Dietrich Stein:
Bad Oldesloe und Gustav Frenssen

Anfang 1999 kam es in Bad Oldesloe zu einer öffentlichen Auseinandersetzung um die Gustav-Frenssen-Straße. Bürgerworthalterin Ilse Siebel unternahm einen Vorstoß zur Änderung des Namens, da ein Autor, der in der NS-Zeit eindeutig politische Propaganda gemacht habe, heute nicht mehr auf diese Weise geehrt werden dürfe. Zur Information der ggf. betroffenen Anlieger fand am 11. März ein Informationsabend mit Kay Dohnke und Dietrich Stein – Herausgeber eines wissenschaftlichen Studienbandes zum umstrittenen Schriftsteller – statt; das Bemühen um Aufklärung wurde mit erregten Ausrufen und Unmutsbekundungen quittiert. Spontan bildete sich nach der Veranstaltung eine Bürgerinitiative "Gustav-Frenssen-Straße", die eine Beibehaltung des Namens forderte.

Wir sind seinerzeit nach Bad Oldesloe gekommen, um das Sachgespräch zu fördern, die sehr unterschiedlichen Seiten im Werk und in der Persönlichkeit des Autors zu benennen. Denn Frenssen ist ein Stück Literatur- und Zeitgeschichte nicht allein Schleswig-Holsteins, wo er gern noch als harmloser und politikferner Heimatdichter behandelt wird. Die Gustav-Frenssen-Straße war für mich kein Thema – das ist Sache Bad Oldesloes. Trotzdem sind Kay Dohnke und ich sofort von Gegnern der Straßenumbenennung mit Vorurteilen überhäuft und ins rechte Feindbild eingepaßt worden. Eine solche Mißachtung des fairen Gesprächs und der sachlichen Auseinandersetzung ist schwer zu verstehen.

Gegen den von Kay Dohnke und mir 1997 herausgegebenen Studienband Gustav Frenssen in seiner Zeit. Von der Massenliteratur in der Kaiserzeit zur Massenideologie im Nationalsozialismus (Heide 1997; vgl. ISHZ Heft 32/


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1997, S. 94ff.) ist vor allem seitens der Bürgerinitiative "Gustav-Frenssen-Straße in Bad Oldesloe" in unglaublicher Weise gehetzt worden. Das ist für die Autoren und die Autorin dieses Bandes ehrverletzend und rufschädigend; es geht nicht an, dass Fachleute für ihre sachliche und wissenschaftliche Arbeit so niveaulos beschimpft und unseriös angegangen werden.

Durch die besagte Bürgerinitiative wurde die Auseinandersetzung um Frenssen von vornherein auf diesen Ausschnitt der Ideologieverfallenheit des Schriftstellers enggeführt und versucht, mit falschen Behauptungen ihn zu einem harmlosen Heimatdichter zu machen: So wurde in der Bürgerfragestunde am 5. Juli behauptet, dass Gustav Frenssen "bekanntermaßen Gegner der 'Nazis' war und niemals ihr Wegbereiter".

Erschreckend war und ist zu sehen, welche Lügen und Unwahrheiten – hauptsächlich von besagter Bürgerinitiative – auch über Gustav Frenssen verbreitet worden sind. Damit wird Frenssen als Mensch und Schriftsteller nicht mehr ernst genommen und zu einem Popanz gemacht. Ein paar grundlegende Feststellungen sind um Frenssens willen unumgänglich:

1. Frenssen war engagierter Anhänger nationalsozialistischer Ideologien. In seinem 1940 erschienenen Lebensbericht (z.B. S. 315f.) geht es ihm darum, sich mit seinen Anschauungen ganz in den Nationalsozialismus hineinzustellen. Er gehörte dessen radikaler Richtung an, die die bürgerliche Gesellschaft ablehnte.

2. Frenssen vertrat die nationalsozialistische Euthanasie. Noch in der Lebenskunde (erschienen 1942) fordert er Euthanasie für Behinderte, Arbeitsunwillige, Herumstreicher, Volksfeinde, Kriminelle und andere, die er als krank einstuft (S. 50-55). Wer solche Ansichten Frenssens einfach beiseite wischt, muss sich fragen, wie er den Opfern der T4-Euthanasie-Aktion gegenüberstehen will. Zwischen Januar 1940 und August 1941 wurden allein im Sanatorium Sonnenstein in Pirna 13.720 Menschen vergast, ehe Adolf Hitler aufgrund der mutigen Predigten des Bischofs von Münster, Graf Galen, diese Mordaktion einstellte, weil er den Unmut der Bevölkerung fürchtete. Frenssen verbreitete seine radikalen nationalsozialistischen Anschauungen ebenfalls im dritten Band seiner Grübeleien, der unter dem Titel Vorland 1937 erschien (S. 49-70). Weiteres findet sich in anderen Schriften und Zeitungsbeiträgen.

Frenssen kann in seiner Person und in seinem Werk nicht auf seine nationalsozialistischen Anschauungen eingeschränkt werden. Es geht da um viele andere, sehr interessante Aspekte. Offenbar aber bringt die Auseinandersetzung mit ihm immer noch die gleichen Probleme mit sich wie die Auseinandersetzung mit der Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und der NS-Diktatur.

Mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom Sommer 1999 wurde die Frenssen-Straße in Ernst-Barlach-Straße umbenannt. Trotzdem: Ich hoffe darauf, dass in Bad Oldesloe doch noch einmal Gelegenheit zum Gespräch sein wird, ohne dass es von Geschichtsklitterung und durch Zudecken unangenehmer Tatsachen erstickt wird. Bei der Frage einer Straßenumbenennung geht es letztlich darum, ob es sinnvoll ist, einen Namensgeber auf diese Weise zu


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ehren und als gesellschaftliches Vorbild hinzustellen. Diskussionen darüber – und es sind unvermeidlich politische Diskussionen – müssen jeweils vor Ort geführt werden, aber immer mit der nötigen Fairness und Verantwortung.

Frenssens Bedeutung hängt nicht an einem Straßennamen. Ob die, die sich so lautstark als Frenssens Verteidiger ausgaben, doch bereit sind, sich einmal ernsthaft mit ihm zu beschäftigen? Ich würde mich freuen, dann mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Vielleicht gibt es dann doch den Dialog.


Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 36 (1999) S. 102-104.


Der Verfasser: Dietrich Stein (Jahrgang 1948) ist Pastor in den Dithmarscher Gemeinden Barlt und Windbergen. Seit den achtziger Jahren befasst er sich kritisch mit Gustav Frenssens Leben und Werk; er ist Mitherausgeber eines Studienbandes über den Schriftsteller (Heide 1997).


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