1. Gräberstätte für Kriegsgefangene und KZ-Opfer im Ortsteil Moorkaten
2. Gräberstätte für Opfer des Nationalsozialismus auf dem allgemeinen Friedhof
3. Gedenkstätte KZ Kaltenkirchen (neu)
Kaltenkirchen, eine Kleinstadt im nördlichen Hamburger Umland, war während des Zweiten Weltkriegs ein Kirchdorf mit knapp 2.000 Einwohnern. Im Zusammenhang mit der Anlage eines Militärflugplatzes ab 1938 wurde das Dorf militärischer Standort: Abteilungen des Reichsarbeitsdienstes, Luftwaffen-Baukompanien, Gemeinschaftslager für deutsche und ausländische Arbeiter, Sanitätsausbildungsabteilung der Luftwaffe, Kraftfahrausbildungsabteilung der Kriegsmarine, fliegendes und Bodenpersonal der Luftwaffe waren hier stationiert bzw. eingerichtet.
Im September 1941 errichtete die Wehrmacht im Ortsteil Heidkaten ein Lager zur Aufnahme einer großen Anzahl kranker und halbverhungerter sowjetischer Kriegsgefangener. Fast alle starben binnen kurzer Zeit und wurden in einem großen Massengrab in Moorkaten beigesetzt.
Danach schickte die Wehrmacht kranke und nicht mehr arbeitsfähige sowjetische Kriegsgefangene aus Arbeitslagern in Schleswig-Holstein nach Heidkaten, deren größter Teil – wahr-
scheinlich in vierstelliger Zahl – starb und auf dem Gelände des Flugplatzes (jetzt Bundeswehr-Übungsplatz) verscharrt wurde. Die Absicht der "Friedensgruppe Kaltenkirchen", den letzten auf dem Lagergelände noch vorhandenen Gebäuderest als Denkmal zu sichern, wurde – federführend von Staatssekretär P. K. Würzbach – 1984 vom Bundesverteidigungsministerium zurückgewiesen, das Objekt durch schweres Gerät der Bundeswehr zerstört.
An der Grenze zur Gemeinde Alveslohe errichtete die Wehrmacht ein Straflager für sowjetische Kriegsgefangene und auffällig gewordene Hilfswillige (Hiwis). Spuren des Lagers sind nicht mehr vorhanden.
Im Spätsommer 1944 entschloß sich die Luftwaffe, die Start- und Landebahnen des Flugplatzes mit Rücksicht auf die düsengetriebenen Jagdmaschinen zu verlängern. Mangels anderer Arbeitskräfte richtete die Wehrmacht/Luftwaffe am Rande des Flugplatzes das KZ-Außenkommando Kaltenkirchen ein. Das Hauptlager Neuengamme stellte die Häftlinge, deren Zahl zwischen 500 und fast 1.000 schwankte, sowie die Lagerführung. Die Wachmannschaft rekrutierte sich aus ca. 85 älteren Luftwaffensoldaten. Von den vielen Toten sind 184 namentlich bekannt. Sie wurden auf der Begräbnisstätte Moorkaten bestattet, die übrigen spurlos verscharrt. Nach der Zerstörung des Flugplatzes durch amerikanische Bomber im April 1945 wurde das Lager nach Wöbbelin evakuiert.
Nach der Wiederaufdeckung dieses völlig vergessenen Teils der Kaltenkirchener Geschichte ab 1975 wurden die vernachlässigten Gräber im Wald von Moorkaten 1977/78 zu einer angemessenen Gräber- und Gedenkstätte umgestaltet, die seitdem von vielen Menschen besucht wird.
1991 entschloß sich auf Drängen der "Friedensgruppe Kaltenkirchen" die evangelische Kirchengemeinde, dann auch die Stadt Kaltenkirchen, eine Ansammlung von Gräbern auf dem allgemeinen Friedhof umzugestalten und durch Inschriften aussagekräftiger zu machen. Hier ruhen zwölf sowjetische Kriegsgefangene unbekannter Herkunft, zehn Anfang Mai 1945 erschossene serbische Kriegsgefangene aus Nützen/ Kampen, sieben Häftlinge des KZ-Außenkommandos Kaltenkirchen und drei am Ort ermordete Häftlinge des KZ Fuhlsbüttel (Kolafu).
Im Laufe des Jahres 1998 gelang es der "Arbeitsgruppe KZ Kaltenkirchen", bestehend aus Frauen und Männern aus Kaltenkirchen, umliegenden Ortschaften und Hamburg, die Fundamente einer Baracke freizulegen, die den Häftlingen als Waschraum, Latrine und Leichenablage gedient hatte. Diese Überreste wurden konserviert und mit dem umliegenden Gelände (ca. 1.200 qm) zu einer Gedenkstätte gestaltet. Ermöglicht wurde dieses Werk durch erhebliche Spenden (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein DM 13.000, Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma DM 5.000, Deutsche Bank AG DM 5.000, Verein "Gegen Vergessen – Für Demokratie", Bonn DM 1.500, Firma Grundfos Pumpen GmbH, Wahlstedt DM 1.000, Bürgermeister A. Wilken, Högersdorf, "Deutsches Holocaust-Museum", Hannover DM 800, Förderschule Barmstedt DM 80).
18 Schulen aus Kaltenkirchen, Henstedt-Ulzburg, Quickborn, Barmstedt
und Bad Bramstedt haben sich bereiterklärt, im Wege von Patenschaften die Pflege der Gedenkstätte zu übernehmen. Im Jahr 1999 werden in enger Zusammenarbeit mit den Schulen die Grenzen des Lagers und die Lage der übrigen Baracken dauerhaft markiert und durch schmale Wege miteinander verbunden. So wird die gesamte Lagerfläche begehbar. Für alle diese Maßnahmen hat die Flughafengesellschaft als Grundeigentümerin dankenswerterweise die Genehmigung erteilt.
Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (Kiel) Heft 35 (April 1999) S. 65-67.
Der Autor: Gerhard Hoch, geboren 1923 in Alveslohe. Absolvent einer nationalsozialistischen Lehrerbildungsanstalt (1942). Kriegsgefangenschaft bis 1948. Abgeschlossenes Studium der katholischen Theologie (1956). Berufliche Tätigkeit als Bibliothekar in Hamburg (bis 1984). Zahlreiche Veröffentlichungen zur NS-Geschichte des südöstlichen Schleswig-Holstein sowie zum Themenkomplex Kriegsgefangene, Fremd- und Zwangsarbeiter.
Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 35