"Rückblenden" und "Erinnerungsmuster"

Lebensgeschichtliche Interviews mit ZeitzeugInnen haben mittlerweile ihren festen Platz in der zeithistorischen Forschung eingenommen und sind insbesondere aus der NS-Forschung nicht mehr wegzudenken. Auch in Schleswig-Holstein – so in den Projekten zur Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und zur Zwangsarbeit in Lübeck – sind auf diese Weise zahlreiche Zeugnisse entstanden, welche auf die Bedeutung dieser Quellengattung hinweisen. [1]

In diesem Kontext werden daher an dieser Stelle zwei Bücher rezensiert. Die im Band Rückblenden aufgegriffenen lebensgeschichtlichen Interviews weisen zudem erhebliche Überschneidungen mit schleswig-holsteinischen Bereichen auf, nicht nur in der Behandlung des bis 1937 zur Provinz gehörenden Stadtteils Altona. Von besonderem, gar herausragendem methodischen Wert hinsichtlich der Führung und Auswertung von lebensgeschichtlichen Interviews ist die nun unter dem Titel Erinnerungsmuster erschiene Dissertation von Ulrike Jureit.

Der Rezension der oben genannten Bände müßte im Grunde ein weiterer, jüngst erschienener Band hinzugesellt werden. Beate Meyers Monografie "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung (Hamburg, Dölling & Galitz 1999) ist aber aus – für Außenstehende so nicht nachzuvollziehenden Gründen – nicht in der Reihe Forum Zeitgeschichte der Hamburger Forschungsstelle erschienen, obwohl Meyer langjährige Mitarbeiterin und Motor der Werkstatt der Erinnerungen (WdE) gewesen ist und ihre Interviews in diesem Kontext geführt wurden.

"Rückblenden"

Zur Erinnerung: Das Projekt "Hamburger Lebensläufe – Werkstatt der Erinnerungen" (im Folgenden WdE) wurde vom damaligen Leiter der Hamburger Forschungsstelle, dem verstorbenen Detlef Peukert, an der Schnittstelle von Geschichtswerkstätten und institutionalisierter Wissenschaft angesiedelt. Insgesamt sind in der WdE zu 466 Personen Materialien archiviert, darunter insg. über 390 Interviews, hingegen nicht ausschließlich von im NS verfolgten HamburgerInnen, sondern auch aus Entstehungskontexten, die sich dem


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Nachkriegsleben zuwendeten. Zeitlich überschneidend, wurde in den Folgejahren auch in der Gedenkstätte Neuengamme damit begonnen, lebensgeschichtliche Interviews zu führen und auszuwerten.

Beide Entstehungszusammenhänge sind durch teils identische InterviewerInnen auf das Engste verwoben, doch durch die Kriterien der Befragungsgruppe (WdE = Verfolgungsort Hamburg, Gedenkstätte Neuengamme = zeitweiliger Häftling im KZ Neuengamme und seinen Außenlagern) und die institutionellen Anbindung hingegen getrennt.

Die WdE ist durch die personelle Entwicklung – so dem Ausscheiden von Beate Meyer – auch in der Leitung der Forschungsstelle (über Ulrich Herbert zu Arnold Sywottek) und durch die zeitweise unabsehbare Weiterförderung des Projektes geprägt, wenn nicht geschwächt worden. Dies zeigt sich auch darin, daß der heutige Leiter der WdE, Uwe Kaminsky, dem Projekt mehr oder weniger nur vorsteht und er die WdE quasi nebenbei betreut; seine eigene Forschungsarbeit ist auf einem völlig anderen Feld angesiedelt. In der Projektbeschreibung ist hiervon nur sehr wenig und sehr verhalten – um nicht zu sagen: schönfärberisch – die Rede (Baumbach, S. 405-412).

Ebenfalls problematisch erscheint die Tatsache, daß sich alle AutorInnen in unterschiedlicher Weise selbst zu ihren Implikationen äußern, kein zusammenhängendes Auswertungskonzept zu den Interviews zu erkennen ist und auch die methodischen Hinweise das oft unverbundene Nebeneinander der Ansätze nicht aufwiegen können (hier insg. Baumbach/Kaminsky/Meyer, S. 405-428).

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Wie wird z.B. Erfahrung gedeutet? Indem "die aus dem erinnernden Abstand gemachten Aussagen der Verfolgten selbst" in den Mittelpunkt gestellt werden, so Joist Grolle (niemand verrät, warum Grolle die Einleitung zum Band verfaßt!). Kann das reichen? Erst im Anhang zur Methode der Oral History (Kaminsky, S. 413-418) folgt der Schlüsselsatz zum Verständnis von Oral History, hier also lebensgeschichtlichen Interviews, und Erfahrungsgeschichte: "Oral History beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Verarbeitung von [selbst erlebter, TP] Geschichte, der Veränderbarkeit der Selbstdeutungen der Menschen. Das Berichtete liegt zum Zeitpunkt eines Interviews bereits länger zurück und ist durch verschiedene Filter geformt worden" (S. 413). Filter, die stets aus der Rückkoppelung des Individuums mit seiner aktuell ihn betreffenden Umgebung resultieren. Darüber hinaus kann nicht verborgen bleiben, daß Kaminsky selbst den methodischen Wert lebensgeschichtlicher Interviews recht niedrig ansiedelt.

Rückblenden berichtet von/über lebensgeschichtliche Interviews, und von Seite 13 bis 404 werden Biografien vorgestellt und analysiert – allerdings in methodisch erheblich abweichender Art und Weise. Dieser Darstellungsteil ist ohne Frage lesenswert und berichtet den historisch Interessierten über viele Lebenswege im Zusammenhang mit der NS-Verfolgung. Die Beiträge lesen sich flott herunter, sind durchweg spannend (ausgewählt), und es wird äußerst facettenreich dargestellt, wie die Haltungen und Mentalitäten der Verfolgten sich entwickelt haben. Ganz pauschal wird also in der Verhaltensentwicklung, der


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Veränderung von Haltung und Verhalten, die Erfahrung der Verfolgung erblickt.

Auf diesem reflektorischen Niveau kann dem Buch eine uneingeschränkte Leseempfehlung ausgesprochen werden. Leider erst im Anhang stellt Sybille Baumbach das Projekt vor (die Ausführungen zu Beginn dieser Rezension fußen auch auf diesem Teil), greift Uwe Kaminsky die Methode der Oral History auf, und Beate Meyer stellt konkrete Interviewsituationen dar (unbedingt lesenswert!).

Zu den einzelnen Beiträgen:

Sybille Baumbach, dauerhafteste wissenschaftliche Mitarbeiterin der WdE, liefert mit Die Verfolgung Hamburger Juden aus lebensgeschichtlicher Perspektive (S. 13-129) eine Vorausschau auf ihre in der Entstehung befindliche Dissertation, ein Aspekt, der dem Aufsatz – leider – stets anzumerken ist. Sehr vorsichtig in der Interpretation, meist bei einer Paraphrasierung stehen bleibend, mit unnötigen Doppelungen von gleichen Aussagen in Grafik und Tabelle.

Baumbach geht wie die anderen AutorInnen davon aus, daß Geschichte/ Lebensgeschichte in lebensgeschichtlichen Interviews stets konstruiert wird. Ihre daraus resultierende Frage lautet: "Gibt es einen Zusammenhang zwischen den individuellen Sozialisationsbedingungen vor der Verfolgung und dem Erleben der Verfolgung sowie der Verarbeitung der Verfolgung?" (S. 24). Sie kann diese These mit ihren Personenfällen verifizieren. Ihr daraus abgeleitetes Resümee auf wenigen Seiten ist dann aber doch noch sehr unspezifisch und zumindest an einem Punkt auch unschlüssig.

Methodisch möchte sie – in diesem Aufsatz so noch nicht überzeugend – die Frage nach der damals existenten Identität in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken und davon ausgehend die Erfahrungsverarbeitung aufzeigen. Die von ihr ausgewählten Beispielpersonen drücken zunächst aber nur die Bandbreite der Selbstverortung der später Verfolgten aus, die aufgezeigten Mechanismen der Verarbeitung erscheinen zunächst etwas eindimensional, insbesondere dann, wenn man zunächst den thematischen Beitrag von Beate Meyer gelesen hat.

Grenzgänger zwischen " Normalität" und Verfolgung – Die Situation " jüdischer Mischlinge" in der NS-Zeit von Beate Meyer (S. 130-205) ist eine Kurzfassung ihrer jüngst vorgelegten Monografie "Jüdische Mischlinge" (s.o.). Hieraus stellt sie einen Bereich vor: "im folgenden [soll] am Beispiel ausgewählter Passagen aus Zeitzeugenerzählungen die Situation der 'Mischlinge' im Spannungsfeld der eigenen und der elterlichen Verfolgung dargestellt und analysiert werden. Dabei geraten nicht nur staatliche Maßnahmen und ihre konkreten Umsetzungen ins Blickfeld, sondern auch die Reaktionen der umgebenden Gesellschaft" (S. 136f.). Gerade letzteres macht Meyers Beitrag so aufschlußreich, es zeigt Verhaltensspielräume (aber auch die Sanktionen) in der Gesellschaft des Nationalsozialismus auf.

Ein Beispiel mag verdeutlichen, was hier gemeint ist, wenn Meyer in ihrer analytischen Durchdringung weitergeht als z.B. Baumbach in ihrem Beitrag. Der Zeitzeuge Wolfgang Behrend (pseudonymisiert, sogenannter "Halbjude") berichtete, daß die Mitschüler in


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seiner Klasse über ihn gekichert hätten, als sich ein Lehrer ellenlang über die "Minderwertigkeit" von "Mischlingen" ausgelassen hatte. Meyer sieht hier nicht automatisch einen Antisemitismus bei den Mitschülern, sondern die näherliegende kindliche Schadenfreude (denn die Schüler haben dann noch über Jahre weiterhin zusammen gespielt). Sie zeigt an diesem Beispiel auf, daß die Ausgrenzungserfahrung des Kindes Wolfgang Behrend nicht durch solche kindlichen Neckereien geprägt war, sondern dadurch, daß ihn die wohlmeinenden und behütenden Eltern von jeder Information über ihre Lage und Bedrohung als Verfolgte ausschlossen.

Anhand des Lebensschicksals von "Halbjuden" kann Meyer zum einen Handlungsspielräume im NS-Deutschland nachzeichnen, die "Selbstbehauptung" innerhalb Opfergruppe feststellen (die sich von einem alleinigen Opfer-Dasein ablöst) und psychoanalytische Interpretationsverfahren um- und einsetzen, die Verhalten und Selbstdeutungen der Betroffenen erstaunlich weitgehend erfassen. Ihr Beitrag ist der mit Abstand lesenswerteste des Buches, sieht man einmal von ihrem Anhangartikel über die Interviewsituationen des Projektes ab (Interviewerfahrungen mit ehemals Verfolgten, S. 419-428). Hier berichtet sie über die wahrhaft skurrilen, absurden, denkwürdigsten, liebenswürdigsten und paradoxesten Begebenheiten, welche die InterviewerInnen erlebt haben.

Uwe Kaminskys Beitrag über die "Vergessenen Opfer" – Zwangssterilisierte, " Asoziale", Deserteure, Fremdarbeiter (S. 318-357) faßt unterschiedlichste Verfolgtengruppen zusammen und hat kaum einen anderen Nenner aufzuweisen, als daß die Personen nicht thematisch anders subsumiert werden konnten. Sie sind zudem im besonderen Maße ebenfalls Opfer der Entschädigungspraxis in der Bundesrepublik geworden. Zwischen den in der Bundesrepublik verbliebenen vormaligen FremdarbeiterInnen und den sich heute offensiv darstellenden "Deserteuren" mag sonst kaum ein Zusammenhang aufzuzeigen sein.

In zweierlei Hinsicht ist aber der Beitrag erhellend. Zum einen arbeitet er heraus, wie sehr die "Ausgrenzungslogik" der biologistischen Weltanschauung losgelöst ist von einer politischen Logik, zum anderen, wie wenig die Logik dieser Ausgrenzung ein Band zwischen den Opfergruppen sein kann. Erwähnenswert auch, daß diese Opfergruppen sich am wenigsten zum Interview anboten.

Möglicherweise am schwersten zu bestimmen, zu greifen und zu abstrahieren ist der von Alfons Kenkmann verfaßte Beitrag Zwischen Tolerierung und Verfolgung – Informelle Zirkel im Hamburger Bürgertum während der NS-Zeit (S. 358-404). Die "bürgerlichen" informellen Gruppen unterschieden sich von anderen Verfolgten durch das Sicherungsseil der eigenen sozialen Herkunft, des bürgerlichen Selbstbewußtseins und bestehender Kontakte zu den Vertretern der staatlichen Macht. Kenkmann behandelt hier eine kulturell sich auseinandersetzende, teilweise kritische Distanz zum Zeitgeschehen bewahrende Gruppe des "Musenkabinetts". Diese hat sich selbst keineswegs als Oppositions- oder Widerstandsgruppe verstanden, wenngleich Querverbindungen zum Gestapo-Konstrukt der "Weißen Rose" in Hamburg bestanden. Das "Musenkabinett" zeichnete sich


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interessanterweise dadurch aus, daß seine TeilnehmerInnen aus dem (Groß-) Bürgertum überwiegend zugezogene HamburgerInnen waren, die sich – so die Zeitzeugenformulierung – dem kulturellen Totalitätsanspruch des Regimes entzogen.

Der Gruppe ging es um eine politik-unabhängigere Rezeption humanistischer Bildung jenseits von Volkstümlichkeit und Volksgemeinschaft. Als zahlreiche der jüngeren Männer eingezogen wurden, kam es gar zur Abfassung und Versendung eines Nachrichtenbriefes. Verfolgungsmerkmale sind hier gering, resultieren zudem aus anderen Verfolgungskriterien als der Gruppenzugehörigkeit, und man darf sich fragen, warum dieser Interviewtenkreis mit einem eigenen Artikel bedacht werden sollte. Ist hier eine Reminiszenz an das Hamburger Bürgertum zu sehen? Am Beitrag fällt leider auch eine unnötige, belehrend anmutende Einflechtung zahlloser ereignisgeschichtlicher Begebenheiten auf.

Etwas ausführlicher soll der Blick auf Verfolgung im Arbeitermilieu Hamburgs aus erfahrungsgeschichtlicher Sicht – Sozialdemokraten und Kommunisten zwischen Widerstand und Anpassung (S. 206-317) von Uwe Kaminsky gerichtet werden, weil hier der Bezug zum Dissertationsprojekt des Rezensenten am größten ist und Zeitzeugen wie Quellen auch in der eigenen Arbeit Berücksichtigung finden. Zwar verweist der Autor darauf, daß die Interpretationen sich an Niethammers methodischen Überlegungen zur Oral History orientieren. "Die ausführlichen Zitate aus den lebensgeschichtlichen Interviews besitzen einen Eigensinn, der sich eindeutigen Sinnzuschreibungen entzieht und nicht in den verallgemeinernden, vertiefenden Deutungsvorschlägen aufgeht." Es ginge um die "'symptomatische Lektüre' der Lebensgeschichten mit Blick auf den gesellschaftlichen Erfahrungshorizont, um die Annäherung an Lebenswelt und Erfahrung" (S. 208). Diese methodischen Eingrenzungen durchdringen den Text aber weitaus weniger als der wiederholt hergestellte Bezug zu milieu-orientierten Konzepten nach R. Lepsius. [2] Leitender ist hier schon u.a. die Fragestellung, wie das soziale Umfeld auf die Verfolgung reagierte und wie die Verfolgten selbst. Erklärungen hierzu kann Kaminsky überzeugend herausarbeiten.

So S. 214: "Die erfahrungsgeschichtliche Sicht betont dagegen die weniger harte Grenze zwischen milieugebundenen Ausdrucksformen der Opposition und bewußtem politischen Widerstand sowie die Zufälligkeit der Betroffenheit durch den Zugriff der Verfolgungsorgane. Sie ermöglicht darüber hinaus auch eine größere Annäherung an die mit den Begriffen wirtschaftliche und soziale Besserung, Orientierung am Leistungsprinzip und Einbindung in die rassistisch bestimmte 'Volksgemeinschaft' beschreibbare 'Dissoziierung des Bewußtsein' (T. Mason), die verfolgte Arbeiter nicht aussparte." Damit bewegt er sich auf den Kern des Mitmachens der einstigen Opposition im NS-Deutschland und insbesondere an Krieg und Vernichtung zu.

Die Umschreibung der sozialen Parameter der Untersuchungsgruppe streicht heraus, daß eine Mehrheit der Personen in der Kindheit und Jugend nie etwas anderes kennengelernt hat als Krise und gewalthafte "Lösungen" politischer Konflikte, eine "Konsolidierung der eigenen


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Existenz" (S. 212) eine Illusion blieb bzw. sich ab 1929 wieder zerstörte. Dem stehe häufig aber eine überparteiliche, sozial verstandene politische Orientierung in Gruppen und Zusammenhängen, insb. bei Jugendlichen und Heranwachsenden gegenüber. Dies kann der Rezensent für das Sample der eigenen Untersuchung nachdrücklich unterstützen: Politische Organisierungen beinhalteten weit mehr als eine politische Stellungnahme, sondern auch eine Organisierung des Alltags, von Jobs, Ferien, Freundschaften, Beziehungen, die weit über die Orientierungsangebote von Familie und Schule hinausgingen.

Kaminsky spricht auch von einer "mehrgenerationellen Großfamilie" (S. 213), die diese Gruppe darüber hinaus einband. Diese "Verdichtung von Milieukontexten im sozialen Nahbereich" (S. 246), insb. noch am Beispiel einer ISK-Verfolgtengeschichte nachgezeichnet, liefert auch Bedingungen, die anhaltenden Widerstand gegen den NS ermöglichten und eine vergleichsweise hohe Resistenz gegenüber der Vereinnahmung durch die " Volksgemeinschaft". Die hier für den ISK beschriebene Politisierung des Privaten mag auch für SAJ und einzelne KJVD-Gruppen bestanden haben (dies kann bei der Untersuchung des Rezensenten klar festgestellt werden), und andere können dies für die sehr erfolgreiche Arbeit der ITF auf Seeschiffen nachzeichnen. [3]

Aber Kaminsky umgibt hier den ISK wieder mit dem Mythos des Sektiererischen, den er aus der uralten Sekundärliteratur zu übernehmen scheint – schaut man genauer hin, wird man feststellen können, daß sich heute jede als subkulturell begreifende politische Gruppe ähnlich verfaßt und auf ihre Mitglieder einen Anpassungsdruck ausübt (dazu muß man diese Zusammenhänge wohl selbst kennengelernt haben: Antifas, Veganer, Antiimps etc. – alles in unmittelbarer räumlicher Umgebung der Hamburger Forschungsstelle, Schulterblatt 36, vorzufinden).

Hinsichtlich der Behandlung von Emigrationsschicksalen greift Kaminsky den auch in Beiträgen des Rezensenten erwähnten Karl Kloster, ein "Altonaer" Original, heraus, welcher bereits 1994 von Alfons Kenkmann interviewt worden ist. Möglicherweise ist durch diese Trennung von Interviewendem und Auswertendem auch zu erklären, warum sich im Text selbst kein Hinweis darauf finden läßt, daß es sich bei der hier als Klaas Kreutzer getarnten Person um Kloster handelt. Wo können die LeserInnen den Hinweis finden, daß hier ein Pseudonym verwendet wurde? In den Einleitungs- und Anhangartikeln wird auf eine teilweise Pseudonymisierung der Interviewten hingewiesen. Dies darf aber kein Grund sein, in den selbständigen Aufsätzen auf die Kennzeichnung der Namen als verfremdet oder real zu verzichten. Darüber hinaus läßt sich aber auch für Kaminsky vorzüglich die soziale Dimension des politischen Exils (insb. in Skandinavien, Spanischer Bürgerkrieg, zwangsweise Rückkehr nach Deutschland 1941 etc.) mit diesem Interviewpartner nachzeichnen.

Die Verwendung des "sozialmoralischen Milieus" als wesentliche Interpretationshilfe führt dann leider auch dazu, daß Kaminsky Interviewpassagen vor allem zur Illustration von Lebenslagen verwendet. Zum Mit-Interpretieren wird


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man hier nicht gerade eingeladen, eher bekommt man fertige Kost vorgesetzt, die – im Falle einer Biografie aus dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) – so als bloße Draufsicht und nicht als Analyse erscheint.

Kaminsky resümiert seinen Beitrag unter dem "Milieu"-Begriff, so durch die Fragestellung, welche Ereignisse und Geschehnisse sich in welcher Weise auf das Ausgangsmilieu auswirken. Wer wollte heute leugnen, daß die Verfolgung(-serfahrung) stärkste soziale Parameter hatte und nicht allein einem Primat des Politischen unterworfen war? Mir scheint Kaminskys Milieu-Adaption zur Interpretation von erfahrungsgeschichtlichen Interviews nicht mehr zu transportieren als den Gedanken einer sozial-kontextuellen Interpretation politischen Handelns – Milieu bleibt hier unspezifisch. Beate Meyers psychoanalytisch vorgenommene Deutung scheint sich hier weitaus tiefgreifender der "black box" Erfahrung zu nähern und sie zu entschlüsseln.

Die Milieu-Adaption bleibt bei Kaminsky häufig bei einer Draufsicht auf die Dinge stehen und interpretiert die Individuen doch schnell wieder als Spielbälle von Prozessen. So deutet der Verfasser bspw. die Loslösung Klaas Kreutzers/Karl Klosters von den Strukturen der KPD als bloße Orientierung an informellen sozialen Netzen und nicht als aktive eigenständige Suche nach politischen Wegen, so z.B. daß er einem Engagement in der parteipolitischen Sphäre abschwört und – typisch! – nach 1945 die Arbeitswelt als politische Sphäre in den Mittelpunkt stellt. Bei Kaminsky sieht es so aus, als würde Kreutzer/Kloster immer nur dahin taumeln, wo gerade die sozialen Bindungen winken (S. 257-265).

Dem Rezensenten fällt nicht nur auf, daß sich Karl Kloster ihm gegenüber gleichlautend – gar nahezu wortgleich! – über seine Emigrationserlebnisse und Eindrücke geäußert hat. Hier zeigt sich eine Verfestigung der Erinnerung, die besondere Qualität dadurch bekommt, daß Kloster bei seiner Vernehmung durch die Gestapo 1941 fast identische Angaben macht und eine bemerkenswert standfeste Haltung einnimmt. [4] Alles doch Indizien, die darauf hindeuten, daß Kloster hier eine bewußte Haltung eingenommen hat und nicht nur hin und her schwankt, wie es Kaminsky suggeriert.

Wenn die Hintanstellung des methodischen und kontextuellen Teils zur WdE ein Zugeständnis an ein breiteres Publikum wäre, muß doch angemerkt werden, daß man als interessierter Wissenschaftler vor der Lektüre der Auswertungsteile nicht ausreichend mit Hintergrundinformationen versorgt wird.

Und bitte: Warum ziert das Titelblatt einer Veröffentlichung, welche sich der Perspektive der individuellen Erfahrung der Opfer zuwendet, wieder ein Foto der Machtzentrale der Verfolger (Gestapo-Zentrale, hier ohne Bildnachweis im Innenteil!)? Und: Die enge Verflechtung von Schleswig-Holstein und Hamburg wird wohl offensichtlich nur von der Provinz wahrgenommen. Über die Stadtgrenzen hinausgehende Verweise auf Projekte, Ergebnisse und Veröffentlichungen kommen so gut wie nicht vor (!) – teils höchst ärgerlich, weil wiederum unendlich alte Kamellen aus Schleswig-Holstein erneut aufgegriffen werden (so Detlef Siegfried, Bruderkampf, oder die eher problematischen Stellen von Gerhard Paul, Staat-


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licher Terror, zur KPD und V-Leute-Problematik im KPD-Bezirk "Wasserkante"). Beiträge des Projekts von Paul/Goldberg/Koch, so z.B. Menora und Hakenkreuz, tauchen schlicht nirgends im Text und nicht einmal im Literaturverzeichnis auf, obwohl sie im Kontext der Analyse kaum übergangen werden dürften.

Also ein "pflichtmäßiger Rapport"? Der Rezensent bekam bei der Lektüre des Buches den Eindruck, daß mit diesem Sammelband ein Schlußstrich unter ein nicht allzu geliebtes Projekt gezogen werden oder aber hier der Öffentlichkeit die Legitimierung des Projektes bewiesen werden sollte. Der historisch interessierten Öffentlichkeit werden Aspekte der WdE als Ergebnisse vorgestellt, zweifelsohne sehr interessant und spannend zu lesen. Was fehlt, ist aber fast jeder zusammenfassende Vergleich (auch wenn dieses Vorgehen vom Rezensenten selbst nicht als Königsweg angesehen wird) und der gemeinsame (methodische) Bezug des Projektes und einer möglichen Auswertung. Schaut man auf die im Umfeld angesiedelten Auswertungsprojekte (Beate Meyers "Jüdische Mischlinge"; Ulrike Jureits Erinnerungsmuster; Sybille Baumbachs in Arbeit befindliche Dissertation), so mag man den Eindruck bekommen, die WdE ist ein Steinbruch an Arbeitsmaterial, und die Qualität der Auswertung hängt nicht von der Systematik des Gesamtprojektes ab, sondern von individuellen Auswertungsbemühungen.

Leider versäumen es die AutorInnen, ihre thematischen Einzelbeiträge einer gemeinsamen Perspektive in der Auswertung zu unterstellen – neben anderen, auf die Verfolgtengruppen speziell abzielenden Ansätzen. Das Gesamtprojekt scheint an dieser Stelle zu zerfasern und zu einem Steinbruch individueller Forschungstätigkeit zu werden (vgl. Baumbach, S. 405ff.).

Es bleibt für das Gesamtprojekt unbefriedigend, daß dieser großartige Schatz an lebensgeschichtlichen Interviews in keinem umfassenderen Interpretationsrahmen analysiert wird (vgl. dazu die anschließenden Beobachtungen zu Ulrike Jureit, Erinnerungsmuster).

Erinnerungsmuster

Ulrike Jureits nun veröffentlichte Dissertation von 1997 weist nur wenige Bezüge zu Schleswig-Holstein auf: Ein Lebenslauf berührt den Garnisonsstandort Kiel und das Lager in Husum-Schwesing sowie das Ende eines "Evakuierungstransportes" in Flensburg (S. 194ff., insb. S. 216ff.), andere Lebensläufe berühren Zwangsarbeit im Hamburger Umland bzw. für die Lübecker Drägerwerke.

An dieser Stelle soll der Blick auf die herausragenden methodischen Aspekte der Arbeit gerichtet werden. Ihre Darstellung besteht aus zwei Blöcken, einem methodischen ersten Teil (Zur Methodik wissenschaftlicher Analyse von lebensgeschichtlicher Erinnerung, S. 19-110) und einem anwendungsorientierten zweiten Teil (Lebensgeschichtliche Erinnerungsinterviews mit Überlebenden ..., S. 113-372).

An den Beginn ihrer Reflexionen stellt Ulrike Jureit die Überlegung: "Nicht die Erinnerungen stammen aus der Vergangenheit, sondern Vergangen-


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heit resultiert aus Erinnerungen." (Siegfried Schmidt). Wendet man diese einfache Einsicht auf die um sich greifende Oral-History-Forschung an, bleibt "[ü]berraschenderweise [...] festzustellen, daß es inzwischen zwar eine fast unübersehbare Flut von Projekten gibt, die mit mündlich erfragten Geschichtsquellen arbeiten, daß aber eine entsprechende theoretisch-methodologische Diskussion innerhalb der Geschichtswissenschaft eher allgemein geblieben ist." (S. 10) Vor allem in der Auswertungspraxis scheitern deshalb erstaunlich viele Projekte bzw. geraten in ernsthafte Krisen, und häufig bleibt die historische Analyse bei der Dokumentation geronnener Lebensgeschichte stehen (vgl. die Kritik an Rückblenden, s.o.).

Jureit weist im Zusammenhang mit der Entstehung der Oral History auf zwei Entstehungsbedingungen hin, die hier kurz aufgerufen werden sollten: Man wollte die Geschichte der kleinen Leute einfangen (dies erwies sich als besonders schwieriges Terrain), und man wollte durch die Abfrage mündlicher Erinnerungen Informationen sammeln zu Aspekten und Themen, zu denen es keine schriftlichen Quellen gibt oder gab. Im Kontext des Interviewprojektes der Gedenkstätte Neuengamme ging es zentral auch hierum. So wurden zwischen 1991 und 1994 im Auftrag der Gedenkstätte 120 Überlebende der Konzentrations- und Vernichtungslager interviewt.

Eine Auswertung solcher Interviews unter der Prämisse des Erkenntniszugewinns – Jureit greift hier treffend die Formulierung der "synoptischen Auswertung" auf (ein Beispiel einer solchen Auswertung wäre der Aufsatz "Verlorene Jugend ..." von Katja Freter-Bachnak in dieser Zeitschrift [6]) – bedarf einer anderen Methodik als z.B. der Versuch, die Selbstdeutungen der Subjekte herauszuarbeiten. Jureit deckt die genannten Bereiche ab. Sie prüft, welche "methodischen Herangehensweisen [...] für die Interpretation von lebensgeschichtlichen Erinnerungsinterviews als besonders relevant gelten" können und wie "effizient [...] sich ihre konkrete Anwendung" gestaltet. "Mit welchen Schwierigkeiten ist der Interpretierende konfrontiert, wenn er mit disziplinübergreifender Methodik arbeitet?" (S. 132). Sie wendet in der Deutung der lebensgeschichtlichen Interviews verschiedene Methoden an, so z.B. das Konzept des "narrativen Interviews" mittels einer Sequenzanalyse (Methodenteil, S. 60ff., in der Anwendung S. 300ff.).

Als methodische Ansätze reflektiert sie alltagsgeschichtliche Annäherungen, psychoanalytische Sichtweisen, soziologische Konzepte, kulturwissenschaftliche Aspekte und literaturwissenschaftlich-linguistische Methoden der Textanalyse. Allein dieser Reflexionsgang wird in Zukunft für kein Projekt, welches sich mit der Auswertung von lebensgeschichtlicher Erinnerung befaßt, unberücksichtigt bleiben dürfen.

Im zweiten Teil der Arbeit werden nun nicht die 50 von 120 Erinnerungsinterviews aufgegriffen, welche sie selbst geführt hat, sondern allein sechs (!). Statt den Versuch zu unternehmen, möglichst alle lebensgeschichtlichen Interviews zu analysieren, zu schematisieren und so Erinnerungsmuster zu filtrieren, stellt Jureit die Problematik eines solchen Unterfangens – im Band Rückblenden nur grob angerissen – ins Zentrum ihrer Untersuchung.

Mit einer systematisch-methodischen


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Annäherung an den geschaffenen Quellengegenstand – die Interviews – gelingt es ihr überzeugender, das Thema – Erinnerungsmuster Überlebender – einzufangen, als dies andere Untersuchungskontexte bislang vermochten. In ihrer Interpretationsweise liegt sie dabei sehr in der Nähe von Beate Meyers psychoanalytisch fundierter Auswertung. An nur sechs Interviews zeigt sie exemplarisch einzelne Auswertungsmethoden und ihre Bedingungen auf. Die Überschriften der Kapitel und ihrer jeweiligen Kapitelzusammenfassungen verdeutlichen die Bandbreite dieses Zugangs. [5]

Jureits langjährige Arbeit lebt von der Einheit von Interviewender und Auswertender; dies ist dem Buch oftmals positiv anzumerken. Stellt man ihre – oder Beate Meyers – Auswertung neben die von Uwe Kaminsky oder Alfons Kenkmann, so wird überdeutlich, was dies bedeutet: Sinn- und Erfahrungszusammenhänge, oft nonverbaler Art, können nur so erfahren und weitervermittelt werden. Zwei der sechs Beispiele verdeutlichen dies in extremem Maße (Zerstörte Lebenswelten und Ohne Worte erinnern). Wo Jureit Fragestellungen an Lebensgeschichten heranträgt, stülpt Kaminsky den Personen Theoreme über.

Konsequent arbeitet Jureit heraus: "Wenn der Konstruktionscharakter der lebensgeschichtlichen Rückblicke als ihr Hauptmerkmal gelten kann, dann ist damit ihr Charakter allerdings noch nicht hinreichend beschrieben. Autobiographische Selbstpräsentationen bestehen überwiegend aus erzählten Erinnerungen, daher weisen sie auch diejenigen Eigenschaften auf, die menschlichen Erinnerungen generell anhaften. Daraus ergibt sich eine ganze Bandbreite relevanter Merkmale, deren Analyse zugleich aufzeigen kann, wie die textimmanente Konstruktion methodisch greifbar gemacht werden kann." (S. 390). "Damit ist das in der Forschung kontrovers diskutierte Verhältnis zwischen Ereignis, Erfahrung und Erzählung bereits angesprochen. Wie ausführlich dargelegt wurde, kann von einer quantitativen Homologie von Erfahrung und Erzählung nicht ausgegangen werden. Das hängt mit selektiven Wahrnehmungsprozessen, individuellen Verarbeitungsmustern und narrativen Zugzwängen zusammen.[ [7]] Ein Ereignis ist von der Erinnerung daran grundsätzlich verschieden. Strittig ist bis heute eine strukturelle Analogie. Eine Trennung von erlebter und erzählter Lebensgeschichte ist textimmanent nicht möglich, da dazu externe Korrektive, wie sie nur durch eine weitreichende Quellenkritik gewährleistet werden können, notwendig sind." (S. 391) "Da der Erinnerungsprozeß selbst ein Konstruktionsprozeß ist, kann zwischen dem erinnerten Ereignis an sich und der hinzugefügten Deutung textimmanent nicht mehr unterschieden werden." (S. 393). "Einerseits geht es also innerhalb der historischen Forschung um die Wirklichkeitsreferenz der autobiographischen Erzählung, andererseits kann es nicht nur die Aufgabe sein, ungenaue oder sogar unzutreffende Aussagen zu kontrollieren. Ziel der ausführlichen Quellenkritik ist es auch, die Entstehung der narrativen Konstruktionsfiguren [in der Einleitung zu Rückblenden auch "Schlüsselstellen der Rekonstruktion" genannt] innerhalb der Gesamtbiographie nachzuzeichnen. In der Konstruktion steckt eine Authentizität, die jenseitshistorischer Faktenanalyse


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liegt, denn sie spiegelt die individuelle Bedeutung der erlebten Verfolgung wider. Um nicht Gefahr zu laufen, die subjektiven Wirklichkeitsentwürfe der interviewten Zeitzeugen allein zu reproduzieren, braucht die wissenschaftliche Auswertung den Bezug zur Gesamtbiographie, gerade weil für zahlreiche Erzählabschnitte keine anderen relevanten Quellen existieren." (S. 394) Uff!

Ulrike Jureit zeigt, wie man auch mit einem erschlagenden Quellenbestand (hier der Fülle lebensgeschichtlicher Interviews) umgehen kann: indem man nämlich bewußt auf eine synoptische Analyse verzichtet. Ihre Arbeit ist für die Geschichts- und Kulturwissenschaften ein bleibender Gewinn, ein Maßstab, an dem sich in Zukunft alle werden orientieren müssen, die zu oder mit lebensgeschichtlichen Interviews arbeiten wollen. Es gehört zu den bedauerlicheren Umständen des HistorikerInnen-Daseins, daß man sich sicher sein kann, daß Studien wie diese nur einen kleinen RezipientInnenkreis erreichen werden.

Im Sammelband Rückblenden hingegen können nur einzelne Aufsätze überzeugen, die Gesamtzusammenstellung läßt aber einer Reihe von Fragen unbeantwortet bzw. kann nicht kritiklos bestehen.

Eine Frage ist in beiden Bänden nicht angeschnitten worden: Was sagen, denken, meinen oder fühlen die Interviewten über die jeweils ausgebreiteten Interpretation ihrer Interviews? Zu dieser Form der Rückkoppelung innerhalb der Forschung liegt bisher keine Literatur vor – leider.

Thomas Pusch

Sybille Baumbach, Uwe Kaminsky, Alfons Kenkmann, Beate Meyer: Rückblenden. Lebensgeschichtliche Interviews mit Verfolgten des NS-Regimes in Hamburg. Hrg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Redaktion: Frank Bajohr. Hamburg: Ergebnisse Verlag 1999. 473 S. (= Forum Zeitgeschichte, Band 7)
Ulrike Jureit: Erinnerungsmuster. Zur Methodik lebensgeschichtlicher Interviews mit Überlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager. Hrg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Redaktion: Frank Bajohr. Hamburg: Ergebnisse Verlag 1999. 427 S. (= Forum Zeitgeschichte, Band 8).

Anmerkungen:

1. Projekte Zur Sozialgeschichte des Terrors am Beispiel der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung Schleswig-Holsteins am IZRG bzw. " Ich erinnere mich nur an Tränen und Trauer" Zwangsarbeit in Lübeck 1933-1945, Geschichtswerkstatt Herrenwyk.

2. Der Begriff des sozialmoralischen Milieus bezeichnet soziale Einheiten, "die durch eine Koinzidenz mehrerer Strukturdimensionen wie Religion, regionale Tradition, wirtschaftliche Lage, kulturelle Orientierung, schichtenspezifischen Zusammensetzung der intermediären Gruppen" gekennzeichnet sind, so Kaminsky nach R. Lepsius. Der Rezensent steht dem doch recht skeptisch gegenüber, da ihm hier "zuviel" sozialmoralisches Milieu ist. N.m.E. transportiert die ganze Milieu-Begrifflichkeit nicht mehr und nicht weniger als den Umstand, daß es auch für die Personen der Arbeiterbewegung nicht immer ein Primat des Politischen gegeben hat und daß Lebensrealität soziales Verhalten mehr prägte als politische Programme. In meiner Generation hatte noch niemand das Gegenteil angenommen. Wenn Kaminsky auf S. 211 den Begriff der "informellen Toleranz" einführt, welcher nicht mehr besagt, als daß SPD- und KPD-Mitglieder sich an der Basis nicht immer spinnefeind waren, dann fragt man sich, warum er hier einen Beitrag von Sywottek zitiert und nicht auf Mallmanns Kommunisten in der Weimarer Republik Bezug nimmt.


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3. ISK: Internationaler Sozialistischer Kampfbund; ITF: Internationale Transportarbeiter-Föderation; SAJ: Sozialistische Arbeiterjugend; KJVB: Kommunistischer Jugendverband Deutschlands.

4. Bundesarchiv Lichterfelde, NJ 3 [Strafverfahren gegen W. Grünert], Bd. 2, Bl. 43: Aussage von Karl Kloster, HH 15.9.41.

5. Dies sind: "Ritual und Sprache" – "Lebensgeschichtliche Erinnerung als kontextabhängige Quelle"; "Zerstörte Lebenswelten" – "Erinnerungsinterview und Übertragungsanalyse"; "Individuum und Gruppe" – "Probleme thematisch fokussierter Auswertungsverfahren"; "Ohne Worte Erinnern" – "Der Raum des Sagbaren"; "Konstruktion und Sinn" – "Die Interpretation geschlossener Erzählungen"; "Verfolgung und Gegenrationalität" – "Gesamtbiographische Analysen".

6. Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (ISHZ) Nr. 35 (April 1999) S. 3-31.

7. Solche Zugzwänge liegen natürlich auch in der jeweiligen Intention begründet, Bestandteile einer Lebensgeschichte schriftlich abzufassen, etwa bei Entschädigungsanträgen oder aber auch bei Parteiüberprüfungen.


Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 36 (1999) S. 117-128.


Der Rezensent: Thomas Pusch, Jg. 1963, 1992 Magisterexamen in Göttingen (Thema: Methodische und theoretische Aspekte der zeithistorischen Lokal- und Regionalgeschichte, 1993 – 1995 Mitarbeiter der Geschichtswerkstatt Göttingen e.V., 1996 bis März 1999 wissenschaftlicher Angestellter des IZRG. Arbeitet z.Zt. an seiner Promotion Die Erfahrungen des politischen Exils, darüber hinaus umfangreiche Recherchen zur Zerschlagung der KPD im Bezirk "Wasserkante", speziell in Kiel. Weitere Interessen- und Arbeitsschwerpunkte: Migrationsgeschichte/Staatsangehörigkeitsrecht, Umweltgeschichte/Historische Umweltforschung. Lebt in Hamburg-Barmbek.


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 36

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