklung, Betreuung und Beratung der Entschädigungsämter mit der personellen Besetzung der Ämter zusammen? Wäre nicht eine Sozialgeschichte der Sachbearbeiter (ohne -"Innen") ebenso aussagekräftig wie die Analyse der Verfahren? Immerhin war der erste Leiter des LEA ein ehemaliger Linksradikaler, spätere Bildungsminister in Braunschweig und Skandinavien-Emigrant, der dann nach wenigen Jahren von der CDU/FDP und den Kreisen, die sie vertrat, aus dem Amt gejagt wurde.

Der Lübecker SPD-Lokalfürst und Skandinavien-Remigrant Paul Bromme, Weggefährte des geschaßten Hans Sievers, formulierte 1973 in seinen Emigrationserinnerungen hinsichtlich der sehr schlechten Erfahrungen eines Freundes mit den Entschädigungsämtern: "Er konnte sich mit der Theorie nicht befreunden, die insbesondere auch bei den Entschädigungsämtern herrschte und deren Mitarbeiter zu einem Teil aus Nazis bestand." [15]

Hans Petersen und der Bearbeiter seines Entschädigungsfalles

Der 1897 in Flensburg geborene Hans Petersen war von 1922 bis zum 31. Januar 1934 Lehrer in der Gemeinde Tastrup. Er war als Aktivist des Guttemplerordens - einer Abstinenzlervereinigung - bekannt und überregional aktiv. Diese Organisation wurde 1933 im Zuge der Gleichschaltungsmaßnahmen aufgelöst, Petersen zum Eintritt in den nationalsozialistischen Lehrerverband gedrängt, wogegen er sich aber widersetzte. Er wurde zum 1. Februar 1934 auf eine Stelle nach Ulzburg strafversetzt. Er selbst datiert seinen Entschluß, nach Dänemark auszuwandern, auf diesen Zeitpunkt: "Nun faßte ich den Beschluß, nach Dänemark auszuwandern, und ich begann, meine eigentliche Muttersprache gründlicher zu lernen. Eine Atempause brachte meine (auf eigenen Wunsch erfolgte) Versetzung nach Dahrenwurth (Dithm.), wo wir uns bald ganz gut heimisch fühlten."

Im Winter 1935/36 stellte sich aber die gleiche Situation wie zuvor in Tastrup ein - Petersen wurde zum Eintritt in NS-Organisationen aufgefordert, lehnte dies abermals ab. "Ich reichte ordnungsgemäß meine Entlassung ein, brachte meine Frau und unsere beiden Kinder zu meiner in Sonderburg wohnhaften Schwester, und reiste dann selbst mit dem größten Teil unseres Hausrates nach Kopenhagen." Mit einigen Schwierigkeiten konnte er befristete Lehrerstellen in Dänemark wahrnehmen. In Dänemark blieb er von der Verhaftung verschont, da ihm dortige Behörden eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung aussprachen. [16]

Der Dreh- und Angelpunkt seines Entschädigungsverfahrens ist hier bereits genannt. Ihm wird es unter den dargelegten Umständen nicht gelingen können, die Emigration als Folge einer Verfolgungsmaßnahme nachzuweisen - er war weder in Haft, noch wurde gegen ihn ermittelt und - in den Augen des gemeinen Nachkriegsbetrachters - könne hier gar nicht von Emigration als Flucht gesprochen werden, sondern es handelte sich um eine Auswanderung aus freiem Willen. Dies deckt sich mit stereotyp wiederholten Ansichten auch in der Exilforschung, wonach jemand von dunkeln Häschern verfolgt nachts über eine grüne Grenze oder ein sturmgepeitschtes Meer mit wehmütigen Gefühlen im Herzen seine Heimat verläßt. Leider vergaß man dabei, die Realität zu befragen.

An dieser Stelle muß nun auch gar nicht weiter interessieren, ob ein Guttempler [17] nun ein politisch oder sonstwie Verfolgter war. Petersen hat unstreitbar belegt, aus demokratischer Gesinnung den Totalitätsanspruch des NS abgelehnt zu haben und deshalb unter Druck geraten zu sein. Zudem hat er sich mit rassistisch Verfolgten solidarisiert und sie tatkräftig unterstützt. Man muß nicht nur tollkühne und meist sinnlose Aktionen in KPD und SPD vollführen, um vom Nationalsozialismus als Gegner auserkoren zu werden.

Im Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 1962 wird sein Antrag auf Wiedergutmachung von Schäden im beruflichen Fortkommen abgewiesen: "Dem Antrage konnte wegen fehlenden Beweises einer zu einer Schädigung führenden nationalsozialistischen Verfolgung nicht entsprochen werden." Nach weiteren Ermittlungen räumt ein Vermerk des LEA am 29. Juli 1963 aber ein, daß verschiedene Zeugenaussagen die Sichtweise Petersens stützen. [18]

Nicht erkennbar war für den Historiker zunächst, was der Anlaß war, daß der Sachbearbeiter sich diese Perspektive zueigen machte. Problemverschärfend war ohnehin, daß Petersens Erstantrag verloren gegangen ist, seine Personalakte beim Landrat in Flensburg verlustig ist - diesbezügliche Schreiben des Landratsamtes können getrost als Frechheit bezeichnet werden. Petersen, immerhin ein in Wort und Schrift geübter Lehrer, stellt seine Verfolgung in wünschbarer Genauigkeit dar, gut 35 eng mit Maschine beschriebene Seiten lang. Was hilft es da, wenn das LEA dem nach 1945 amtierenden Bürgermeister der Gemeinde Schreiben mit der Aufforderung zukommen läßt, doch bitte die Angaben ggf. zu bestätigen oder die Namen der betreffenden NS-Bauern zu nennen... Geradezu ein Treppenwitz!

Ein bemerkenswert ausführlicher und differenzierter Aktenvermerk (15 Seiten) hält die Situation Petersens im Detail fest: eine ausführlich und kenntnisreich geschriebene Biographie aus Behördenhand. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, als wolle der Sachbearbeiter des LEA Petersen eine gute Vorlage für eine Klageschrift liefern.

Das LEA fragte, sobald sich die Antwort auf eine Anfrage verzögert, bei Petersen mit einem weiteren Schreiben nach, ob er bisherige Schreiben auch erhalten habe. Am 8. Dezember 1961 erinnerte man ihn an das Schreiben des LEA vom 13. Oktober und fragt an, ob er dieses möglicherweise nicht zugestellt bekommen hätte. Besagtes Schreiben enthielt den oben erwähnten ausführlichen Aktenvermerk des Sachbearbeiters als Durchschrift. Mit Petersens Antwortschreiben vom 11. Dezember 1961 bekam der Vorgang dann eine sehr persönliche Wendung: "Wenn ich, wie mir gesagt wurde, der einzige Lehrer in Schleswig-Holstein war, der noch im Amt war, ohne Mitglied der Parteiorganisation zu sein, dann kann Ihnen natürlich kein Fall bekannt sein, daß ein Lehrer nur wegen seiner Nichtmitgliedschaft aus dem Amt entlassen wurde. Und wenn Sie keinen Fall wissen, wo ein Arier mit der Waffe bedroht wurde, weil er für die Hinterbliebenen gefallener 'Kameraden' nicht spenden wollte, so ist mir jedenfalls ein derartiger Fall bekannt. Und selbstverständlich meine ich nicht, daß eine Nichtbeantwortung des bekannten [Hitler-]Grußes schon eine drohende Gefahr bedeute. Gewiß, viele haben Schwierigkeiten gehabt, aber weitaus die meisten zeigten nicht gerade soviel Zivilcourage, wie man es wohl hätte erwarten dürfen. Natürlich kann man ja besonders jetzt nach den vielen Jahren die Sache mit verschiedenen Augen betrachten. Die von mir dargestellten Ereignisse waren wahrlich eine so ernste Bedrohung, daß meine Freunde, wie es ja auch aus den Zeugenaussagen hervorgeht, aufatmeten, als ich in Sicherheit war. [...]

Wenn Leute in Tastrup sich der Verfolgung nicht erinnern, so ist das zu verstehen. Die Leute gingen ihrer Arbeit nach und nahmen die Geschehnisse nicht so tragisch. Die meisten wollten auch nicht glauben, was von Konzentrationslagern und Judenverfolgung erzählt wurde. Sehr sehr wenige sahen wirklich was gespielt wurde. Wenn ich mehr wußte als die meisten, so lag das wohl zum Teil an meinen Verbindungen mit allen deutschen Gauen [des Guttemplerordens] und auch mit dem Ausland. [...] Es hat sicherlich viele Gegner des Nationalsozialismus gegeben, leider aber zu wenige aktive. Wer aber offen seine Gegnerschaft bekannte, war in Gefahr, deren gab's aber nur sehr wenige. Es liegt mir fern, den anderen einen Vorwurf zu machen, es war ja leider so, wie ein höherer Beamter - den ich als Nazigegner kannte - zu mir sagte[:] 'Man kann gegen einen warmen Backofen nicht anpusten'. Er selbst trug dann auch bald das Parteiabzeichen und nannte sich mir gegenüber als zu den 'Märzgefallenen' gehörig."

Der Sachbearbeiter fühlt sich persönlich angesprochen und geht auf das Schreiben vom 11. Dezember 1961 am 2. Januar 1962 auf diese persönliche Ebene ein: "Wie der Unterzeichnete bereits Ihnen mitteilte, ist er Anfang 1934 selbst aus anerkannten politischen Verfolgungsgründen aus seinem Amte entlassen worden. Wenn ich Ihnen schrieb, daß mir kein Fall bekannt sei, daß ein Lehrer allein deshalb entlassen wurde, weil er nicht Mitglied des NS-Lehrerbundes war, so betrifft dies nicht Fälle ausschließlich in Schleswig-Holstein. Nach meiner politischen Entlassung wohnte ich bis zu meiner Einziehung als Soldat im Oktober 1941 in Berlin; war vor meiner politischen Entlassung einige Zeit in Sachsen als Beamter und habe nach 1945 in Schleswig-Holstein auf dem Wiedergutmachungssektor über 4700 Wiedergutmachungsanträge Angehöriger des öffentlichen Dienstes kennengelernt. Außerdem habe ich Kollegen gefragt, die ebenfalls auf dem Sektor der Wiedergutmachung an öffentlich Bedienstete eingesetzt sind oder waren. Gleichwohl habe ich keinen Fall erfahren können, in dem ein Beamter deshalb entlassen wurde, weil er nicht Mitglied der entsprechenden NS-Beamtenorganisation geworden ist."

Petersen am 27. Januar 1962: "Zum ersten Abschnitt möchte ich bemerken, daß es an sich ja nichts sagt, ob ein betreffender Fall bekannt ist, denn bei mir handelt es sich ja nicht nur um die Mitgliedschaft bzw. Nichtmitgliedschaft in der Parteiorganisation der Lehrer, sondern um Verfolgung mancherlei Art, wo aber immerhin auch die Gleichschaltung der Lehrerschaft wie des Guttemplerordens eine Rolle spielte."

Der Sachbearbeiter wird nicht müde, Petersen Hintertüren in dem Verfahren offenzuhalten: "Auch nach Ihren letzten Ausführungen fehlt es bisher an bewiesenen Tatsachen dafür, daß Sie bei Ihrem eigenen Antrag auf Dienstentlassung [...] unmittelbar vor gegen Sie gerichteten ernstlichen Verfolgungsmaßnahmen gestanden haben. [...] Bei der bisherigen Sachlage wäre wegen fehlenden Beweises für ernstliche gegen Ihre Person gerichtete Verfolgungsmaßnahmen nur eine negative Entscheidung möglich. Insbesondere muß auf folgendes hingewiesen werden: [...] Trotz Ihres von Ihnen selbst ausgestellten Abschiedsgesuchs [...] könnte Ihnen gemäß § 7 BWGÖD Wiedergutmachung gewährt werden, falls sich ein Beweis dafür vorbringen läßt, daß unmittelbar konkret gegen Ihre Person [...] gerichtete ernstliche, Ihre Existenz oder Freiheit oder Ihr Leben bedrohende Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bevorstanden [...] Beim gegenwärtigen Sachstand scheint daher aus den vorgenannten Gründen es nicht möglich, einen eine Wiedergutmachung zu erkennende Entscheidung zu erlassen." (LEA an Petersen, abgesandt am 19. Juli 1962)

Daraufhin ist von Petersen längere Zeit nichts zu hören - er hatte in der Zwischenzeit einen Herzanfall erlitten. Am 9. September 1962 schreibt er an das LEA: "Es geht mir jetzt besser. Die Akte [deren Einsichtnahme P. geplant hatte] möchte ich nicht einsehen, ich habe genug mit der Sache zu tun gehabt. [...] Wenn man dort [im LEA] jetzt meint, mir einen negativen Bescheid auf meinen Antrag geben zu müssen, so tut es mir leid; für mich selbst und um meine Freunde in Deutschland besteht gar kein Zweifel daran, daß ich meinen Beruf in Deutschland aufgab und das Land verließ, weil ich die ständigen Verfolgungen und Bedrohungen nicht mehr ertragen konnte. [...] Ich habe jetzt nicht Kräfte dazu, auf die Sache weiter einzugehen."

Der Sachbearbeiter reagiert hierauf am 16. Oktober 1962: "Sehr geehrter Herr Petersen! Leider konnte Ihrem Wiedergutmachungsantrage nicht entsprochen werden. Wie ich Ihnen vor rund einem Jahr bereits schrieb, bin ich selbst Politischverfolgter, während der NS-Zeit entamtet und mit meiner Familie in schwerer Not gewesen, so daß ich glaube, mich durchaus in die Situation der Antragsteller hineinversetzen zu können. Nach den klaren gesetzlichen Bestimmungen und der eindeutigen Rechtsprechung war es jedoch nicht möglich, eine positive Entscheidung zu erteilen."

Dieses Schreiben war ein Begleitschreiben zur Übersendung des Feststellungsbescheid - in dieser Form bisher ohne Beispiel. Und auch der offizielle Teil des Ablehungsbescheides hebt sich ab von allen vergleichbaren: die Begründung umfaßt 24 einzeilig (!) beschriebene Seiten und faßt den kompletten Kenntnisstand nochmals zusammen.

Die Korrespondenz zwischen beiden endet mit dem Schreiben vom 18. November 1962. Petersen teilt mit, daß er nicht beabsichtige zu klagen: "Einmal würde eine Entschädigung für mich heute nicht mehr viel bedeuten, zum anderen aber habe ich kein Vertrauen zum deutschen Rechtswesen. Besonders das letzte Jahr brachte ja so viele Pressemitteilungen von einer Zersetzung besonders des Rechtswesens durch narzißtische Elemente, daß man kaum mit einer unvoreingenommenen Behandlung einer Klage rechnen kann. - Ich weiß natürlich, daß die bisherigen Bearbeiter des Antrages nach gegebenen Richtlinien die Sache bearbeitet haben, und der Briefwechsel hat mir den Eindruck gegeben, daß man wirklich bemüht gewesen ist, zu einer persönlichen Lösung zu kommen. Es liegt mir also fern, den Bearbeitern irgendwie zu nahe zu treten. Der Fehler muß bei den Behörden liegen, die zu dem Gesetz die Ausführungsbestimmungen gegeben haben. Leider habe ich selbst die Überzeugung gewonnen, die hier in Dänemark in der Presse laut wurde und die mir zu meinem großen Erstaunen von zwei deutschen Beamten bestätigt wurde, daß nämlich das Gesetz vornehmlich gekommen sei, um im Ausland einen guten Eindruck zu machen."

Und bezugnehmend auf seine schwierige Beweislage schreibt er: "Beweismaterial? Ja, woher nehmen! Die Herren, die mir übel wollten, stellten sich nicht vor. [...] Eine jede Zeugenaussage wird eine Auffassung sein. Was die Bauern in Tarup und Tastrup geschrieben haben, wird also mehr gerechnet als eine Auffassung? [...] Eine der führenden Persönlichkeiten im Dorf belehrte mich nun (ich versuche es wörtlich zu sagen): "Wie kannst du noch so dumm sein, das zu sagen. Mache es wie wir Bauern: wir haben nie etwas gesehen, nie etwas gehört - mein Name ist Hase, ich weiß von nichts. Warum so dumm sein, in irgend etwas hineingezogen werden. Nein, du kannst noch viel von uns Bauern lernen, Schulmeister." - Und die Herren Landräte usw. usw. - ob die Herren SA und SS-Leute von ihren eigenen Übergriffen berichten? [...] Ein Beweis wäre also nur, wenn man mich wirklich ins KZ gesteckt hätte und dies schwarz auf weiß irgendwo stünde. [...]

Nun Schluß. - Es tut mir leid, wenn ich Ihnen unrecht getan habe, aber einige Bemerkungen in den Ausführungen kommen mir vor, als bezichtigten diese mich der Lüge. Dazu nur dies eine: Die Jahre 1933 bis 1945 - also die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft haben mich und meine Lebensarbeit zerbrochen. -

Deutschland / ich habe an dich geglaubt, / ich habe für dich gestritten, / ich habe für dich gelitten, / und du hast mir alles geraubt. Nicht meinetwegen tut es mir leid, daß der Antrag abgelehnt wurde, es tut mir aber leid um Deutschland. - Mit einem letzten, aber freundlichen Gruß. Hans Petersen."

V. Die Grenze der Aussagefähigkeit

Die Aussagekraft der in den Entschädigungsverfahren enthaltenen Quellen hat Grenzen - Grenzen, die sich aus der Natur der Quellen selbst und diese wiederum aus den Lebenslagen der AntragstellerInnen ergeben. Kann man von einem deutschen Angehörigen der Résistance erwarten, daß er zum Beleg seiner Tätigkeit im Untergrund angibt, daß er in Frankreich einen SS-Mann erschossen hat und diese Aktion seine Legitimation in der Résistance darstellte? Oder Kurier in der Wollweber-Organisation gewesen zu sein, die deutsche Schiffe auf den Grund der Ostsee bombte? Wohl kaum - daher fand sich diese Information auch nicht in den Entschädigungsakten, und auch hier soll nicht die Quelle der Information genannt werden. Daß AntragstellerInnen aus diversen Gründen sachdienliche Informationen zurückhalten ist das eine, das andere aber, daß nicht alle vorgebrachten Angaben der Überprüfung standhalten.

Die Angaben des Herrn G. zu seinem Verfolgungsschicksal

Der Fall des Herrn Anton G. [19] zeigt im besonderen Maße, wie die Schilderung von Exilwegen und ihr Beleg durch Quellen in den Akten mit Vorsicht zu genießen sind.

Unter der Nr. 361 wird Herr G., Jg. 1908, als Verfolgter des NS-Regimes in seinem 1946 neu gewählten Schleswig-Holsteinischen Wohnort vom für die Betreuung der NS-Opfer und Verfolgten zuständigen Sonderhilfsausschuß (SHA) anerkannt. Angaben zu seiner Person sind, daß er von Beruf Fischer sei und - seinen eigenen Angaben folgend - von 1939 bis 1946 in der Emigration war, davon 37 Monate Internierungslager in Frankreich, Spanien und Portugal. Seinem Karteiblatt liegt ein Foto bei, auf dessen Rückreise der Aufnahmeort Lissabon gestempelt ist.

Sein Antrag auf Anerkennung als NS-Verfolgter datiert vom 8. August 1946. Als Grund der Gefangennahme gibt er im Antrag an, daß er Angehöriger der Internationalen Brigade im II. spanischen Unabhängigkeitskrieg 1936 - 1939 gewesen war. "In Internierungslager vom Februar 1939 bis März 1946 in Frankreich, Spanien und Portugal - 37 Monate insgesamt, nach Rückkehr nach Deutschland zwecks Überprüfung der Personalien und Tätigkeit im Ausland, weitere 4 Monate im Zivilinternierungslager Neuengamme."

In Hamburg sei er auch vom Hamburger Komitee für Verfolgte persönlich anerkannt worden, den Nachweis dazu kann er führen. Die Aufenthaltsbescheinigung des Wohnortes verzeichnet bei ihm noch 1950: "Staatsangehörigkeit: Spanien - ohne Nachweis".

G. bemüht sich, weitere Zeugen für Haft und Internierung herbeizuschaffen. Die Bestrebungen, seinen Kameraden Wille W. ausfindig zu machen, laufen ins Leere: am 11. Oktober 1948 teilt die VVN in Mannheim mit, daß W. im Januar des Jahres nach Südamerika ausgewandert ist. Pech!

Ein Auszug aus dem Strafregister "Auslandsstrafregisterbehörde Berlin C 2" vom 17. Mai 1949 bestätigt seine Identifizierung. Lediglich Bagatelldelikte sind eingetragen. Beruflich möchte Herr G. eine Netzemacherei aufbauen, dieser Plan zerschlägt sich aber im Streit mit den Fischern seines Wohnortes. Angaben hierzu - wie überhaupt Angaben zur sozialen Situation seiner Familie - machen einen gewichtigen Teil der ganzen Aktenführung aus.

G.s Lage wird nach einem weiteren erfolglosen Existenzgründungsversuch schwierig. Am 16. April 1950 stellt G. einen formlosen Antrag auf Haftentschädigung. Sein Antrag bleibt aber ohne Erfolg, denn der Entnazifizierungsausschuß seines Wohnortes stuft ihn am 18. Oktober 1949 "als entlastet in die Gruppe V eingereiht worden" ein. NSDAP-Mitgliedschaft und Haftentschädigung schließen sich aber aus. Am 16. April 1950 räumt Herr G. von sich aus ein, daß er vom Januar 1929 bis Mai 1929 Mitglied der NSDAP gewesen, jedoch freiwillig ausgetreten sei.

Das Innenministerium teilt dem Sonderhilfsausschuß am 12. Mai 1950 mit: "Es wird besonders auf die Bestimmungen der Zonenanweisung der Britischen Militärregierung [...] über die Mitgliedschaft in der NSDAP hingewiesen. Des weiteren wird betont, daß nach Ansicht des Ministeriums die Maßnahmen, die aus Gründen der Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg in Spanien ergriffen wurden, nicht als Verfolgung im Sinne des Gesetzes vom 4.3.1948 anzusehen sind."

Der SHA des Wohnortes hebt die am 2. September 1946 ausgesprochene Anerkennung im Sinne des Rentengesetzes auf und lehnt gemäß § 5 des Haftentschädigungsgesetzes ab, einen Anspruch von G. auf Haftentschädigung anzuerkennen. Die gleiche Mitteilung geht auch an die Landesregierung. [20]

G. legt Beschwerde ein. Der SHA kommentiert die Beschwerde: "Da die VVN bei der Befürwortung des Anerkennungsantrages am 22.8.46 nichts davon erwähnt hat, ist die Tatsache der Mitgliedschaft dem SHA unbekannt geblieben und mußte deshalb jetzt zu einer neuen Beurteilung des Falles führen." Der Leiter des LEA Sievers teilt hingegen am 22. Januar 1951 mit: "Die von der Ausführungsbehörde verfügte Renteneinstellung ist richtig [...]." Die Beschwerde wurde zurückgewiesen. Er könne sich ja an das Landesverwaltungsgericht wenden. G.s Klage geht für ihn negativ aus. Das Urteil vom 27. November 1951 wird gültig; Herr G. fährt aber mittlerweile auf einem britischen Tanker im Mittelmeer, Rückzahlungen müssen zunächst unterbleiben.

Schauen wir uns an, was Herrn G. passiert ist: von Entschädigungsleistungen bleibt er ausgeschlossen, da er nach eigenen Angaben zeitweilig Mitglied der NSDAP gewesen ist. Liegt hier nicht eine besondere Härte vor? Ist es nicht würdigungsfähig, daß jemand mit dem Nationalsozialismus bricht und zum Antifaschisten wird, der zudem im Spanischen Bürgerkrieg sein Leben für eine Sache einsetzt?

Aber das ist es nicht allein. Die Zeugen seiner Verfolgung sind in Südamerika unerreichbar, zudem sei er eigenen Angaben zufolge ausgebürgert worden und habe die spanische Staatsbürgerschaft. Diese schließe ihn - zumindest zu diesem Zeitpunkt - auch von Leistungen nach dem Rentengesetz aus.

Die Angaben im Aktenbestand des SHA seines Wohnortes - diese sind Grundlage des zuvor Ermittelten - decken sich weitestgehend mit dem Vorgang im Entschädigungsverfahren im LAS; diese sind im Allgemeinen als Fortsetzung des Entschädigungsverfahrens zu verstehen. Im Laufe des Verfahrens werden aber Informationen erbracht, die G.s Aussagen nicht immer bestätigen, aber auch nicht widerlegen. Das Berlin Document Center (BDC) gibt die Auskunft, daß er von Beruf Melker gewesen sei, zuletzt in Berlin-Lichterfelde gewohnt habe und die NSDAP-Mitgliedsnummer 110795 trage. Weiterhin sei ein mehrfacher NSDAP-Eintritt, erstmalig am 1.1.1929, sowie ein mehrmaliger Verlust der Mitgliedschaft (ohne Verzeichnis der Gründe) dokumentiert.

Herr G. weiß sich wortsicher zu wehren. "Wenn mir von der Beklagten [SHA] der Vorwurf gemacht wird, im Jahre 1933 Mitglied der NSDAP zu sein, so entspricht diese Behauptung nicht den Tatsachen. 1933 wurde meine Wohnung von Polizei und SA durchsucht. Dabei wurden Bücher und Zeitschriften antinazistischen Inhalts beschlagnahmt. Als ich deswegen von der SA in Haft genommen werden sollte, habe ich erklärt, daß diese Bücher Eigentum meines Vormieters seien und ich selbst Mitglied der NSDAP gewesen bin bevor ich ins Ausland gegangen war. Die SA hat eine Nachprüfung vorgenommen und es wurde mir dann mitgeteilt, daß ich einen Wiederaufnahmeantrag stellen kann. Dieses habe ich jedoch niemals getan, da ich es aus politischer Überzeugung nicht mehr wollte." [21] Kurze Zeit, nachdem er diese Angaben gemacht hat, war Herr G. wieder auf See.

In seinem Antrag auf Beschädigtenrente vom 13. September 1948 macht er dann die Angabe, daß er während des Bürgerkrieges verletzt worden sei. Außerdem sei er durch die national-spanische Polizei in Cordoba mißhandelt worden, da er sich geweigert habe, nach Deutschland zurückzukehren. Unter der Rubrik, die ein Verschulden Dritter aufführen soll, schreibt er: "Deutscher Polizeiattache in Spanien, welcher der Spanischen Polizei Anweisungen gab, gegen Deutsche, welche auf republikanischer Seite gekämpft hatten, rücksichtslos vorzugehen." In einem ärztlichen Gutachten vom 29. Oktober 1948 wird festgehalten, daß die Gestapo 1936 versuchte, ihn zu verhaften, daraufhin ging er ins Ausland.

G.s Beschwerde wegen der Aberkennung seiner Verfolgtenanerkennung wird abgelehnt. Der Beschluß in der Beschwerdesache vermerkt, daß G. nach Ende den Bürgerkrieges in Spanien interniert wurde:

"Im März 1940 flüchtete er nach Spanien und fuhr darauf durch Vermittlung der britischen Botschaft wieder zur See. Im Februar 1941 ist er dann in Melilla wieder abgemustert und hat sich nach Lissabon begeben. Beim Grenzübertritt wurde er jedoch verhaftet und durch die spanischen Behörden der deutschen Botschaft überstellt. Er lehnte es jedoch ab, freiwillig nach Deutschland zurückzukehren und erhielt daher keine Ausreisegenehmigung. Er blieb daher in Spanien in Haft. Am 20.4.1943 floh er und konnte sich mit falschen Papieren bis zur Kapitulation verborgen halten. Im August 1945 kam er nach Lissabon und wollte nach Deutschland zurückkehren. Er wurde wegen Fehlens gültiger Papiere erneut verhaftet und konnte erst im März 1946 nach Deutschland zurückkehren. [...] Während des spanischen Bürgerkrieges verlor er die deutsche Staatsbürgerschaft und wurde im August 1938 spanischer Staatsbürger."

In der Klageabweisung vom 11. Januar 1952 kann man ihn nachweisen, daß er (!) sich für eine Wiederaufnahme der NSDAP-Mitgliedschaft aktiv bemühte. Damit endet das Entschädigungsverfahren von G. Was bleibt, sind Aktenberge über die Rückzahlung der "zu unrecht" erhaltenen Leistungen, die Herr G. nach Kräften tätigt.

Bevor nun der Sohn von Herr G. (Jg. 1947) die Sachlage klärt, soll vorgebracht werden, was sich aus anderen im Forschungsprozeß genutzten Quellenbeständen über G.s Exilweg und Verfolgungsgang finden ließ.

Zur Staatsbürgerschaft: Das Verzeichnis der individuell-fakultativ ausgebürgerten Personen [22] nennt Herrn G. nicht unter den Ausgebürgerten. Im Archiv des Auswärtigen Amtes fand sich zudem auch kein Hinweis auf ein eingeleitetes Verfahren hierzu. Das Verfahren zur Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft (LAS 611 St.) enthält nur zwei Notizen. Das eine, ein Schreiben vom 25. Mai 1961, verweist auf die Zuständigkeit des Ordnungsamtes seines Wohnortes. Anzunehmen ist, daß Unterlagen an das Ordnungsamt abgegeben wurden; dort findet sich heute aber kein Nachweis.

Das Entnazifizierungsverfahren im LAS (Abt. 420) liefert die gleichen Angaben, wie sie zuletzt im Ablehnungsbescheid erbracht wurden.

Das Internierungslager in Neuengamme: In Neuengamme wurden nach der Befreiung unterschiedliche Personengruppen interniert, gefangengehalten bzw. untergebracht. Die zeitweilige Internierung von RemigrantInnen mit ungeklärten Identifizierungen (oder dem Verdacht, Komintern-Agenten zu sein) ist belegt. In der Presse gab es 1946 folgend - so zumindest im Norddeutschen Echo am 13.4., 27.4., 24.8.46... - eine intensive Berichterstattung über die verbliebenen Gestapo-Agenten in Spanien und Portugal [23] und ihre Rückführung. Über Herrn G. findet sich im Archiv der heutigen Gedenkstätte aber kein Material. [24]

Die Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg: Daß G. in Spanien auf Seiten der Republik Dienst getan hat, kann als belegt gelten. In den Kaderbeurteilungen der Interbrigadisten heißt es über ihn: "Nie an der Front gewesen, erklärte, er kann nicht. War Chauffeur bei der Sanitaet. War kurze Zeit wegen schlechten Vergehens eingesperrt. Hat sich nebenbei Geld gemacht, indem er auf den Dörfern Lebensmittel aufkaufte und sie in Barcelona teuer verkaufte."

Eine andere Stelle nennt ihn als Postfahrer (bitte diesen Umstand nicht übersehen!). [25] Ein anderer, durch Zufälle ebenfalls an G.s Wohnort zurückgekehrter Interbrigadist liefert eine eidesstattliche Erklärung, daß er zusammen mit G. von Ende 1938 bis Anfang 1939 im Demobilisierungslager Bisaura de Ter in Katalonien und später im Konzentrationslager Gurs interniert war. [26]

Eine Nennung in den Akten des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA): Im ganzen Bestand "Reich" des Bundesarchives, vor allen in den sehr gut erschlossenen ehemaligen DDR-Beständen, findet sich nicht eine einzige Nennung von G. - ein bemerkenswerter und ungewöhnlicher Umstand. In den Straf- und Ermittlungsakten der NS-Justiz taucht er nur einmal in der Aussage eines Spanienrückkehrers auf. Dieser nennt G. als Postfahrer in der Etappe.

Erst mit der 1997 zur Verfügung stehenden BDC-Auskunft hätte der Fall eine Wendung bekommen, wenn nicht Herr G. jr. zuvor Wesentliches zur Aufklärung beigetragen hätte.

Heutiger BDC-Kenntnisstand: Das Karteiblatt der Mitgliedskartei führt ihn mit Berlin-Staaken als Wohnort, den zweimaligen Eintritt (1. Januar 1929 und 11. April 1933) und verschiedenen kleinen Parteiämtern (Eintrag vom 15. August 1934). Später wird nachgetragen, daß er ab dem 1. Juli 1935 "Nebeneinkünfte" hatte. "Tätig als: Presse u. Prop. W." Gehaltsstufe IV. Grundgehalt 245,- RM. Am 30. September 1935 sei er "freiwillig" ausgeschieden.

Letzterer, den Fall in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lassende Kenntnisstand lag noch nicht vor, als der Sohn von Herrn G. sich bereiterklärte, dem Autor gegenüber von seinem Vater zu sprechen. Herr G. (jr.) wurde bei einem Treffen am 23. September 1996 auf die Widersprüche in den Angaben aus den Akten hingewiesen, insbesondere darauf, daß Angaben G.s zur Staatsbürgerschaft offenkundig falsch seien; Herr. G. ist nie ausgebürgert worden. Der Sohn teilt darauf folgendes zur Biographie des Herr G. mit: G. (sen.) hatte 11 Geschwister, der Vater war Steiger im Schlesischen Revier. Als Junge war er Viehhirte, und durch den Kontakt mit Besatzungssoldaten nach 1918 lernte er die französische und polnische Sprache kennen, später hätte er fünf Fremdsprachen in Wort und Schrift beherrscht. Er habe immer das Bestreben gehabt, im Leben weiterzukommen. Mit 16 ging er, der zweitälteste, von Zuhause weg. Er wurde zunächst Landarbeiter in Pommern und kam später nach Berlin. Dort trat er der NSDAP bei; über die berufliche Tätigkeit des Vaters in den Jahren hatte der Sohn ebenfalls keine Angaben.

Und weiter: Sein Vater war in Spanien, er kam wahrscheinlich über Paris dorthin, und er war in der Tat Angehöriger der Interbrigaden und wurde sogar verletzt. Aber er war in Spanien als V-Mann der Abwehr (ob "Abwehr" oder "Gestapo", konnte Herr G. jr. nicht mit Bestimmtheit sagen). [27] Über den Bürgerkrieg hätte sein Vater oft in Hinblick auf die Grausamkeiten berichtet. Er fuhr mit der Identität eines "polnischen Heizers" auf Schiffen neutraler Staaten [28], hat u.a. in einem englischen Hafen einen deutschen Luftangriff erlebt und blieb später bis 1946 in Portugal.

Nachdem er wieder in Deutschland war, lebte er als Fischer und Seemann. Mit der Einschulung des Sohnes musterte er ab und arbeitete fortan als Bauarbeiter. 1961 verzog die Familie ins Ruhrgebiet. Die Familie kam Anfang der 70er Jahre nach Schleswig-Holstein zurück. Nach seiner Verrentung seien die Eltern noch oft in Spanien gewesen, und der Vater hätte im übrigen seinen Einsatz als V-Mann als Dienstzeit bei der Rentenanrechnung anerkannt bekommen. [29]

VI. Ein Fazit?

Welchen über die genannten Beispiele hinausgehenden spezifischen Wert haben die Entschädigungsakten nun für die Emigrationsforschung? Die Beispiele sprechen Bände, und Dutzende weiterer Merkwürdigkeiten und Besonderheiten könnten hier vorgestellt werden.

Zunächst einmal wäre aber festzuhalten, daß sich für die Forschenden ein umfangreiches Bild über die Lebenswege der AntragstellerInnnen aufbaut. Dabei nimmt insbesondere der Nachweis der sozialen Lage nach dem Verfolgungsende und die Schilderung der der Emigration vorangehenden Verfolgung einen großen Stellenwert ein. Verständlich, daß die soziale Lage stets recht drastisch dargestellt wird - oft genug war sie es auch.

Die AntragstellerInnen mußten ihre Angaben belegen. Glaubhafte Versicherungen, eidesstattliche Erklärungen oder auch nur die Angabe von ZeugInnen reichen in Schleswig-Holstein selten aus, um ein Verfahren voranzutreiben. Die Emigration produziert so Quellen, die ohne die schleswig-holsteiner Entschädigungspraxis nicht in Deutschland zu finden wären. Diese Quellen wären nur durch zeit- und kostenaufwendige Auslandsrecherchen zu ermitteln. Die Fälle, bei denen eine Person im Emigrationsland verbleibt und keinen Entschädigungsantrag stellt, verdeutlichen dem Autor, welcher Forschungsaufwand notwendig ist, will man auch nur ein annähernd dichtes Bild des Lebens im Exil und dem "danach" zeichnen.

Je häufiger im hier zugrunde liegenden Forschungsprojekt Entschädigungsverfahren außerhalb Schleswig-Holsteins herangezogen werden, desto mehr verdichtet sich das Bild, daß in diesem Bundesland - gerade auch für politische EmigrantInnen - sehr ungünstige Entschädigungs- und damit Integrationsbedingungen - vorlagen. Wo in Hamburg oft eine glaubhafte Versicherung ausreichte, mußten die AntragstellerInnen in Kiel oft selbst recherchieren und aussagekräftige Beweise herbeischaffen. Die ungünstigen Entschädigungsbedingungen in Schleswig-Holstein produzierten möglicherweise mehr Quellen zur Emigration als in den meisten andederen Bundesländern.

Auf diese ungünstigen Bedingungen reagierten die AntragstellerInnen teils mit Rückzug, teils mit Beharrung, selten auch einmal kämpferisch. Bei Biographien wie denen von "Jule" Jürgensen oder auch des Alfons Heising - vor Kriegsende zuletzt Partisan in Griechenland - treten sehr wohl Momente des sich "ungerecht behandelt-fühlens" bei einem ausgeprägten moralischen Gerechtigkeitsempfinden zutage. Ihre eigenen moralischen Werthaltungen geben ihnen die Kraft, den Weg durch die Instanzen zu bestreiten. Und der betrachtende Historiker freut sich mit ihnen über jede gewonnene Klage und jeden treffenden Satz, den sie dem Herrschaftsapparat der frühen BRD hinterherwerfen.

Kaum eine Quelle kann darüber hinaus die spezifische Entfremdungs- und Entwurzelungserfahrung so präzise wiedergeben wie die psychologisch-neurologischen Gutachten, die gelegentlich in den Entschädigungsakten zu finden sind. Man erfährt darin nicht nur "fast alles" und das Intimste der AntragstellerInnen, sondern auch enorm viel über spezifische Migrationserfahrungen, über Entwurzelung, Entfremdung und - manchmal - die Neufindung der Persönlichkeit, wie sie bei heutigen Migrationsprozessen oft übersehen werden.

VII. Anmerkungen

1. Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche, Frankfurt a.M. 1990 (Erstveröffentlichung Frankfurt 1961). Hier "I. Über Pässe / Über die Ebenbürtigkeit von Bier und Zigarre / Über die Ordnungsliebe", S. 7f., geschrieben 1940/41, aus dem Nachlaß veröffentlicht.

2. Literatur zur Wiedergutmachung in der Bundesrepublik am Schluß des Beitrages. Zur Arbeit mit Entschädigungsakten können zu folgenden Bundesländern Angaben gemacht werden: Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg, dem Saarland, Bremen sowie zum Bundesverwaltungsamt (Köln). Die Art, in der einzelne lokale Archive Aufhebens um die Nutzung der OdN-Verfahren machen (diese waren den eigentlichen Entschädigungsverfahren vorgeschaltet, gehen aber später in den Bestand Abtlg. 761 im Landesarchiv Schleswig-Holstein, LAS auf), und mit einem Mantel des "Sensiben" und "schützenswert" umgeben, deutet leider nur darauf hin, daß sie gar nicht wissen, worum es geht.

3. Zum Thema "Anonymisierung" sei an dieser Stelle eine Formulierung zitiert, die einen Meilenstein im wissenschaftlichen Umgang mit personenbezogenen, sensiblen Daten darstellt. Das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden teilte in einem Schreiben an den Autor am 9.3.1998 folgendes mit: "Wir machen Sie [...] darauf aufmerksam, daß die von Ihnen gewonnenen Forschungsergebnisse, soweit der Forschungszweck dies zuläßt, ohne personenbezogene Angaben aus dem Archivgut zu veröffentlichen sind."

4. Eine Diskussion kann an dieser Stelle ausgespart werden: die um die Objektivität der Quelle. Selbstverständlich muß an die Aussagen in den Entschädigungsverfahren die gleiche, oder besser: eine der Oral-History- und Erfahrungsgeschichte angepaßte, intensivere Quellenkritik gerichtet werden, insbesondere im Hinblick auf die Selbstkonstitution der Subjekte - aber das macht sie ja gerade so interessant.

5. Schöne Aufsätze gibt es über die Stofflichkeit der Quelle, z.B. Arlette Farge, Vom Geschmack des Archivs, in: WerkstattGeschichte 5, S. 13-15. Dies war das Themenheft "Archive" (Juli 1993).

6. "Immer fand ich den Namen falsch, den man uns gab: Emigranten / Das heißt doch Auswanderer. Aber wir / Wanderten doch nicht aus, nach freiem Entschluß / Wählend ein anderes Land. Wanderten wir doch auch nicht / Ein in ein Land, dort zu bleiben, womöglich für immer. / Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte. / Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns da aufnahm." Bertolt Brecht, Svendborger Gedichte, in: B. B., Gesammelte Werke in 20 Bänden. Frankfurt/Main 1975, Bd. 9, S. 718 (geschrieben 1939).

7. LAS 761/12584, Nachtrag zum Abschiedsbrief, Lyon 12.7.1944.

8. Diese, wie alle anderen Angaben in: LAS 761/ 22754.

9. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes [PAAA], Inland II A/B, 83/76, R 99827. Hinsichtlich der Unterstützung des Reichsbanners sei erwähnt, daß er Verteidiger von Julius Leber war.

10. Sehr aufschlußreich dazu der Artikel von Dr. jur Arnold Hagenberg "Die Ansprüche der rep. Spanienkampfer und das BVG", in: "El Voluntario de la Libertad" - Mitteilungsblatt der ehem. [west-]deutschen rep. Spanienkämpfer, Nr. 15, 1958, S. 9 - 12 (= Bl. 38-40), Bundesarchiv [BArch], Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen [SAPMO], Sg Y 11/V 237/11/166; siehe auch: Thomas Pusch, "Spaniens Himmel ..." und keine Sterne, in: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 32 (Kiel 1997), S. 17 - 54, sowie: Björn Marnau, "Im Kampf gegen den Weltfeind". Schleswig-Holstein und der spanische Bürgerkrieg, in: Informatonen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 32 (Kiel 1997), S. 3 - 16.

11. LAS 761/16870, Schreiben vom 14.7.50, 4.8.50.

12. LAS 761/18792, Rudolf Göbel.

13. Die Motive schälten sich erst sehr langsam heraus. Dazu: Pusch, "Spaniens Himmel ...", a.a.O., S. 25ff.

14. Wann die erste Sachbearbeiterin auftaucht entzieht sich der Kenntnis des Autors, es könnte aber etwa zu Beginn der 80er Jahre gewesen sein. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich auch der Tonfall entscheidend. Die Antragstellerinnen werden als Klienten verstanden und erhalten endlich eine angemessene Hilfestellung.

15. Paul Bromme, Im nordischen Exil. Erlebnisse - Eindrücke - Personalien, unveröffentliches Typoskript (Fassung vom November 1973); seiner Nichte den herzlichen Dank, daß sie diesen und weitere wertvolle Texte, Dokumente und Fotos zur Verfügung stellte.

16. LAS 761/24761, Antragsschreiben ohne Datum von Petersen, Abschrift beglaubigt am 21.2.1959.

17. Wo sich politische Werthaltungen über die Sekundärtugenden Pflicht, Gehorsam und männerbündischen Drogenkonsum rekonstruieren, ist ein Abrücken davon sehr politisch. Heinz Kraschutzki, Pazifist und Strafrechtsreformer, benennt gar seine Haltung gegen den Alkoholkonsum in der kaiserlichen Marine als Beginn seines Abrückens von all diesen Sekundärtugenden. Ort dieser Einsicht war die Marineschule Mürwik, und der Kaiser selbst lobte ihn noch dafür (BArch, SAPMO, Sg Y 30/ 2087).

18. Mehrere von Petersens Lehrerkollegen, die für ihn Belege erbringen, sind sozialdemokratisch organisiert.

19. Natürlich hat Herr G. auch einen vollständigen Nachnamen. Hier liegt aber ein Fall vor, wo einem Informationszuträger, dem Sohn von Herrn G., nicht zugemutet werden kann, den vollen Namen zu nennen. Im Sinne einer Anonymisierung verbietet sich hier konsequenterweise auch eine Nennung der Quellen, sonst könnte die Anonymisierung auch gleich unterbleiben. Quellen dieses Falles sind Akten der KPD, hier die Kaderbeurteilungen der Spanienkämpfer im BArch, SAPMO Ry 1 / I 2/ 3 / 86 - 91; ein Entschädigungsverfahren im LAS; ein OdN-Bestand in einem lokalen Archiv und die Auskunft aus dem BDC. Dem Sohn von Herrn G. herzlich Dank dafür, daß er die Informationen zur Interpretation des "Falles" zur Verfügung stellte.

20. Protokoll der SHA-Sitzung vom 22.5.50 faßt neue Erkenntnisse zusammen.

21. Herr G. am 16.II.1951 an das Landesverwaltungsgericht.

22. Hans Georg Lehmann, Michael Hepp (Hrg.), Die Ausbürgerung deutscher Szaatsangehöriger 1933-45 nach den im Reichanzeiger veröffentlichten Listen. 3 Bde. London, Paris 1985/1988.

23. Vgl. Carlos Collado Seidel, Zufluchtstätte für Nationalsozialisten? Spanien, die Alliierten und die Behandlung deutscher Agenten 1944-1947, in: VjZG, 43. Jg., 1995, 1. Heft, S. 131 - 157.

24. Angaben zu Neuengamme als Internierungslager, Ng 9.3.1.34, sowie Text der Dauerausstellung (24.1. Civil Internment Camp No. 6), weiter: Zusammenstellung "Internierungslager Neuengamme. Kenntnisstand September 1992". Möglicherweise könnte im Record-Office noch einiges zu finden sein, doch dies ist bisher nur vereinzelt ausgewertet worden.

25. Die Kaderbeurteilung in BArch, SAPMO, Ry 1 / I 2 /3 / 85, (BL. 107).

26. Eidesst. Erklärung des A. Sch. vom 2.9.49. Das es sich hier um bloße gegenseitige Gefälligkeiten gehandelt hat kann ausgeschlossen werden, da beide wiederum als Angehörige einer Komintern-kritischen Organisierung im französischen Internierungslager durch die KPD bezichtigt werden.

27. Man erinnere sich an die Tätigkeit als Postfahrer...

28. Belegt ist, daß er später noch von einer schwedischen Reederei eine Heuer eintreibt, die noch unausgezahlt war.

29. Herr G. jr. und seine Mutter willigten gar ein, die Akten bei der LVA einzusehen, doch weiterreichende Aktenbestände dieser Jahre - also über die Verzeichnung hinausreichende Angaben - waren dort bereits nicht mehr archiviert.

VIII. Literaturhinweise

[Eckhard Colmorgen], "Wiedergutmachung vor Gericht in Schleswig-Holstein" - Gutachten- und Aktenerschließungsprojekt. IZRG-Heft Nr. 4, mit einem Vorwort von Uwe Danker, Schleswig 1997.

Constantin Goschler / Ludolf Herbst (Hrsg.), Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland, München 1989.

Christian Pross, Wiedergutmachung. Der Kleinkrieg gegen die Opfer, Frankfurt a.M. 1988.

Hellmuth Hecker (Hrsg.), Praktische Fragen des Staatsangehörigkeits-, Entschädigungs- und Völkerrechts. Gesammelte Gutachten, Hamburg 1960.

Hans Georg Lehmann, Wiedereinbürgerung, Rehabilitation und Wiedergutmachung nach 1945 - Zur Staatsangehörigkeit ausgebürgerter Emigranten und Remigranten, in: Exil und Remigration. Jahrbuch Exilforschung, Bd. 9, München 1991, S. 90 - 102.

ders., In Acht und Bann. Politische Emigration, NS-Ausbürgerung und Wiedergutmachung am Beispiel von Willy Brandt, München 1976.

In Vorbereitung die Dissertation von Heiko Scharffenberg, Wiedergutmachung in der Provinz. Der Prozeß der Wiedergutmachung NS-Unrechts am Fallbeispiel Flensburg (Arbeitstitel).

Im Original enthält der Beitrag acht Abbildungen


Der Autor: Thomas Pusch, Jahrgang 1963, studierte in Göttingen Mittlere und Neuere Geschichte, Politikwissenschaften und Publizistik. 1992 Magisterexamen. Tätigkeiten bei der Geschichtswerkstatt Göttingen und am Institut für Zeit- und Regionalgeschichte, Schleswig. Zur Zeit Promotion zum Thema "Schleswig-Holsteiner Emigranten und das skandinavische Exil".


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 33/34

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