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Jörg Wollenberg

Vom Freiwilligen Arbeitsdienst zum Konzentrationslager

Zur Geschichte der frühen KZ am Beispiel von Bremen-Mißler und Ahrensbök-Holstendorf [1]

"Es gibt zweierlei Schuld: Die, planmäßig ein Verbrechen begangen zu haben, und die, eines zu ermöglichen und zuzulassen. Wir haben dies und jenes nicht gewollt und nicht gewußt [...] Aber es lag an uns, zu wollen und zu wissen. Es wäre schwer gewesen, aber wir hätten es gewußt. 1918 war es sogar leicht, aber nicht einmal da wollten wir. Wir wollten Ruhe und Ordnung und ermöglichten den Nazi." (Alfred Döblin, November 1918. Stockholm 1939. Vorwort zu Bd. 1)

1. Vom Arbeitslager des Reichsbanners zum Konzentrationslager

Ende August 1932 bezogen 280 arbeitslose Sozialdemokraten vom Bremer Jungbanner, der Jugendorganisation des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, zusammen mit Mitgliedern der freien Gewerkschaften, der Arbeiterwohlfahrt und des Arbeitersports das Arbeitsdienstlager in den ehemaligen Auswanderhallen Friedrich Mißler zwischen der Walsroder- und Hemmstraße im Bremer Stadtteil Findorff Quartier, um die bis zum August 1933 befristete Zuschüttung der Senke am Buntentor in Angriff zu nehmen. [2] Ebenfalls unter der Leitung des Reichsbanners wurde Anfang November 1932 auf dem Gelände der chemischen Fabrik Dr. Christ in Holstendorf bei Ahrensbök ein Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) für 40 bis 60 SPD-Anhänger im Lübecker Landesteil des Freistaates Oldenburg eröffnet - mit dem Ziel, den Wegebau von Holstendorf nach Havekost zu verbessern. [3]

Wie zahlreiche Lager des FAD entstanden diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Gefolge der "Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen", aufgrund derer im Juni 1932 neue Bestimmungen für den Freiwilligen Arbeitsdienst erlassen wurden. Von den mehr als eine Million arbeitslosen männlichen Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren griffen bis zum Oktober 1932 rund 250.000 Deutsche auf dieses Angebot zurück, "um zum Nutzen der Gesamtheit im gemeinsamen Dienste freiwillig ernste Arbeit zu leisten und zugleich sich körperlich und geistig-sittlich zu ertüchtigen", wie das Reichsgesetzblatt verkündete. [4] Die von der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eingesetzte Gutachterkommission zur Arbeitslosenfrage hatte 1931 empfohlen, die jungen Erwerbslosen gemeinnützige Arbeit leisten zu lassen oder sie zu "Arbeitsgemein-


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[Abb. 1: Foto des KZ Mißler, Bremer Nachrichten 5.5.1933]

schaften" zusammenzuschließen, um "auf dem Gebiet der inneren Kolonisation" tätig zu werden. [5]

Als "Träger der Arbeit" fungierten die staatlichen Behörden oder andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, die sich verpflichteten, für jeden Arbeitsdienstfreiwilligen 50 Pfennig pro Tag als Taschengeld zu zahlen. Das Reich leistete einen Zuschuß von 2 RM pro Tagewerk und entlastete so die Fürsorgeämter von den Kosten für die Wohlfahrtserwerbslosen. Als "Träger des Dienstes" zeichneten neben dem Reichsbanner Parteien und Organisationen wie die "Reichsarbeitsgemeinschaft für deutsche Ostsiedlung" oder die "Bremer Arbeitsgemeinschaft für Arbeitsdienst und Siedlung" verantwortlich. Gemäß der Verordnung vom Juni 1932 ernannten die Träger "Führer" für die jeweiligen Maßnahmen.

In der Hansestadt Bremen wie im Freistaat Oldenburg gehörten neben Sport- und Turnbünden vor allem die nationalen Verbände zu den Förderern des FAD. Auf besonderes Interesse stießen die Maßnahmen bei der NSDAP, dem Jungdeutschen Orden, Wehrwolf und Stahlhelm. Dagegen lehnten die KPD, die KPO und die 1931 aus der SPD ausgeschlossenen Linkssozialisten der SAP (mit Willy Brandt, Otto Brenner, Anna Siemsen u.a.) den FAD als Mittel der Sozialdisziplinierung ab.

Im September 1932 verhöhnte z.B. die Arbeiter-Zeitung, die Tageszeitung der KPD für den Bezirk Weser-Ems, die "Papenknechte der Bremer SPD, die Jugendliche im Freiwilligen Arbeitsdienst für 3 Mark Wochenlohn im militärischen Barackengeist drillt". Die Jungen Kämpfer, das Organ der KJVD-Opposition, forderte eine "Abwehr der


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[Abb. 2: Blick von der Walsroderstraße in den Innenhof des KZ Mißler]

Arbeitsdienstpflicht, verbunden mit dem Kampf für den gesetzlichen 7-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich für alle Arbeiter und den 6-Stunden-Tag für alle jugendlichen Arbeiter." [6]

Der Chefredakteur der Sozialistischen Arbeiter-Zeitung, Walter Fabian (SAP), sah in den Notverordnungen der Regierung von Papen-Schleicher vom Juni 1932 die Gefahr, "den bisherigen sogenannten Freiwilligen Arbeitsdienst in die Allgemeine Arbeitsdienstpflicht umzuwandeln [...] für 40 bis 50 Pfennige Taschengeld pro Tag, ohne Betriebsräte, unter Außerkraftsetzung aller Jugendschutzbestimmungen, ohne allgemeine Regelung der Arbeitszeit." [7] Vor der "Arbeitsdienstpflichtsklaverei" des FAD und seinen paramilitärischen Organisationsformen warnte in Bremen auch die von der KPD beherrschte Erwerbslosenbewegung. Die "Arbeitsgemeinschaft Bremer Arbeitslose" legte schon im Juli 1930 ein "Kampfprogramm" vor, mit dem man vor allem innerhalb der ADGB-Gewerkschaften Einfluß zu gewinnen versuchte. Die gesetzliche Einführung des Sieben-Stunden-Tages und der Bau von Wohnungen und Schulen waren ihre Forderungen.

Neben dieser von Mitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands-Opposition (KPO) und des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) getragenen Aktion gründeten die Jugendorganisationen der KPD und SAP, der KJV und der SJV, im Mai/Juni 1932 ein "Jugendkampfkommitee gegen Arbeitsdienstpflicht und Faschismus". Trotz gemeinsamer Veranstaltungen und Protestkundgebungen in einzelnen Bremer Stadtteilen mit Referaten von Hans Gode (KJV) und Karl Grobe


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(SJV) kam es nicht zu der propagierten "Einheitsfront des Jungproletariats". Die keinen großen Einfluß erlangenden antifaschistischen Jugendkampfausschüsse scheiterten an der Uneinigkeit der Bezirksleitungen der beiden großen Arbeiterparteien. [8]

Auch der Vorstand des "Bundes der entschiedenen Schulreformer" wandte sich mit Paul Oestreich gegen die von Kulturpolitikern und Pädagogen wie Eduard Spranger und Theodor Bäuerle vertretene Ausweitung des Arbeitsdienstes auf Jungakademiker und gegen die zunehmende "geistige Verelendung der nachschulpflichtigen Jugend". [9] Ansonsten lobten die bürgerliche Presse und zahlreiche Politiker und Intellektuelle die vorbildliche freiwillige Arbeitsgemeinschaft und die Zusammenarbeit der Parteien im FAD.

Und dennoch kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den Trägern des Dienstes, vor allem zwischen Reichsbanner-Leuten und Anhängern der NSDAP. Die schweren Bluttaten während der 9.-November-Demonstration von 1931 auf dem Marktplatz in Eutin und in der Bremer Bornstraße (Ermordung des SS-Mannes Karl Radke und des SA-Mannes Wilhelm Decker) ließen die Konflikte eskalieren und führten zu überregional beachteten Justiz-Prozessen. [10]

Überfälle von SA-Leuten auf einzelne FAD-Lager des Reichsbanners fanden immer wieder statt. Sie wurden im Landesteil Lübeck unter Anleitung des Regierungspräsidenten Böhmcker (NSDAP) von der Hilfspolizei initiiert. Nach dem NSDAP-Sieg bei der Landtagswahl vom 29. Mai 1932 im Freistaat Oldenburg war in Eutin "im Rahmen des Freiwilligen Arbeitsdienstes mit Genehmigung des Staatsministeriums eine Hilfspolizei aus Mitgliedern der SA und SS und des Stahlhelms gebildet worden". [11]

Diese legte sich auch und vor allem mit den Reichsbannerangehörigen im FAD-Lager Holstendorf an. Als z.B. die 60 Reichsbannermitglieder des FAD-Lagers sich im Februar 1933 in Ahrensbök und Sarau trotz des Demonstrationsverbotes an Kundgebungen gegen die Harzburger Front beteiligten und zur Wahl der SPD am 5. März aufriefen, wurden sie vom Sattlermeister Theodor Wiese aus Ahrensbök bei der Gendarmerie denunziert. Wiese, prominentes Mitglied der NSDAP und SA-Führer in Ahrensbök, behauptete, von den Reichsbannerleuten am 8. Februar in der Lübecker Straße bedroht worden zu sein. Ihm sei es nur durch die Flucht in das Haus des Barbiers Burmeister gelungen, sich zu retten. Außerdem hätten die Jungmänner des FAD-Lagers Fensterscheiben beim Landwirt Wulf in Barghorst eingeworfen, dessen Söhne führende Mitglieder der NSDAP waren. [12]

Zum gleichen Zeitpunkt stand auch in Bremen das Reichsbannerlager im Mittelpunkt nationalsozialistischer Angriffe. Die Bremer Reichsbannerführer Oskar Drees und Hans Hackmack berichteten u.a. am 7. Februar 1933 von Beschimpfungen und Überfällen der SA-Leute auf die FAD-Mitglieder des Jungbanners im Findorff-Viertel. [13] Umgekehrt reichte die NSDAP Beschwerdebriefe an das Bremer Arbeitsamt und die Polizeidirektion ein: "Regelmäßig werden zur Stadt fahrende Nicht-Marxisten von vorbeimarschierenden FAD-Leuten angepöbelt und mit Schimpfworten belegt. Ja, sie werden sogar gezwungen, von den Rädern abzusteigen, um den angedrohten Tätlichkeiten zu


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[Abb. 3: Öffentlicher Aushang des Senators für Polizei und Inneres, Theodor Laue, vom 20. Juni 1933]


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entgehen. Es herrscht unter unseren Parteigenossen und besonders unter den SA-Männern eine derartige Verbitterung, daß wir sie nur mit den schärfsten Mitteln von Selbstschutzmaßnahmen abhalten können. Deshalb müsse das Reichsbannerlager Buntentor-Mißlerhallen aufgelöst werden". [14]

Auch in Bremen begann nach der "Notverordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 und der damit verknüpften legalen Aufstellung der Hilfspolizei "zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte" die Verhaftungswelle. Sie ermöglichte die "Schutzhaft" als vorbeugende Maßnahme zur "Ausschaltung der von staatsfeindlichen Elementen drohenden Gefahren". "Bis in die letzten Schlupfwinkel hinein", verlangte Hitler am 7. Mai 1933, sollten die "November-Verbrecher" verfolgt und mit den Gegnern der "Kampfzeit" abgerechnet werden. Um das "Gift restlos aus unserem Volkskörper zu entfernen", wurden zunächst Funktionäre der KPD "in Schutzhaft genommen". Ihnen folgten bald Sozialdemokraten, Mitglieder des Reichsbanners, Gewerkschafter, Intellektuelle und - im Landesteil Lübeck - widerstrebende bürgerliche Politiker und innerparteiliche Widersacher, wie z.B. der Eutiner Bürgermeister Dr. Otto Stoffregen (DNVP), der Ahrensböker Fabrikant Julius Cäsar Jungclaussen oder der Eutiner Müller Christian Christians (NSDAP). [15]

Bald waren die Polizeigefängnisse am Bremer Ostertor und das zum Gosselhaus umgewandelte "Rote Haus" der KPD am Buntentorsteinweg ebenso überfüllt wie die Gefängnisse im Landesteil Lübeck. Auf der Suche nach neuen Unterkünften für die "Schutzhäftlinge" griffen die Regierungsverantwortlichen in Oldenburg und Bremen unter dem gemeinsamen Reichsstatthalter Röver unter anderem auf die FAD-Lager des Reichsbanners in Bremen und Ahrensbök zurück und wandelten diese in Konzentrationslager um. In diesen staatlichen Einrichtungen der Polizeidirektion übernahmen SA- oder SS-Hilfstruppen die Bewachung der Häftlinge. [16]

In Bremen-Mißler befanden sich unter den ersten 100 bis 150 "Schutzhäftlingen" zunächst vornehmlich Kader der KPD und Redakteure der Arbeiter-Zeitung. Bald gesellten sich zu ihnen prominente Sozialdemokraten wie der Reichsbannerführer Oskar Drees und der SPD-Reichstagsabgeordnete Alfred Faust, die besonders von SA- und SS-Peinigern gequält wurden und sich darüber vergeblich bei den Bremer Justizbehörden beschwerten. Die 280 Reichsbanner- und AWO-Kameraden behielten im Gelände der Auswanderhallen Mißler weiter ihre Unterkunft bis zur Vollendung des FAD-Projektes in der Senke am Buntentor - zwecks Gewinnung von Baugelände. Ab September 1933 verrichteten die Bremer KZ-Häftlinge Zwangsarbeit an der Ochtum-Regulierung, die - neben dem Ausbau des Weser-Stadions - bis zum 25. Mai 1933 Mitgliedern der Deutschen Turnerschaft übertragen worden waren. [17] Auf einem in der Nähe der Ochtum-Mündung gelegenen Kahn fanden sie vom 13. September 1933 bis zur Auflösung am 15. Mai 1934 eine neue "Unterkunft" - als Ersatz für das Mißler-Lager.

Auch die in Ahrensbök und Holstendorf internierten "Schutzhäftlinge" mußten den unvollendet gebliebenen FAD-


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[Abb. 4: Häftlinge auf dem zum KZ umgewandelten Lloyd-Kahn in Ochtumsand]

Dienst der Reichsbannerkameraden fortsetzen und den in Ausführung befindlichen Wegebau Holstendorf-Havekost um jenes Wegstück verlängern, das die Landesverbandschaussee Schwochel-Ahrensbök mit der Dorfschaft Havekost verbinden sollte. Das Reichsbanner-Lager war auf Veranlassung Böhmckers schon am 15. März 1933 geschlossen worden, nachdem ein 17jähriges Jungbanner-Mitglied die neu gehißte Hakenkreuzflagge im Lager niedergerissen hatte. Der zuständige Reichsbannerführer A. Bogert wurde verhaftet und in das zum KZ umgewandelte alte Amtsgerichtsgefängnis in Eutin überführt. [18]

Zu den prominentesten der 50-70 Häftlinge dieses Lagers zählten der Landtagsabgeordnete Karl Fick (SPD), der Ahrensböker Reichsbannerführer und Leiter des Konsumverein, B. Pump, und der Redakteur des sozialdemokratischen Lübecker Volksboten und Eutiner Reichsbannerführer, Adolf Buhrke, "einer der übelsten Marxisten, die es jedenfalls im Landesteil Lübeck gegeben hat", wie Regierungspräsident Böhmcker, ein Intimfeind Buhrkes, meinte. [19]

Um diese Ereignisse und die "Vorreiterrolle" Oldenburgs und Bremens bei der Einrichtung der ersten KZ in Deutschland besser einordnen zu können, müssen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte dieser Region im Jahr 1932/33 werfen und fragen: Stellen Oldenburg und der Gau Weser-Ems ein Versuchsfeld der NS-Machteroberung vor 1933 dar? Und ist die NS-Arbeitspolitik weniger ein Instrument nationalsozialistischer "Modernisierung", sondern eher auf Maßnahmen zurückzuführen, die auf staatliche Hilfsmittel aus der Krise der Weimarer Republik zurückgreifen?


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2. Der Freistaat Oldenburg und die Region Weser-Ems als Vorspiel und Experimentierfeld der NS-Machteroberung vor 1933

Seit den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 stärkste politische Kraft, gelangten die Nationalsozialisten im Freistaat Oldenburg nach den Landtagswahlen vom 29. Mai 1932 zur Macht. Sie stellten ab 16. Juni 1932 die erste nationalsozialistische Alleinregierung auf Landesebene unter Leitung des Gauleiters Carl Röver. Nach den Juni-Wahlen 1932 folgte Mecklenburg-Schwerin; in Anhalt (ab 21. Mai 1932) und dem Freistaat Thüringen (ab 26. August 1932) übernahm die NSDAP die Führung von Koalitionsregierungen.

In dem zum Freistaat Oldenburg gehörenden Landesteil Lübeck wurden die Nationalsozialisten schon mit den Landtagswahlen am 14. Mai 1931 der entscheidende politische Faktor. Sie stellten mit dem Eutiner Rechtsanwalt Johann Heinrich Böhmcker ab 15. Juli 1932 den Präsidenten der Regierung des Oldenburgischen Landesteils Lübeck mit Eutin, dem "Weimar des Nordens", als Sitz und Ahrensbök, Malente, Ratekau, Schwartau und Stockelsdorf als größte Stadt- und Landgemeinden. Böhmcker war zuvor Fraktionssprecher der NSDAP im Oldenburger Landtag. Er galt zunächst als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, fiel aber im November 1931 knapp als Koalitionskandidat der NSDAP und DNVP durch.

So wurde vornehmlich der Freistaat Oldenburg neben Thüringen zum Experimentierfeld einer NS-Machteroberung im "Rahmen der durch die Verfassung gegebenen Grenzen", wie der seit dem 23. Januar 1930 in Thüringen amtierende Minister des Inneren und der Volksbildung, Wilhelm Frick (NSDAP), das

[Abb. 5: Carl Röver]

Ziel formulierte. Auch der Gauleiter Weser-Ems und Ministerpräsident, Carl Röver, versprach in einer Regierungskundgebung vom Juli 1932, "daß wir Männer der neuen Regierung 100prozentig auf dem Boden der Weimarer Verfassung stehen [...], daß ich der erste Diener des Volkes sein werde und auch die Gesetze 100prozentig decken und schützen werde." [20]

Als erster NS-Minister in einer Regierung der bürgerlichen Mitte und Rechten hatte Frick schon am 29. März 1930 ein "Ermächtigungsgesetz für Thüringen" verkündet. Am 5. April 1930 folgte der Erlaß "wider die Negerkultur, für das deutsche Volkstum". Und mit der Verordnung vom 16. April 1930 zum "deutschen Schulgebet" kämpfte er gegen "art- und volksfremde Kräfte",


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die "seit langem versuchen, die geistig-sittlich-religiösen Grundlagen unseres Volkes zu zerstören". Letzteren Erlaß verwarf der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich am 11. Juli 1930 unter Berufung auf Artikel 148 Abs. 2 der Reichsverfassung. [21]

Die "rechtsradikal-bürgerliche Koalition" in Thüringen war, wie Ernst Rudolf Huber schreibt, "in den für die deutsche Verfassungsentwicklung so entscheidenden Jahren 1930/31 [...] von epochaler Bedeutung. Es war damit der Weg vorgezeichnet, auf dem der Rechtsradikalismus sich in den Ländern und dann im Reich den Zugang zur Macht zu öffnen gedachte." [22]

Dem thüringischen Vorspiel folgte der Ministerpräsident im Freistaat Oldenburg. Auch er behielt zunächst noch die alten Organisationsstrukturen bei, begann jedoch sofort mit der "Säuberung von marxistisch-demokratischen Erscheinungen". Dem diente u.a. das Geheimschreiben des Ministers des Inneren in Oldenburg vom 12. Januar 1933, in dem die Stadtmagistrate und Ämter aufgefordert wurden, eine Auflistung aller bekannten Mitglieder der KPD und ihrer Organisationen zu erstellen. [23] Der geheime Bericht der Regierung Eutin an das Ministerium des Inneren in Oldenburg vom 1. Februar 1933 registrierte so z.B. in den Ortsgruppen des Landesteils Lübecks folgende Anzahl von KPD-Mitgliedern: Eutin etwa 200 Personen, Ahrensbök 25, Gnissau 20, Stockelsdorf 40 bis 50, Schwartau-Rensefeld 260 bis 270 Personen. Die Mitgliedszahlen für Malente und Gleschendorf konnten nicht ermittelt werden. [24]

Insgesamt wurden Ende Dezember 1932 im Bezirk Nordwest der KPD mehr als 10.000 Mitglieder gezählt, davon über 3.000 in Bremen und etwa 600 im Landesteil Lübeck einschließlich der Vorfeldorganisation, dem Antifaschistischen Kampfbund. Auch in Bremen griffen die Verfolgungsinstanzen auf die Vorarbeit von demokratisch kontrollierten staatlichen Organisationen wie der Justiz und der Polizei zurück, die den Anweisungen der Reichsregierung folgten. Die korrekten Beamten mit konservativer Einstellung hatten schon vor der Machtübertragung an die Nazis in der "Zentralpolizeistelle" wichtige Daten zur Erfassung der politischen Gegner gesammelt. Sie waren z.B. im Besitz der kompletten Mitgliederlisten der KPD. Die am 16. Juni 1933 in Bremen eingerichtete Geheime Staatspolizei (Gestapo) setzte die Arbeit fort - angereichert durch einige Beamte aus dem Kreis aktiver NSDAP-Mitglieder und vorbereitend unterstützt durch die am 29. März 1933 vom Polizeisenator Laue gegründete "Zentralstelle zur Bekämpfung des Bolschewismus". [25]

Mit einer beachtlichen Leistungsbilanz konnte die Bremer Gestapo im ersten Jahr aufwarten (vom 6.3.1933 bis zum 5.3.1934): 6.000 erfaßte Namen in den Karteikästen des Arbeitsamtes - einschließlich der Meldestelle für den FAD; 35.000 kontrollierte Mitglieder der Kleingartenvereine, 30.000 überprüfte Beschäftigte in den Bremer Betrieben; einige 100 Personen in "Schutzhaft", 450 Personen wegen Hochverrats festgenommen; 950 Wohnungen, Büros und Gaststätten durchsucht usw. usw. [26]

Das am 2. Februar 1933 von Röver erlassene Demonstrationsverbot traf alle demokratischen Organisationen und behinderte ihren Wahlkampf für die Reichstagswahlen am 5. März 1933.


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[Abb. 6: Johann Heinrich Böhmcker]

Dennoch gewannen die SPD in Holstendorf mit 41% und die KPD mit 6% zusammen mehr Stimmen als die NSDAP, die auf 45% kam. In Ahrensbök-Stadt selbst erlangte die NSDAP die absolute Mehrheit mit 57% der Stimmen, gefolgt von der SPD mit 25%, der DNVP mit 13% und der KPD mit 3% der Stimmen. [27]

Als Reichsstatthalter ab Mai 1933 auch für Bremen zuständig, verfügte Röver schon am 31. März 1933 die Einrichtung von Sondergerichten in Oldenburg und Bremen. Hier wurden die Kritiker und Gegner des NS-Regimes abgeurteilt, ohne Rechtsmittel einsetzen zu können. Noch im Juli/August 1932 war dagegen dem Versuch der Röver-Regierung, die Macht des Parteiapparats durch Verstärkung der Polizei mit Hilfe von SA-Mitgliedern als Hilfspolizeibeamte auszubauen, noch kein Erfolg beschieden gewesen. Auf Anweisung des Reichsinnenministeriums mußten die 330 Hilfspolizisten in allen drei Landesteilen zum 10. August 1932 entlassen werden. [28]

Das traf auch auf jene 50 SA-Männer zu, die Böhmcker am 29. Juli 1932 im Rahmen des Freiwilligen Arbeitsdienstes mit weißer Armbinde zu Hilfspolizisten ernannt hatte und die bei der Verfolgung der Gegner eine unrühmliche Rolle gewannen. Der SA-Gruppenführer Nordsee, Böhmcker, erwarb sich schnell wegen dieser SA-Schlägertruppen den Spitznamen "Latten-Heini" bzw. "Latten-Böhmcker". Erst die Verordnung des Reichsinnenministeriums vom 21. März 1933 erlaubte die Aufstellung von Hilfspolizeibeamten aus SA- und SS-Mitgliedern in allen Teilen des "Dritten Reiches". Diesen war es möglich, mit sogenannten "Schutzhaftbefehlen" politische Gegner als "vorbeugende Maßnahme" festnehmen und über einen unbegrenzten Zeitraum ohne gerichtliche Kontrolle einzusperren. Im Landesteil Lübeck betraf das bis zur Auflösung des KZ Ahrensbök im Mai 1934 311 Bewohner. Davon waren 259 politische Häftlinge. [29]

Im Gegensatz zu den Landesteilen des Freistaates Oldenburg bekannten sich in der Freien Hansestadt Bremen nur rund 48% aller Wähler am 5. März 1933 zu den Parteien der "nationalen Konzentration" (im Reich rund 52%). Die NSDAP ging mit 32,3% der Stimmen aus den Wahlen wohl erstmals als stärkste Partei hervor (im Reich 43,9%), aber die "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" verfehlte die Zweidrittel-Mehrheit für Verfassungsänderungen. SPD (30%) und KPD (13,5%) blieben in Bremen auch am 5. März 1933 zusammen weitaus stärker als die NSDAP, die dennoch durch Erlaß des


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neuen Reichsinnenministers Frick mit Dr. Markert den Leiter des Reichskommissariats für Bremen stellte. [30]

Als am 10. März 1933 die SPD-Senatoren von ihren Ämtern zurücktraten, beherrschte Dr. Markert den Rumpfsenat zusammen mit dem Senator des Inneren, dem SS-Mitglied und wohlhabenden Kaufmann Theodor Laue, der für die Einrichtung des KZ in den Auswanderhallen Mißler verantwortlich zeichnete und dabei von einigen Unter- und Sonderkommissaren unterstützt wurde. Im Gefolge des "Zweiten Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 7. April 1933 votierte der Senat am 12. April 1933 für die Kooperation mit dem Gau Weser-Ems. Am 13. Mai zog Gauleiter Röver als Statthalter des Reiches in Bremen ein. Am 22. Juni 1937 ernannte Röver den Regierungspräsidenten von Eutin, Johann Heinrich Böhmcker, zum regierenden Bürgermeister von Bremen - als Nachfolger von Otto Heider, der diese Funktion im Oktober 1934 von dem gestürzten Dr. Markert übernommen hatte.

Die Bekämpfung der politischen Gegner, die "Gleichschaltung" der Beamten, der erste Judenboykott und der Aufbau der frühen Konzentrationslager in Mißler wie in Ahrensbök fielen so in die Zeit des Machtantritts des Reichsstatthalters für Oldenburg und Bremen. [31]

3. Die Bremer, Eutiner und Ahrensböker "Schutzhaftlager": Ihre Rolle im Rahmen des KZ-Systems

Auch wenn das Konzentrationslager als die zentrale Institution des nationalsozialistischen Machtstaates zu einem gängigen Begriff geworden ist, so existiert bis heute kein gesichertes Wissen über das zentrale Netzwerk der Verfolgung, Unterdrückung und Ermordung im NS-System. Nicht einmal über die Anzahl der nationalsozialistischen Lager und die unterschiedlichen Typen von Lagern, ihre Ausdehnung und Bedeutung herrscht Konsenz in der Wissenschaft. "Nichtwissen", so Gudrun Schwarz, "begünstigt eine Legendenbildung über Lager, wenn z.B. davon ausgegangen wird, daß alle nationalsozialistischen Lager Konzentrationslager waren und alle Konzentrationslager gleichzeitig auch 'Vernichtungslager', daß somit alle Lager im Prinzip gleich waren." [32]

Die unzähligen, über ganz Deutschland und die besetzten Ländern verstreuten KZ-Außenlager und das Schicksal der mehr als zehn Millionen ausländischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, die nach Deutschland verschleppt wurden, fanden erst in den 80er Jahren Beachtung in Forschungsarbeiten. Dagegen hat der "Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten" dieses vergessene und verdrängte Kapitel in den Mittelpunkt des Interesses jüngerer Menschen gerückt.

Erst neuere systematische Untersuchungen von Wolfgang Sofsky, Gerhard Armanski und Gudrun Schwarz haben sich nach Andrzej J. Kaminski, H. G. Adler und Martin Broszat um eine Beschreibung der Gesamtheit des NS-Lagersystems bemüht, die "Ordnung des Terrors" dargestellt und sich kritisch mit dem "Archipel SS" im Vergleich zu dem "Archipel Gulag" auseinandergesetzt. [33] Gudrun Schwarz' empirische


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Studie weist weit mehr als 10.000 nationalsozialistische Lager nach, die sie in 17 unterschiedliche Kategorien einteilt, von den Arbeitserziehungslagern und Zwangsarbeitslagern über die Ghetto- und Konzentrationslager bis zu den Todeslagern. 14 davon gehören zu der Kategorie "Konzentrationslager".

Die letzten Etappen dieser "Maschinen des Terrors", der Einsatz der Häftlinge in den Rüstungsindustrien und die Todesmärsche aus den aufgelösten Konzentrationslagern, berühren mit ihren vielfältig darin verwobenen Wirtschaftsinteressen privater Unternehmen und der öffentlichen Hand Ahrensbök und Bremen ebenso direkt [34] wie die ersten Maßnahmen des NS-Terrors: die frühen Konzentrationslager im heutigen Kreis Ostholstein wie in Bremen.

Die erste eigenständige Untersuchung zu den frühen Konzentrationslagern betrifft Eutin und Ahrensbök-Holstendorf. Sie stammt aus der Feder des kanadischen Historikers Lawrence D. Stokes, der auch Anfang der 80er Jahre unsere Studien zu Bremen-Mißler anregte. [35]

Von diesen sogenannten "wilden" bzw. "frühen" Konzentrationslagern weist die von der SOPADE 1934 in Karlsbad vorgelegte Dokumentation allein 68 KZ nach. Sie alle unterstanden noch keiner zentralen Dienststelle, sondern wurden entweder durch örtliche SA-, SS- und Polizeistellen oder durch staatliche Initiativen wie auch auf Veranlassung von Ministerien und der Regierungspräsidenten eingerichtet. Die Bewachung lag in der Regel in den Händen von Hilfspolizisten aus den Reihen der SS und SA. Diese erste Etappe der Organisationsgeschichte der deutschen Konzentrationslager war eher das Produkt von Rache, Willkür, Improvisation und regionalen Besonderheiten, die auf Ereignisse aus der "Kampfzeit" und Erfahrungen mit den sogenannten "November-Verbrechern" aus der Weimarer Republik zurückgingen. Ihr Ursprung ist also älter als die nach dem Reichstagsbrand erlassene "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933, die alle in der Weimarer Verfassung festgelegten Grundrechte außer Kraft setzte und die juristische Handhabe für die längerfristige Inhaftierung politischer Gegner schuf. Das "Ermächtigungsgesetz" vom 23. März 1933 legte den zivilen Ausnahmezustand dauerhaft fest.

Nach dem Verbot der KPD und ihrer Vorfeldorganisationen, aber noch vor der Besetzung der Gewerkschaftshäuser vom 25. März 1933, den ersten Boykottaktionen gegen jüdische Bürger am 1. April, der Verdrängung unliebsamer Beamter aus dem Öffentlichen Dienst ("Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933: "Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden."), der Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai, der Bücherverbrennung vom 10. Mai und dem Verbot der SPD und ihrer Organisationen am 22. Juni 1933 wurden besondere "Schutzhaftunterkünfte außerhalb der Polizei- und Justizgefängnisse" eingerichtet, die von Anfang an und offiziell Konzentrationslager hießen.

Zu den ersten dieser frühen KZ gehörte neben dem am 20. März 1933 eröffneten "offiziellen Konzentrationslager" für männliche Häftlinge in Da-


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chau das am 31. März 1933 in den Mißler-Hallen eingerichtete Bremer Konzentrationslager. Das am 3. Oktober 1933 nach Holstendorf-Ahrensbök verlegte Eutiner Schutzhaftlager dürfte ebenfalls im März 1933 entstanden sein. Auch wenn Stokes keinen genauen Eröffnungstermin nachweist, lassen die Schreiben und Anordnungen der Regierung in Eutin die begründete Vermutung zu, daß das Eutiner KZ möglicherweise noch vor Dachau entstand.

So heißt es zu der Verhaftung des Landtagsabgeordneten Fick (SPD) vom 14. März 1933 im Schreiben der Polizeibehörde vom 3. September 1933: Fick werde "nach fast 6 Monaten im Konzentrationslager" wegen guter Führung entlassen. [36] Am 17. März 1933 teilte die Polizeibehörde Eutin dem Ahrensböker Amtsgericht mit, den ehemaligen Landtagsabgeordneten Johannes Rebenstorf nicht übernehmen zu können, weil das Amtsgerichtsgefängnis in Eutin überfüllt sei. [37] Und im Bericht der Eutiner Regierung an das Ministerium des Inneren vom 12. Mai 1933 wird mitgeteilt, daß sich nach wie vor sieben Angehörige der KPD in "Schutzhaft" befänden. Außerdem seien drei sozialdemokratische Funktionäre verhaftet worden. Neben Karl Fick handelt es sich unter anderem um den Ende März 1933 wegen "staatsfeindlicher Äußerungen" festgenommenen früheren Leiter des Arbeitsamtes in Bad Schwartau, das ehemalige Mitglied des Gemeinderates in Ahrensbök Paul Thätner (SPD), der Ende März ins Eutiner KZ überführt wurde. Die Ahrensböker Nachrichten berichteten am 1. April 1933 über diesen Fall. [38]

Wie in Bremen und Eutin waren die Gefängnisse in Deutschland nach den ersten Massenverhaftungen von Februar und März 1933 schnell überfüllt. Davon betroffen waren zunächst hauptsächlich Funktionäre der KPD und SPD, für die deshalb Schutzhaftlager eingerichtet wurden. Am 31. Juli 1933 befanden sich laut Statistik des Reichsinnenministeriums insgesamt 26.789 politische Gefangene in "Schutzhaft", davon 14.906 in Preußen und 4.152 in Bayern. Etwa 500 bis 600 Personen wurden zwischen März und Oktober 1933 in den KZs ermordet. [39] Keiner der KZ-Insassen in Eutin, Ahrensbök und Bremen-Mißler erlitt dieses Schicksal, doch viele von ihnen waren schrecklichen Mißhandlungen durch die SA-Wachmannschaften und einem intensiven psychischen Terror ausgesetzt. Allein deshalb ist die Aufarbeitung der Geschichte dieser ersten Einrichtungen der Verfolgung und Unterdrückung von Bedeutung.

Erinnern wir deshalb noch einmal an die Geschichte der Gebäude, die in Bremen und Ahrensbök zu frühen Konzentrationslagern umgewandelt wurden und die vorher als FAD-Lager dienten. Die sozialdemokratisch orientierten arbeitslosen Jugendlichen setzten in den FAD-Lagern auf einen Ausweg aus der politisch-ökonomischen Krise der Weimarer Republik. Und dennoch schienen sie unzulänglich darauf vorbereitet, dem am eigenen Leib schon vor 1933 erfahrenen Terror von rechts überzeugende politische Konzepte entgegenzusetzen. In Bremen wie in Eutin und Ahrensbök mußten sie mit ansehen, wie die Führer ihrer Lager zu den ersten "Schutzhäftlingen" gehörten, die in die KZs eingeliefert wurden. In Bremen waren sie zudem noch gezwungen, für einige Monate mit den KZ-Häftlingen die Mißler-Hallen als Unterkunft zu teilen, wenn


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[Abb. 7: Gebäude der chemischen Fabrik Dr. Christ in Holstendorf, wo von Oktober 1933 bis März 1934 ein Konzentrationslager untergebracht war]

sie auch räumlich von ihnen getrennt lebten.

Es handelt sich dabei nur um ein Kapitel aus der so vielfältige Erfahrungen vermittelnden Geschichte der Mißler-Hallen. Johann Friedrich Mißler hatte 1905 auf diesem Gelände in der Walsroderstraße mit dem Norddeutschen Lloyd die Auswanderhallen gegründet - mit vier ständigen Hallen für 250 osteuropäische Auswanderer. Im Ersten Weltkrieg wurden die Gebäude als Reserve-Lazarett genutzt. 1919 dienten sie als Unterkunft für das "Freikorps Caspari", das die Bremer Räterepublik am 4. Februar 1919 niederschlug. Im August 1932 entstanden hier vier FAD-Lager für 338 Mitglieder des Reichsbanners, des Wehrwolfs und des Deutsch-Nationalen Handlungsgehilfen-Verbandes. Ende März 1933 wurden die Auswanderhallen gemäß Senatsbeschluß in ein Konzentrationslager umgewandelt. Nach 1945 entstand auf diesem Gelände die evangelische Diakonissenanstalt, 1960 das Krankenhaus Findorff, das 1986 abgerissen wurde. Heute steht an dieser Stelle ein Altenwohnheim.

Auch das Gelände des KZ in Ahrensbök-Holstendorf dokumentiert eine wechselvolle Geschichte. Das FAD-Lager des Reichsbanners, untergebracht im Direktionsgebäude der 1883 gegründeten Zuckerfabrik, ab 1908 der chemischen Fabrik Dr. Christ in Holstendorf, wurde am 16. März 1933 geschlossen. Es diente danach für kurze Zeit als SA-FAD-Lager. Am 3. Oktober 1933 zum Konzentrationslager umgerüstet, mußte es schon im Dezember jenes Jahres der Realschule aus Ahrensbök weichen, die hierher verlegt wurde. 50 bis 70 Häftlinge mußten in ein Privathaus einer leerstehenden Schusterei mitten in Ah-


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rensbök umziehen (Plöner Straße 21). Dieses KZ wurde am 9. Mai 1934 aufgelöst. Zum gleichen Zeitpunkt zogen 200 SA-Männer in das alte Ahrensböker Realschulgebäude ein, das jetzt als Führerschule der SA-Gruppe Nordmark diente und ab Juni 1940 zur Lehrerbildungsanstalt (LBA) umgewidmet wurde. Am 9. April 1936 entstand auf dem KZ-Gelände der ehemaligen "Chemischen Fabrik Dr. Christ" die "Genossenschaft Flachsröste GmbH". Sie wurdeneben Böhmcker initiiert vom Bezirksbauernführer Julius Maack, seit 1930 Spitzenkandidat der NSDAP für den Gemeinderat in Ahrensbök, und dem damaligen NSDAP-Ortsgruppenleiter und Ahrensböker Bürgermeister, Wilhelm Wulf.

Die Flachsröste ging 1956 in Konkurs. Nach der Zwangsversteigerung der Grundstücke durch das Amtsgericht Eutin erwarben die Globus Gummi- und Asbestwerke Ahrensbök 1974 das Gelände und die Gebäude der Flachsröste, veräußerten aber 1982 einen Teil der Gebäude. Dazu gehörten auch das 1932/33 zunächst zum FAD-Lager, dann zum Konzentrationslager umgewandelte Geschäftsführerwohnhaus und die Werkhallen, die im Zweiten Weltkrieg unter anderem als Zwangsarbeiterlager dienten. Über 100 junge Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion wurden hier ab 15. März 1942 untergebracht und beschäftigt. Im Gegensatz zum ehemaligen KZ in den Mißler-Hallen erinnert bis heute kein Gedenkstein an die wechselvolle Geschichte dieser Gebäude. [40]

Die Bremer "Schutzhaftlager" und die in Ahrensbök-Holstendorf wurden wie die meisten der "frühen" oder "wilden" Konzentrationslager bald wieder geschlossen. Die nach dem Mai 1934 weiterbestehenden Lager gingen in die Ver-

[Abb. 8: Politischer Alltag im Spiegel der Ahrensböker Nachrichten, 18. Mai 1934]

waltung der Länder über und wurden nach dem "Dachauer Modell" als "staatliche Konzentrationslager" bezeichnet und standardisiert. Der Dachauer KZ-Kommandant Theodor Eicke stieg am 10. Dezember 1934 zum "Inspektor der Konzentrationslager und der SS-Totenkopfverbände" auf. Nach der Übernahme der politischen Polizei durch Himmler am 20. April 1934 gelangte die "Schutzhaft" endgültig in die Hände der Geheimpolizei und der lokalen SS-Einheiten. Die SS begann, das KZ-System neu aufzubauen. Die jetzt einsetzende Entwicklung ist weitaus bekannter als die erste Versuchsetappe.

Die Geschichte der frühen und kleineren Lager konnte schon wegen der schlechten Quellenlage wissenschaftlich bislang nicht systematisch aufgearbeitet werden. Nicht einmal die exakte Zahl aller Lager ist bekannt. Auch das bis-


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[Abb. 9: Meldung von der Auflösung des FAD-Lagers und andere politische Nachrichten (Ahrensböker Nachrichten, 18. März; Montage)]

lang umfangreichste Verzeichnis aller Lager bekennt sich zu seiner Vorläufigkeit. [41] Einen relativ umfassenden Überblick liefert die "Übersichtskarte über die Konzentrationslager, Zuchthäuser und Gefängnisse in Deutschland", die aus Frankreich ausländischen Teilnehmern der Olympischen Spiele in Berlin 1936 zugestellt wurde und die auch die Bremer und Eutiner Lager einschließlich Ahrensbök aufführt.

Viele Unterlagen, die aus den Lagern stammen, sind verlorengegangen oder - wie im Fall Mißler und Ahrensbök - rechtzeitig von der Gestapo vernichtet worden. Wir sind deshalb neben den spärlichen Pressemitteilungen und den Anordnungen der Landesbehörden auf Zeitzeugen angewiesen, um zumindest das Lagerleben oder andere wichtige Aspekte der Konzentrationslager der ersten Stunde zu rekonstruieren. Auch die meist niedergeschlagenen Anklagen gegen die Hauptverantwortlichen nach 1933, vor allem gegen Böhmcker, wie auch die 1949 bis 1951 durchgeführten Prozesse gegen den Polizeisenator Laue und mehrere SA- und SS-Wachposten in Bremen und Ahrensbök haben nur wenige neue Dokumente und Beweise zutage gefördert, dienen jedoch der Kontrolle und Bestätigung von Mißhandlungen und Quälereien. [42] Im Falle des Lagerleiters der KZ in Eutin und Ahrensbök-Holstendorf überführte das Lübecker Schwurgericht Theodor Tenhaaf am 14. Mai 1949 in elf Fällen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Er wurde zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. [43]

In dem Bremer Prozeß gegen die ehemaligen Mitglieder der Wachmannschaft im KZ Mißler wies das Landgericht 15 Angeklagten nach, 78 Schutzhäftlinge mißhandelt zu haben. Wegen "Körperverletzung im Amt" kamen sie mit Strafen von bis zu 2½ Jahren davon. In seiner Urteilsbegründung führte Landgerichtsdirektor Dr. Burhorn aus, das Gericht habe den Angeklagten trotz ihrer Schuld mildernde Umstände zugebilligt. Sie seien jung, arbeitslos und verhetzt gewesen, der politische Kampf sei aber in den 30er Jahren von allen Parteien mit rücksichtsloser Härte geführt worden. Es sei ein Fehler von oben gewesen, die Gegner von gestern zu Bewachern von morgen zu machen. [44] Diese Urteilsbegründung gibt erneut Anlaß, der von Stokes schon


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[Abb. 10: Foto von Gefangenen aus dem KZ Mißler auf der Titelseite der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung vom 12. Oktober 1933]


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1979 formulierten These nachzugehen, nämlich daß der Ursprung der frühen Konzentrationslager auf bezeichnende, in der Forschung eher vernachlässigte Kontinuitäten zwischen Institutionen und politischen Praktiken der letzten Phase der Weimarer Republik und der Anfangsphase des Hitler-Faschismus verweist.

Ohne auf weitere Einzelheiten der frühen KZ in Bremen und Ahrensbök einzugehen, wollen wir deshalb abschließend prüfen, ob und inwieweit der FAD als ein Versuchsfeld für die NS-Arbeitslager und KZ zu betrachten ist. Weitere Informationen über die Ordnung und den Terror im Lager, zu den Überlebensperspektiven der Häftlinge und dem öffentlich einsehbaren Alltag im KZ finden sich in der zeitgenössischen Presse sowie historischen Studien; darin werden auch Böhmckers politische und persönliche Fehden dokumentiert. So steckte er z.B. den reichen und alteingesessenen Ahrensböker Fabrikanten Julius Cäsar Jungclaussen am 13. November 1933 "wegen staatsfeindlicher Äußerungen" ins Holstendorfer KZ. Ende Januar 1934 gab der Regierungspräsident dem Druck von Kunden des konservativen Maschinenfabrikbesitzers nach und ließ Jungclaussen frei, nachdem dieser neben den Haftkosten von 118,35 RM und der Buße von 600 RM 4.000 RM "Lösegeld" zur persönlichen Verfügung des Regierungspräsidenten erstattet hatte.

Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat Jungclaussen dazu und zu den Mißhandlungen durch die KZ-Wachmannschaft noch einmal am 6. März 1946 in Ahrensbök vernehmen lassen. In den Nachkriegsprozessen gegen die KZ-Wächter griff die Staatsanwaltschaft auf diese Aussage zurück, die u.a. zur Verurteilung des ehemaligen SA-Rottenführers Walter Tiesch und des ehemaligen NSKK-Sturmführers und Lagerleiters in Eutin und Ahrensbök, Theodor Tenhaaf, führte. [45]

Der trinkfeste und "schlagkräftige" SA-Führer und Regierungspräsident Böhmcker war schon von dem Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes in Oldenburg am 25. September 1935 ermahnt worden: Die "Entlassung von Schutzhäftlingen gegen Zahlung einer Buße ist unzulässig." Das betraf nicht nur Jungclaussen, sondern auch die eigenen Parteigenossen, die Böhmcker ins KZ steckte und nach Zahlung größerer Geldbeträge wieder freiließ. Die wegen dieser Vergehen gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des obersten SA-Gerichts wurden dagegen niedergeschlagen. [46]

Daß die Existenz der ersten Konzentrationslager zur Einschüchterung der NS-Gegner beitrug und einige Häftlinge zu "Bekehrten" machte, die von "Gummiknüppeln und Peitschenhieben" nichts bemerkt haben wollten, wird durch die tägliche Berichterstattung über die Lager in der gleichgeschalteten Presse suggeriert. "Kein Paradies, aber auch lange nicht die Hölle" verkündete der Leserbrief "Gegen die Greuelhetze im Konzentrationslager", den ein "irregeleiteter Marxist" nach seiner Freilassung aus dem Ahrensböker KZ im Lübecker Generalanzeiger am 8. Februar 1934 veröffentlichen ließ. [47] Zu welchen perfiden Methoden die NS-Presse fähig war, dokumentiert die im Exkurs zitierte Berichterstattung aus der "Umgebung des Genossen Faust und anderer gestürzter Säulen der Judenrepublik"vom 23. Juli 1933.


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4. Der Freiwillige Arbeitsdienst - Vorstufe zu den Konzentrationslagern?

"In Deutschland herrschte seit 1931 Devisenbewirtschaftung, seit 1932 Lohnstopp, seit 1933 Gewerkschaftsverbot. Ab 1936 wurde, zur Vorbereitung des Krieges, eine Planwirtschaft installiert und 1939 voll in Kraft gesetzt [...]. Das Privateigentum blieb erhalten, der Gewinn wurde nicht abgeschafft, das Gewinnstreben vielmehr in den Dienst des Wirtschaftsplans gestellt. Die Arbeitslosigkeit ging von rund 6 Millionen im Winter 1932 auf 1,6 Millionen 1936 und 100.000 1939 zurück [...]. Die Wachstumsrate des realen Sozialprodukts lag bei knapp 10%, die Preissteigerung bei rund 1% pro Jahr [...]. Diese Zahlen sind aufregend. Können wir auf Erfolgsrezepte nur deshalb verzichten, weil Adolf Hitler sie angewandt hat? Wir verzichten schließlich auch nicht auf die Teilnahme an Olympischen Spielen, auf deutsche Schäferhunde und auf Chorgesang." Diese Empfehlung vom 12. Juli 1992 stammt vom Herausgeber der Wirtschaftswoche, Professor Dr. Wolfram Engels. Damit profilierte er sich und das Organ des Bundesverbands der Industrie zum Vertreter jenes "Radikalismus der Mitte", der mit seinen Anhängern in der erneuerten "Konservativen Revolution" eine Renaissance erlebt.

Überhaupt werden in Deutschland nach 1990 vielfach und in den unterschiedlichen Lagern die über die Nazizeit verhängten Tabus gebrochen - ein Charakteristikum für die deutsche politische Kultur von heute. Die "verletzte Nation" habe genug Asche aufs Haupt gestreut, nun wolle man von Auschwitz nichts mehr hören. Die "Büßerrolle" im Hinblick auf die NS-Vergangenheit ist aufzugeben, fordern die vielen Anhänger der "Denkfabriken von rechts". Gegen die "Monumentalisierung und Instrumentalisierung unserer Schande" (Martin Walser) erklingt der "Rückruf in die Geschichte" (Karl Heinz Weißmann) als Entsorgungsübung. Schon Ernst Noltes Vergangenheitspolitik basierte auf einer Relativierungsstrategie: Der Archipel Gulag sei ursprünglicher als Auschwitz.

Mit dem "Schwarzbuch des Kommunismus", dem neuen Guinness-Buch der blutigen Rekorde, erfährt Noltes lange umstrittene These neue Nahrung. Nach der Beschreibung der "braunen Revolution" von 1933 als Antwort auf die "rote Revolution" von 1917 rücken Stéphane Courtois und Joachim Gauck den "roten Holocaust" in der Rangliste des Grauens weit nach vorne. Der langjährige Leiter des Instituts für Zeitgeschichte in München, Martin Broszat, hatte mit seinem "Plädoyer für eine Historisierung des Nationalsozialismus" sich schon 1985 um eine Differenzierung bemüht. [48]

Seitdem häufen sich durchaus ernstzunehmende Veröffentlichungen, die den "schönen Seiten des Nationalsozialismus" nachgehen, indem sie das "Dritte Reich" zwar für schrecklich erklären, aber seine Effektivität und Modernität herausstreichen (Zitelmann, Smelser, u.a.). Hatte noch Daniel Goldhagen mit seinem Erfolgsbuch auf Noltes "No Gulag - No Auschwitz" mit seinem "No Germans - No Holocaust" geantwortet, so werden wir aus Anlaß von 60 Jahren Erfolgsgeschichte des VW-Werkes darauf zu antworten haben, ob denn das


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Wirtschaftswunder ohne die Autofabrik in Fallersleben, dem heutigen Wolfsburg, möglich gewesen wäre: "No Fallersleben - No Wirtschaftswunder?"

In Wolfsburg, in Salzgitter oder in Nordhausen entstanden Fabriken der Zukunft als ein Amalgam von Großindustrie, Staat und SS; ein Konstrukt, in dem die technokratischen Funktionseliten arbeitsteilig miteinander kooperierten und an einem neuen "KZ-System" für den "SS-Staat der Zukunft" nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur in Deutschland bastelten. [49] Auf die Krise des NS-Systems antworteten die dienstwilligen Eliten mit einem Modernisierungsschub, der den Deutschen erlaubte, trotz der totalen Niederlage bald wieder zu einer ökonomischen Potenz ersten Ranges aufzusteigen. Väter des Wirtschaftswunders wie Ludwig Ehrhard waren federführend an diesen Neuordnungsplänen von 1943/44 beteiligt. [50]

Den Aufbau von Demokratie und Rechtsstaat haben NS-Täter und -Mitläufer nicht behindert; ein beachtliches "Resozialisierungswerk" (Jörg Friedrich), das Norbert Frei in seiner Vergangenheitspolitik 1996 noch einmal eindrucksvoll dargestellt hat. Aber mit welchen Folgen für heute - angesichts einer Modernisierungskrise, die nicht nur im gemaastrichten Deutschland immer mehr Vertreter von autoritären Lösungen zu Worte kommen läßt. Extrem verharmlosende Bemerkungen von Historikern zur "progressiven Sozialpolitik" des NS-Systems finden weite Verbreitung. "Unbestreitbar", schreibt z.B. Rainer Zitelmann, "brachte der Nationalsozialismus auf verschiedenen sozialpolitischen Gebieten beachtliche Fortschritte." [51] Dazu gehört seiner Meinung nach die Verbesserung des Jugendschutzes, des Mutterschutzes, der Sozialversicherung und der Lohnfortzahlung.

Ist das eine zutreffende Beschreibung? Entstand in der NS-Zeit wirklich so etwas wie ein sozialpolitisches Netzwerk, oder wurden lediglich Veränderungen an bestehenden Regelungen vorgenommen, die aus der Weimarer Republik stammen? Mit Gesine Elsner bestreiten wir die Vorreiterrolle der NSDAP in diesem Bereich. [52] Schon die Weimarer Republik brachte den Acht-Stunden-Tag, die Arbeitslosenversicherung wurde eingeführt, die Berufskrankheiten den Arbeitsunfällen gleichgestellt. Das Mutterschutzgesetz von 1927 wie auch die tarifliche Gestaltung des Urlaubs war eine Erfindung der Weimarer Republik, und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist erst das Ergebnis eines Streiks der schleswig-holsteinischen Metallarbeiter im Jahre 1957.

Selbst der Arbeitsdienst war ein Produkt aus den Krisenjahren der Weimarer Republik. Wie sein amerikanisches Gegenstück im New Deal, das "Civilian Conservation Corps", während der Weltwirtschaftskrise ins Leben gerufen [53], erblickten besonders nationalgesinnte Pädagogen wie Herman Nohl im Arbeitsdienst ein "neues Lebensgefühl", die "neue geistige Heimat". [54] Trotz aller gegenteiligen Bekundungen seiner angeblichen Erfolgsgeschichte gilt es festzuhalten: Der Kern des "deutschen Sozialismus" und der Kameradschaft, der Arbeitsdienst, steht - mit Stokes formuliert - als "Beispiel für die bezeichnende Kontinuität zwischen Institution und Politik der letzten Phase der Weimarer Republik und derjenigen des neugegründeten Dritten Reiches". [55] Die Nazis konnten dabei auf die in der Weimarer Zeit ausgebaute Arbeitsverwal-


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tung zurückgreifen. Ihr organisatorisches Gerüst war vor allem die 1927 gegründete Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Die von den Nationalsozialisten immer wieder verkündete vorrangige Verwaltung und Beseitigung der Arbeitslosigkeit folgte den Weimarer Lösungsvorschlägen der Arbeitsbeschaffung. Sie wurde nach dem 5. März 1933 lediglich durch eine Fülle von Verordnungen ergänzt und durch das "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" von 1934 abgerundet.

Der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit verknüpfte sich dabei mit ordnungspolitischen und ideologischen Elementen, die auf eine zunehmende Militarisierung der Arbeitsbeziehungen abzielten. Der am 26. Juni 1935 zum Reichsarbeitsdienst (RAD) umgewandelte FAD verkörperte die "propagandistische Schönwetterseite der nationalsozialistischen Arbeitsideologie" vom Arbeitsheer. Dazu gehörte nicht nur die schon im FAD vorgenommene propagandistische Stilisierung mit Schaufel und Uniform, sondern auch die neue Phraseologie vom "Soldaten der Arbeit" oder von der "Arbeitsschlacht". [56]

Den Ursprung der freiwilligen Sozialdisziplinierung mit erzieherischem Akzent - Arbeitsdienst als Erziehungsaufgabe, die, wie Theodor Bäuerle und Eugen Rosenstock-Huessy 1932 urteilten, früher der Heeresdienst leistete [57] - nutzte die NSDAP schon im Februar 1933 als erste "institutionalisierte Manifestierung der nationalsozialistischen Arbeitspolitik" (D. Schönbaum), indem Hitler erklärte: Die Arbeitsdienstpflicht solle "durch eine allgemeine Erziehung zur Arbeit einer Überbrückung der Klassengegensätze dienen [...], um zur Achtung vor der Arbeit zu erziehen." [58]

Für diesen "Dienst" gewannen die Nationalsozialisten zahlreiche, meist von der Jugendbewegung und der Reformpädagogik geprägte Lagerführer und Erzieher, die schon in den 20er Jahren damit befaßt waren, körperliche Arbeit und Gemeinschaftsleben im Lager miteinander zu verbinden. Kein Widerspruch war aus diesen Kreisen zu hören, als Hitlers Beauftragter für den Arbeitsdienst, der ehemalige Generalstabsoffizier Konstantin Hierl, 1934 vom Arbeitsdienst als einer "Erziehungsanstalt" für den Staat sprach und den "Dreischritt Schulpflicht-Arbeitspflicht-Wehrpflichtjahr" als Instrument kollektiver Disziplinierung verkündete.

Warum sollten sie auch widersprechen? Hatte nicht Eduard Spranger, einer der angesehensten Pädagogen und Philosophen der Zeit, im November 1933 das "entschiedene Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung" unterzeichnet - zusammen mit 529 Professoren, darunter die späteren "Grandseigneure" der bundesdeutschen Philosophie und Pädagogik wie Heidegger, Litt, Gadamer, Flitner, Blättner oder Bollnow. Viele von ihnen gehörten schon zu den 3.016 deutsch-österreichischen Bekennern, die am 16. Oktober 1914 in der "Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches" verkündeten: "Unser Glaube ist, daß für die ganze Kultur Europas das Heil an dem Sieg hängt, den der Deutsche Militarismus erkämpfen wird, die Manneszucht, die Treue, der Opfermut des einträchtigen deutschen Volkes." [59]

Nach den "begeisternden Tagen des März" 1933 beginne nun, so Spranger zu den "großen Ereignissen" des "Tages von Potsdam" in der Zeitschrift Die


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Erziehung, die "geduldige und treue Arbeit im einzelnen... Freiwilliger Arbeitsdienst und Arbeitsdienstpflicht, Wehrwille des Leibes und Wehrwille des Geistes, Freiheit und Bindung, Wille zur Macht und Achtung vor Recht, irdisches Bauen und Gottesdienst." [60]

Mit Hermann Nohl, Theodor Bäuerle, Fritz Laack und Eugen Rosenstock nutzten vor allem die führenden Repräsentanten der Jugendbewegung und der "Neuen Richtung der Volksbildung" lange vor 1933 die Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes als Möglichkeit, eine auf nationalpädagogische Ziele und einen gesunden Volkskörper verpflichtete Pädagogik als Volksgemeinschaftskonzept zu begründen.

Und der nach 1945 erneut einflußreiche Kieler Ordinarius Theodor Wilhelm, Erfinder der "Mitbürgerlichen Erziehung" und Mitinitiator der CDU-Kampagne "Mut zur Erziehung", verkündete 1934:

"Wir haben keinen sehnlicheren Wunsch, als daß durch diese und ähnliche einschneidenden Maßnahmen auf dem Gebiet der Lehrerbildung der Typus des nur strebsamen, rein intellektuellen, menschlich unausgewogenen Studienrates aus der deutschen Schule so rasch wie möglich verschwinden möge. [...] Der künftige Lehrer muß die Gemeinschaftssschule des Arbeitsdienstes und der SA durchlaufen haben. In der NS-Schule hat kein Lehrer etwas zu suchen, der seinen pädagogischen Anspruch lediglich auf ein wissenschaftliches Examen gründet. Er muß durch das Feuer des Mannschaftslagers und des Arbeitsdienstes gegangen sein." [61]

Der in Klappholttal/Sylt einst residierende ehemalige Leiter des NS-"Reichsbundes für Volkstum und Heimat" versicherte mir noch jüngst, daß die Klappholttaler um Ahlborn ebenso wie andere Repräsentanten der bündischen Jugend nicht aus opportunistischen Gründen Mitglieder der NSDAP wurden, "sondern er vertrat eine bestimmte gesundheitspolitische und soziale Richtung, die er [...] in der Partei verstanden und aufgenommen sah." [62]

Übersahen sie dabei auch die propagandistische Schlechtwetterseite dieser Arbeitsideologie, deren Aufgabe darin bestand, die Schutzhäftlinge in den Konzentrationslagern nach den ersten Erfahrungen in Ahrensbök und Bremen zur Zwangsarbeit zu verpflichten? [63] Ein Weg, der wiederum nach dem Dachauer und Buchenwalder Modell die Vernichtung durch Arbeit vorbereitete. Damit ging auch der ursprüngliche Konsens einer Arbeitsbeschaffungspolitik verloren, der die Maßnahmen des FAD prägte und der bei den konkreten Arbeitsvorhaben keine Differenz zwischen NSDAP, den ADGB-Gewerkschaften und den Sozialdemokraten aufkommen ließ, zumindest solange die freien Gewerkschaften neben der SPD und den Nationalsozialisten zu den aktivsten "Trägern des Dienstes" zählten.

Denn bis in den März des Jahres 1933 hinein waren das nationalsozialistische Arbeitsprogramm und die Arbeitsbeschaffungsinitiativen des ADGB und der SPD geprägt von Entwässerungsmaßnahmen, Moor- und Ödlandkultivierung, Wasserschutz, Straßenbau, Forstwirtschaft und Neulandgewinnung am Meer. [64] Weniger die Arbeitsbeschaffungsprogramme der Regierung Papen mit der Notverordnung vom 14. Juni 1932 als vielmehr die Avancen Gregor Strassers (NSDAP) an


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die Adresse des ADGB (in der Reichstagsrede vom 10. Mai 1932) hatten die sozialdemokratische Reichstagsfraktion in Zugzwang gebracht und zur aktiven Beteiligung an den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geführt.

Zweifelsohne dürfen solche Gemeinsamkeiten nicht mit einer prinzipiellen Übereinstimmung verwechselt werden. So lehnten ADGB-Gewerkschaften und SPD die NS-Gefolgschaftsideologie ab. Sie betonten dagegen im FAD den Charakter einer Gegensteuerung zu den Gefahren drohender Verwahrlosung und Vereinnahmung der Jugend durch den "politischen Radikalismus". Dennoch darf nicht übersehen werden, daß die arbeitspädagogischen Maßnahmen des FAD auch in Ahrensbök und Bremen schon 1931/32 als "gute Vorarbeit für die kommende Volksdienstpflicht" [65] verstanden wurden. Angesichts zunehmender "Jugendertüchtigung" konnte Ludwig Preller, der große Kieler Sozialpolitiker der SPD, deshalb mit Recht feststellen: "Der Nationalsozialismus brauchte nur noch zuzugreifen, um aus dem zunächst friedlichen Zielen gewidmeten freiwilligen Arbeitsdienst eine Schule der Militarisierung der Jugend zu machen."ot; [66]

Nach der Machtergreifung wurden die von dem FAD propagierten Ideale geregelter körperlicher Arbeit auch für solche Deutsche, die der "politischen Radikalität, Kriminalität oder Asozialität zu verfallen drohten oder schon verfallen waren", in die "neue Volksgemeinschaft" überführt. Als kaum geänderte Richtlinie des politischen Verhaltens galten sie auch für die im Konzentrationslager inhaftierten "Schutzhäftlinge". Diese im Freiwilligen Arbeitsdienst schon angelegte, von den Arbeiterparteien und republikanischen Verbänden bekämpfte organisatorische und ideologische Vorbereitung von Zwangsarbeit und KZ-Tätigkeit stieß im Landesteil Lübeck wie in Bremen schon vor 1933 auf massive Unterstützung.

So berichtete die Weser-Zeitung am 10. September 1932 über die vorbildliche freiwillige Arbeitsgemeinschaft und fügte am Schluß hinzu: "Schließlich besichtigte man ein Gemeinschaftslager in den Mißler-Baracken beim Lloyd-Heim. Wehrwolf und Reichsbanner haben hier ihre Unterkunft. Zwischen den Angehörigen beider Organisationen hat sich ein guter Kameradschaftsgeist herausgebildet." [67] An diesen "guten Kameradschaftsgeist" appellierten die Nationalsozialisten auch bei den Gegnern, die ab März 1933 in "Schutzhaft" genommen wurden. Die Maßnahmen im Konzentrationslager beschränkten sich deshalb nicht nur auf physische Repressionen.

In Anlehnung an die Lagerordnung des FAD, die in ihrer Tages- und Diensteinteilung auch im KZ galt, versuchten die Wachmannschaften die politische Überzeugung der Inhaftierten mit Vortragsveranstaltungen am Abend zu beeinflussen. Der Beauftragte der NSBO im Gesamtverband der Arbeitnehmer, Wilhelm Uhde, sprach so z.B. am 9. Mai 1933 über "Nationalismus und Marxismus". Er beschäftigte sich in seinem Vortrag vornehmlich mit Korruptionserscheinungen marxistischer Führer und begründete diese "anhand der Feststellung der letzten Tage im Volkshaus" (nach der Besetzung des Volkshauses am 2. Mai 1933 wurden den Gewerkschaftsführern finanzielle Unregelmäßigkeiten vorgeworfen).

Interessant ist, daß den Inhaftierten


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Gelegenheit gegeben wurde, mit dem Referenten zu diskutieren. Auf die Frage eines Kommunisten, "weshalb nur kleine Kommunistenführer und nicht die sozialdemokratischen gewerkschaftlichen Verbrecher und die jüdisch-kommunistischen Führer in Haft seien", antwortete Uhde, "daß sie politische Schutzhaftgefangene seien und sich lediglich deshalb in Konzentrationslagern befänden, um die nationale Revolution nicht zu stören, während es sich bei den sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Führern um kriminelle Straftaten handele." [68] Die "Schutzhaftgefangenen" sollen nach der BNZ für diese Fragemöglichkeiten großes Interesse gezeigt haben. Sie baten darum, "häufiger Gelegenheit zu haben, Vorträge nationalsozialistischer Führer zu hören".

Am Pfingstsamstag 1933 erschien der Polizeisenator Laue höchstpersönlich im KZ. Er hatte am gleichen Tage von über 200 Schutzhäftlingen 16 Personen entlassen. In seiner Mißler-Ansprache betonte er, daß seine Absicht, eine größere Anzahl von Gefangenen zu entlassen, durch die Verbreitung illegaler kommunistischer Zeitungen und Parolen zunichte gemacht worden seien. Und er forderte die Gefangenen auf, über ihre Verwandten dafür zu sorgen, "daß die niederträchtigen kommunistischen Hetzereien endlich aufhörten." Mit solchen Aktionen sollte also nicht nur der Widerstandswille der Inhaftierten gebrochen werden, sondern man versuchte, die Schutzhäftlinge auch als Druckmittel gegen diejenigen einzusetzen, die außerhalb des Konzentrationslagers noch Widerstandsarbeit leisteten.

Der Höhepunkt solcher Umerziehungsmaßnahmen war der 1. Mai 1933. Die KZ-Häftlinge aus Mißler mußten nicht nur antifaschistische Parolen entfernen, die zum 1. Mai auf einige Straßen gemalt worden waren. Darüber hinaus wurden im Anschluß an die Rede des Polizeisenators im KZ Mißler über "die Bedeutung des 1. Mai als Feiertag der nationalen Arbeit" mehrere "Schutzhaftgefangene" durch die Stadt gefahren. [69] Diese Fahrten gingen in die traditionellen Arbeiterviertel wie Gröpelingen und sollten den Gefangenen deutlich machen, wie schnell sich auch die Arbeiterschaft auf das neue System eingestellt hatte. Die Landeskirchen stützten in "Festgottesdiensten zum 1. Mai" diese Bekehrungsversuche. Landesprobst Kieckbusch führte so in Eutin aus, "der 1. Mai 1932 sei noch begangen worden als Tag der Arbeit ohne Gott und im Gegensatz hierzu feiern wir heute den 1. Mai 1933 als nationalen Tag der Arbeit mit Gott, woraus nur allein ein Segen ersprießen kann." [70]

Auch wenn sich die von den Nationalsozialisten erhoffte demoralisierende Wirkung unter den Gefangenen nicht einstellte, so erzeugten die anschließenden Berichte der Häftlinge über ihre Erfahrung doch eine große Betroffenheit. Die öffentliche Anerkennung der "nationalen Revolution" war 1933 offensichtlich größer, als die Gegner des NS-Systems vermuteten.

Das war zweifelsohne mit darauf zurückzuführen, daß die Verantwortlichen auf gute Vorarbeit zurückgreifen konnten. Böhmcker und Laue übernahmen so den gut funktionierenden Polizeiapparat. Die Zentralpolizeistelle kam am 6. März 1933 mit den eingearbeiteten Beamten in die Hände der Nationalsozialisten. Von der preußischen Polizei erhielten sie auch die vollständige Kartei der politischen Gegner und die


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Spitzelverbindungen. Bei den Anfang März 1933 verstärkt einsetzenden Verhaftungen und Durchsuchungen konnten die Nationalsozialisten auf Listen zurückgreifen, die von der Abteilung der politischen Polizei zur Überwachung politischer Organisationen angelegt worden waren und die zur lückenlosen Kontrolle sozialistischer und kommunistischer Organisationen benutzt wurden. So hatte z.B. die politische Polizei schon am 3. Mai 1927 aus Anlaß einer Hausdurchsuchung bei Georg Buckendahl (KPD) eine Namensliste aller Mitglieder der KPD in Bremen gefunden und diese durch Spitzelangaben ständig ergänzt. [71]

Diese für die Nationalsozialisten in den ersten Monaten ihrer Machtausübung typische Verklammerung von Parteiorganen mit überkommenen Staatsorganen bildete die Grundlage einer Herrschaftsausübung, die auch politisch-ideologisch auf Akzeptanz stieß und deshalb den Widerstand massiv und erfolgreich bekämpfen konnte.

5. Exkurs: Das Konzentrationslager Mißler im Spiegel der Presse. Zur Öffentlichkeit der Verfolgung am Beispiel des Reichstagsabgeordneten Alfred Faust (SPD)

"Um ein völlig klares Bild von dem Leben und Treiben in einem Konzentrationslager zu bekommen", entsandte das Organ der Bremer NSDAP, die Bremer Nationalsozialistische Zeitung (BNZ), ihren politischen Redakteur Kurt Teege im Juli 1933 - mit Billigung des Geheimen Staatspolizeiamtes Bremen (Gestapo) - nach Findorff in die Walsroderstraße, wo Teege - wie er später formulierte - als "getarnter Marxist einige Tage in dem bremischen Konzentrationslager verleben konnte." Am 23. Juli 1933 veröffentlichte die BNZ einen ganzseitigen Bild-Bericht des "unerkannten Schutzhäftlings".

Mit den Erlebnissen des Redakteurs aus der "Umgebung des Genossen Faust und anderer gestürzten Säulen der Judenrepublik" wollte die BNZ die "Lügenhetze der ausländischen Judenpresse mit Tatsachenmaterial widerlegen und zunichte machen." Unter "Verpfändung seines Ehrenworts" trat Kurt Teege den Gerüchten ausländischer Pressevertreter und der illegalen KPD-Presse entgegen, die regelmaßig über Mißhandlungen von Schutzhäftlingen berichteten. So sah sich der Bremer NS-Polizeisenator Laue noch am 17. Juni 1933 veranlaßt, folgende "Warnung an Hetzer und Schwätzer" in den ihrerseits gleichgeschalteten Bremer Nachrichten zu veröffentlichen:

"Es gehen immer wieder Gesuche um Entlassung von Schutzhaftgefangenen ein, ohne daß Aussicht besteht, irgendwelche Entlassungen vorzunehmen, solange die niederträchtige Hetze marxistischer Elemente andauert. Eine umfangreiche Entlassung von Schutzhaftgefangenen wird erfolgen, sobald die Verbreitung illegaler Druckschriften aufhört. Bereits entlassene Schutzhäftlinge werden wieder interniert, wenn die unverantwortliche Hetzkampagne andauert. Auch gewisse bürgerliche Elemente, die unsachliche Kritik an den Regierungsmaßnahmen üben und dadurch Unruhe in die Bevölkerung tragen, haben Schutzhaft zu gewärtigen."

Der aus diesen Zeilen sprechenden


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[Abb. 11: Der Bremer Chefredakteur Alfred Faust (SPD) im Konzentrationslager Mißler]


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Verunsicherung traten die Nazis mit einer verstärkten Terrorwelle und Verhaftung der Widerstandsgruppen aus dem Lager der Arbeiterbewegung entgegen. Außerdem versuchten sie, mit massiver politischer Propaganda die Bremer Bevölkerung für sich zu gewinnen. In dem Sonntagsbericht vom 23. Juli 1933 galt es deshalb, nicht nur die "Greuelmärchen der Berichterstatter führender ausländischer Zeitungen" zu widerlegen. Der Redakteur Teege hatte zugleich das Leben im Konzentrationslager Mißler als "Paradies" beschrieben:

"Im Konzentrationslager können sich die Häftlinge miteinander unterhalten, soviel sie wollen, sie können Bücher und Zeitungen lesen, Skat spielen usw. Ich selbst habe meine freie Zeit mit Schachspielen zugebracht und kann behaupten, daß ich meine Kenntnisse auf diesem Gebiet dank des Konzentrationslager vervollkommnet habe. Es ist fast paradox, aber gerade das königliche Schachspiel wird von den kommunistischen Lagerinsassen sehr bevorzugt."

Und ein wenig später heißt es: "Über die gute Unterbringung in den Schlaf- und Tagesräumen äußern sich die Häft-linge sogar anerkennend. Und es ist auch tatsächlich so: blitzblank ist es im Konzentrationslager Mißler [...] Es gibt eigentlich nur eins in Bremens Konzentrationslager, was die Häftlinge so etwas mit Unbehagen erfüllt und wovon auch ich während meines Aufenthalts betroffen war. Und das sind die täglichen Freiübungen, die morgens entweder von sieben bis acht Uhr oder von acht Uhr bis neun Uhr stattfinden".

Von den 140 Schutzhäftlingen, "die auf Bänken im Hof saßen und sich von der Sonne braunbrennen ließen", berichtet Teege folgendes: "Es ist ein buntes Volk, ehemalige Bürgerschaftsmitglieder, Funktionäre, Betriebsratsvorsitzende usw. Deutlich hebt sich aus der Menge der Künstlerkopf des ehemaligen Schauspielers Edgar Bennert heraus, neben ihm der in Hamburg festgenommene und nach Bremen überführte frühere kommunistische Redakteur Eildermann. Dann ist noch der bekannte Kommunist Petri da, der im Lager den Posten eines Faktotums einnimmt. Er schneidet seinen Genossen die Haare, rasiert sie, hat für jeden ein gutes Wort und - immer eine Widerrede. Und über allem steht der ehemalige Regent des Hauses, in dem diese Zeilen geschrieben werden, und das heute das Verlagsgebäude der BNZ ist, Reichstagsabgeordneter a.D. und Chefredakteur a.D. Alfred Faust. Zu seinem Stab im Lager gehören der ehemalige Parteisekretär Böhm und van Heukelum. Faust hat sich genau wie seine Kollegen den Lagerverhältnissen schon sehr gut angepaßt und macht mit seinem dicken Bauch mehr den Eindruck eines gutbürgerlichen Herren im Anfang der 50er Jahre als den eines ehemaligen sozialdemokratischen Führers und Redakteurs, dessen Aufgabe einzig und allein darin bestand, den Nationalsozialismus und damit den Führer des neuen Deutschland, Reichskanzler Adolf Hitler, zu verleumden und mit Schmutz zu bewerfen. Den Lohn für seine Schandtaten hat Genosse Faust durch die Unterbringung im Konzentrationslager, das auch noch in einigen Jahren sein Aufenthalt sein wird, erhalten."

Alfred Faust, dem zu dieser Zeit bestgehaßten Gegner der Bremer Nationalsozialisten, nutzte die parlamentarische


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Immunität als Reichstags- und Bürgerschaftsabgeordneter nichts. Bald nach den großen Massenverhaftungen von Kommunisten im Februar und März 1933 war Faust am 28. April 1933 unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Berlin "im Interesse seiner eigenen Sicherheit und zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung" als einer der ersten prominenten Sozialdemokraten Bremens in Schutzhaft genommen und als "Novemberverbrecher" in das Konzentrationslager Mißler eingewiesen worden, wie die Bremer Polizeidirektion am 29. April 1933 öffentlich über die Bremer Nachrichten mitteilen ließ.

Seine journalistisch brillianten, meist polemisch-satirischen Montagsartikel unter der Schlagzeile "Rund um den Fangturm", in denen er Nationalsozialisten und die Kommunisten anprangerte, hatten in den Augen der Nationalsozialisten "die politischen und wirtschaftlichen Interessen Bremens aufs schwerste geschädigt. In weiten Kreisen der Bevölkerung herrscht hierüber außerordentliche Erregung und die Befürchtung, daß Faust diese Tätigkeit auch fernerhin zum Schaden der nationalen Erneuerung fortsetzen könnte. Diese Erregung hat bereits mehrfach zu tätlichen Angriffen auf Faust geführt, die er sich durch eine unsachliche, maßlose und mit Vorliebe unter persönlichen Angriffen geführte Kritik selbst zuzuschreiben hat", wie es in der Mitteilung der Polizeidirektion vom 29. April 1933 heißt.

Den beanstandeten Tätigkeiten konnte der Chefredakteur der Bremer Volkszeitung schon ab März 1933 nicht mehr nachgehen. Nach dem am 2. März 1933 vorgenommenen endgültigen Verbot des von Faust als "Rubel-Blatt" und "Blutiger Knochen" beschimpften KPD-Organs Bremer Arbeiterzeitung wurde auch die Auslieferung der Tageszeitung der Bremer SPD am 10. März 1933 auf Dauer eingestellt. Die Übernahme des Druck- und Verlagsgebäudes der Bremer Volkszeitung, Am Geeren 6 - 8, feierte die NSDAP als "Symbolisierung der Überwindung der marxistischen Irrlehre durch den Nationalsozialismus". [72]

Dieser Akt veranlaßte den Verlagsdirektor der BNZ, den Reichstagsabgeordneten der NSDAP und Bürgerschaftspräsidenten Kurt Thiele, der Bremer Öffentlichkeit in einem Leitartikel die "Zeitungswende" anzukündigen: "Das Eigentum der SPD und der sozialdemokratischen Presse ist vom Reich beschlagnahmt und enteignet. Die Parteisekretäre und Redakteure befinden sich in Gewahrsam. Der in Bremen weidlich bekannte Herr Faust, der seine größten Schweinereien unter dem bezeichneten Namen 'Mephisto' schrieb, beschäftigt sich jetzt nützlicher bei der Reinigung der Klosettanlagen im Konzentrationslager." [73]

Trotz des Verbots der Arbeiterpresse und der Massenverhaftungen von Funktionären der Arbeiterparteien und Gewerkschaften gelang es den Nationalsozialisten in Bremen nicht, die Opposition gänzlich zu unterdrücken. Informationen über Mißhandlungen von Inhaftierten im KZ Mißler und im Gefangenenhaus am Ostertor veranlaßten den Senat und den Oberstaatsanwalt, Untersuchungen vorzunehmen. Die überführte Prügel-SA-Wache wurde am 9. Mai 1933 durch SS-Leute ersetzt.

Um den Widerstand einzudämmen, versuchten die Nationalsozialisten, inhaftierte prominente Arbeitervertreter für die braune Propaganda zu ge-


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winnen. Dabei spielten groß initiierte und in den Zeitungen ausführlich dokumentierte Veranstaltungen mit Mißler-Häftlingen aus Anlaß des 1. Mai 1933, des "Feiertags der nationalen Arbeit", eine ebenso große Rolle wie das Bemühen, den bekanntesten KZ-Häftling in Mißler, Alfred Faust, als Autor gegen die "Lügen der Auslandspresse" zu gewinnen.

So veröffentlichte die Bremer Nationalsozialistische Zeitung am 13. August 1933 einen "Offenen Brief des SPD-Reichstagsabgeordneten an die 'Freie Presse' in Amsterdam. Diese hatte am 5. August 1933 einen mehrere Spalten langen Artikel verfaßt - mit der Überschrift: "Abgeordneter Faust von SA ermordet. Nach wochenlangem Martyrium in dem Konzentrationslager zu Tode geprügelt." Mit dem "Offenen Brief eines Ermordeten" an die "Freie Presse in Holland" widerlegte Alfred Faust in dem für ihn typischen Stil diese Falschmeldung und warnte die Auslandspresse im Interesse der KZ-Häftlinge vor weiteren Fehlinformationen:

"Es stimmt, daß ich mich seit Ende April in Schutzhaft und im Konzentrationslager Mißler in Bremen befinde. Es stimmt, daß ich mit dem grünen Wagen eingeliefert wurde: aber den schwarzen Wagen habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Im Gegenteil hoffe ich, bald in voller Gesundheit und per pedes apostolorum das Lager verlassen zu können! Niemand wird bestreiten, daß ein Konzentrationslager kein angenehmer Aufenthalt und kein Sanatorium ist! Niemand wird bestreiten, daß dieser Aufenthalt für jeden freiheitsliebenden Menschen, insbesondere für Geistesarbeiter, mit körperlichem Unbehagen und seelischer Bedrückung verbunden ist. Niemand wird schließlich bestreiten, daß jeder politische Gefangene sich mit ganzer Seele nach Freiheit sehnt [...] Es ist aber leider auch nicht zu bestreiten, daß Artikel mit so offenkundigen Falschmeldungen und Greuellügen nicht dazu beitragen, die Lage der Gefangenen zu verbessern, geschweige denn, den ersehnten Tag der Freiheit zu beschleunigen." [74]

Bereits fünf Tage danach konnten die Bremer Nachrichten und die Bremer Nationalsozialistische Zeitung einen weiteren aus ihrer Sicht positiven Bericht über das KZ Mißler veröffentlichen. Die Großfürstin Maria von Rußland, eine Kusine des letzten Zaren, stattete mit Reichsstatthalter Röver dem Bremer Konzentrationslager einen Besuch ab. Sie machte dabei der Presse gegenüber "aus ihrer Bewunderung für den neuen in Deutschland herrschenden Geist keinen Hehl. Der Unterschied zwischen dem damaligen deutschen Menschen und der heutigen deutschen Nation sei ein überaus auffallender gewesen. Heute sei, das habe sie auf den ersten Blick feststellen können, Disziplin, Ordnung, neuer Lebensmut in Deutschland eingezogen. Ein Vergleich von heute mit damals falle entschieden zugunsten des neuen Deutschland aus." [75]

Aber auch diese Pressekampagne hatte offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg. Die Bevölkerung der anliegenden Walsroderstraße wie auch der Hemmstraße, die gewollt oder ungewollt Zeuge mehrfacher Mißhandlungen wurde, erhob immer stärkeren Protest. Über die Angehörigen der Inhaftierten drangen weitere Informationen an die Bremer Öffentlichkeit. Die illegale "Arbeiterzeitung" der KPD verbreitete "Die Wahrheit". Und die illegale "Kampf-


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Zeitung der Wassertransportarbeiter Bremens", Der Scheinwerfer, berichtete im August 1933 erneut über die "Bremer SS, die Folterknechte des Kapitalismus". Diese Ausgabe informierte über die mutige Tat, die damals wie ein Lauffeuer nicht nur durch das Lager Mißler ging, sondern auch die oppositionellen Kräfte in Bremen ermutigte: Nach ständigen Mißhandlungen und Mordandrohungen forderte der damalige KAP-Genosse Jan Onasch seine Folterknechte im KZ Mißler auf: "Wenn ihr mich aufhängt, dann bitte so hoch, daß ihr mich bequem am Arsch lecken könnt." Schließlich mußte das inmitten der Stadt gelegene KZ Mißler aufgrund des Drucks der Bevölkerung am 11. September geschlossen werden.

Am 13. September 1933 teilte die BNZ mit: "Das Konzentrationslager Mißler in der Walsroderstraße ist aufgehoben worden, nachdem die Bemühungen, Arbeitsmöglichkeiten für die politischen Schutzhaftgefangenen ausfindig zu machen, zum Erfolge geführt haben. Der größte Teil der Schutzhäftlinge ist nunmehr auf einem Schiff untergebracht, das für Wohn- und Wirtschaftszwecke hergerichtet ist und unmittelbar bei der Arbeitsstelle liegt." Der größte Teil der Häftlinge - einschließlich Alfred Faust - wurde auf diesen Lloyd-Kahn 86 überführt, der bei Ochtumsand an der Ochtummündung lag.

Auch hier versuchte die Bremer NSDAP, die Häftlinge für ihre Propaganda einzuspannen. Alfred Faust mußte mit den drei prominenten Kommunisten Friedrich Müller, August Raschen und Heinrich Schramm am 8. Oktober 1933 aus dem KZ Ochtumsand in den Arbeiterstadtteil Bremen-Gröpelingen fahren. Sie sollten dort der Fahnenweihe der NSDAP-Ortsgruppe in der Lindenhofstraße beiwohnen und ihre Eindrücke über das Ereignis in der nationalsozialistischen Presse schildern.

In großer Aufmachung erschien dieser ganzseitige Artikel in der BNZ vom 13. Oktober 1933: "Alfred Faust sieht das neue Deutschland". Angesichts der zahlreichen Hakenkreuzfahnen, die im ehemals roten Gröpelingen an diesem Tage zu sehen gewesen waren, schrieb Faust: "Diese Fahrt hat mir eindeutig mehr als alles andere bewiesen, daß die Arbeiterschaft heute hinter der NSDAP und der Regierung steht. Und da die Regierung wirklich fest im Volke verankert ist, wäre jedes Arbeiten gegen dieselbe sinnlos."

Was waren die Motive der KZ-Häftlinge gewesen, die sich mit Faust "vom Saulus zum Paulus" bekehrten? War es Anpassung und Resignation oder die Hoffnung auf Hafterleichterung bzw. gar Haftentlassung? Wurden auch viele der von mir befragten, sich damals noch in Freiheit befindenden Widerstandskämpfer durch solche Aussagen verunsichert, so neigten die unter gleichen Bedingungen lebenden Mithäftlinge eher dazu, auf jenen ungeheuren Druck zu verweisen, unter dem die unfreiwilligen Mitarbeiter der BNZ standen. Schrieben sie wirklich selbst "um ihre Freiheit"? Waren die Texte frei erfunden oder unter Terror erpreßt worden? Auf jeden Fall gelang es Alfred Faust auch in diesen schwierigen Situationen, den schwungvollen, zum Sarkasmus neigenden Stil beizubehalten und in ironischer Distanz den einstigen politischen Gegner zu schmähen: "Spartagonien wurde früher dieser Bezirk getauft - die einzige Hochburg des Sowjetsystems, die einzigen Straßen Bre-


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mens, in denen die KPD bei den Wahlen absolute Mehrheiten erzielte. Das Fest der Fahnenweihe hat bewiesen, daß die Verhältnisse sich von Grund auf geändert haben. Heute herrscht nur das Hakenkreuz über 'Spartagonien'. Aus früheren Umzügen der Hitlerbewegung war die Erinnerung, daß das bürgerliche und kleinbürgerliche Element dominierte. Der Umzug durch Gröpelingen bewies, daß jetzt auch die Arbeiter gewonnen sind, denn nur Arbeiter waren im Umzug zu erkennen. Kannte ich sie nicht alle, so kannten sie mich, und hundertfach klang der Ruf 'Alfred' aus den Reihen der Demonstranten. Scherzten sie, lockten sie? - Wir waren Gefangene, saßen still und stumm und erwiderten - auf Anweisung - keinen Ruf und keinen Gruß." [76]

Kaum aus der Haft entlassen, beteiligten sich die Kommunisten August Raschen und Heinrich Schramm an Widerstandsaktionen, bevor sie erneut verhaftet wurden. Nicht ganz so eindeutig ist das Verhalten von Alfred Faust einzuordnen. In den durch die Lagerleitung zensierten Briefen, die er in jenen Tagen an seine Frau schrieb, verhehlte Faust seine Enttäuschung darüber nicht, daß die Nationalsozialisten in dem Vorspann zu dem Bericht den vorgeblichen Sinneswandel der vier Häftlinge skeptisch beurteilten. "Bin ein richtiger Pechvogel, alles wendet sich gegen mich. Nichts zu meinem Besten: weder daß ich mich freiwillig stellte, noch mein Holland-Brief, und jetzt die Gröpelingen-Fahrt, es ist zum Verzweifeln!" [77]

Alfred Faust mußte noch bis zum 28. Dezember 1933 im KZ Ochtumsand bleiben, bevor er in das Gefangenenhaus am Ostertor verlegt wurde, das er am 22. März 1934 verlassen konnte. Aus dem "Saulus war kein Paulus" geworden, wie Alfred Faust in der BNZ am 13. Oktober 1933 schrieb. Aus dem "Mephisto" wurde in Anlehnung an Wilhelm Kaisen ein "verklärter Faust". Faust beteiligte sich an keinen Widerstandsaktionen mehr. Er genoß den Schutz des Hitlerförderers und Kaffee HAG-Besitzers Ludwig Roselius, bei dem er schon vor 1918 als Werbefachmann tätig gewesen war und der den einstigen Leiter des Kommissariats für Presse und Propaganda beim Rat der Volksbeauftragten in der Bremer Räterepublik (vom Januar bis Februar 1919) jetzt in Berlin als Vertreter des Angelsachsen-Verlags Bremen unterbrachte.

6. Nachbemerkung: Niemand war dabei, und keiner hat's gewußt?

Die Konzentration der Darstellung auf die Rolle, die Alfred Faust als einer der prominenten Vertreter der Bremer Arbeiterbewegung in dem ersten Jahr nach der Machtübernahme des Hitlerfaschismus in Bremen unfreiwillig übernahm, macht deutlich, mit welcher Entschiedenheit, mit welchem Zynismus und mit welchen Mitteln die Nazis ihre Gegner verfolgten und einen Keil in den aufkeimenden Widerstand legen wollten. Ihre offene Propaganda und Zurschaustellung des Konzentrationslagers Mißler, die zahlreichen Zeitungsberichte und Bildreportagen erlaubten es allen Bremern, auf welcher Seite sie auch standen, relativ gut über die Absichten der Nationalsozialisten und die Geschehnisse in dem KZ informiert zu sein. Jeder Bremer konnte sich ein Bild von


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dem machen, was die Mehrheit der Bevölkerung in Bremen nach 1945 vergaß, verdrängte oder gar unterdrückte: die Existenz von Konzentrationslagern und später von zahlreichen Zwangsarbeitslagern mitten in ihrer Stadt. [78]

7. Anmerkungen

1. Überarbeitete Fassung eines Beitrag für die Jahrestagung der German Studies Association (GSA) in Salt Lake City/USA am 9.10.1998.

2. Zum Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) allgemein siehe u.a. die Arbeiten von Benz, 1968; Köhler, 1967; Preller, 1978; zum FAD in Bremen: Waldschmidt, 1982; Wollenberg u.a., 1983, S. 70ff.; Pfliegensdörfer, 1986, S. 36ff.

3. Zum KZ Ahrensbök-Holstendorf vgl. Lawrence D. Stokes, Das Eutiner Schutzhaftlager 1933/34, in: VfZG 1979, S. 570-625, und L. D. Stokes, Kleinstadt und Nationalsozialismus, 1984, S. 511-577. Zum FAD-Lager Holstendorf im Landesteil Lübeck des Freistaats Oldenburg vgl. Stokes, 1984, S. 240ff; Brather, 1998, S. 101ff.

4. Reichsgesetzblatt, Teil 1, 1932, S. 352, zitiert nach Waldschmidt, 1982, S. 67. Die Zahlen folgen den Angaben von Syrup, dem Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeit und "Reichskommissar für Arbeitsdienst", Rundschreiben 1932, S. 8.

5. Gutachterkommission zur Arbeitsanfrage, zweiter Teil, Berlin 1931, S. 8.

6. Junge Kämpfer, Nr. 2, 3. Jg., Februar 1931, S. 124.

7. Walter Fabian, Der proletarische Weg aus der Krise, Breslau 1932, S. 6

8. Wollenberg u.a., 1983, S. 77ff.; 115ff.

9. Die neue Erziehung, 12. Jg., Heft 12, 1932, S. 59, und Heft 6, Juni 1933, S. 239. Dagegen u.a. Theodor Bäuerle, Erwachsenenbildung und Arbeitsdienst. Grundsätzliches und Tatsächliches, 1932.

10. Zum Fall Radke vgl. Lawrence D. Stokes, Der Fall Radke. Zum Tode eines nationalsozialistischen "Märtyrers" und die Folgen in Eutin 1931-1933, in: Erich Hoffmann/Peter Wulf (Hrsg.), Wir bauen das Reich, Neumünster 1983; zu Gossel, Decker und dem Bornstraßen-Prozeß vgl. Marion Böhm, Politische Prozesse in Bremen 1929-1933, Hausarbeit für die erste Lehrerprüfung, 1967, S. 21ff. Das NSDAP-Mitglied Decker war nach der Goebbels-Rede in Bremen am 9. November 1931 im Gefolge einer NSDAP-Demonstration ermordet worden. Die Ursachen des Todes blieben ungeklärt. Der anschließende Decker-Prozeß ( auch Bornstraßen-Prozeß genannt, weil sich die Auseinandersetzungen in der Bornstraße ereigneten, wo zum gleichen Zeitpunkt die SAP tagte, um einen Schutzbund zu gründen) gewann dadurch Bedeutung, weil für die NSDAP Roland Freisler als Ankläger auftrat, während Kurt Rosenfeld die SAP- und Reichsbanner-Mitglieder verteidigte.

11. Anzeiger für das Fürstentum Lübeck, 31.7.1932, zitiert nach Stokes, 1984, S. 334f.

12. Brather, 1998, S. 103.

13. Gespräch mit Senator von Spreckelsen, 7.2.1933, zit. nach Waldschmidt, 1982, S. 73.

14. Vermerke der Bremer Polizeidirektion vom 7. Februar und 25. Februar 1933, zit. nach Waldschmidt, 1982, S. 73.

15. Wollenberg, 1982, S. 97ff.; Stokes, 1979, S. 570ff.

16. Wollenberg, 1982, S. 116ff.; Stokes, 1979, S. 689ff.

17. Wollenberg, 1982, S. 129ff.; Schwarzwälder, Bd. 4, 1985, 106ff.; Marßolek, 1986, S. 124ff.; Wieland, 1992, S. 36ff.

18. Stokes, 1979, S. 578; Ahrensböker Nachrichten vom 18.3.1934.

19. Schreiben von Paul Nevermann, dem späteren Hamburger Bürgermeister (SPD), vom 9.12.1933 an Käthe Buhrke, zitiert nach Stokes, 1984, S. 553. Die Mehrheit der "Schutzhäftlinge" der ersten Stunde stellte die KPD, u.a. Paul Puzicha, den Leiter des "Kampfbundes gegen den Faschismus", Albert Wehde, Hans Möller, Emil Paetau, Gustav Tralau, Paul Hamer, August Saalhof. Allein 41 Prozent der 293 Häftlinge im KZ Eutin und Ahrensbök waren Kommunisten; 14 Prozent Sozialdemokraten (Stokes, 1998, S. 36ff.).

20. Oldenburger Nachrichten für Stadt und Land, 9.7.1932, zitiert nach Heuzeroth, 1989, S. 23.

21. Vgl. Detlev Heiden/Gunther Mai, Thüringen auf dem Weg ins "Dritte Reich", Erfurt 1996, S. 223ff.

22. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6, Stuttgart 1993, S. 820; vgl. auch Fritz Dickmann, Die Regierungsbildung in Thüringen als Modell der Machtergreifung. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 14. Jg., 1966, S. 454ff.; Günter Neliba, Wilhelm Frick und Thüringen als Experimentierfeld für die nationalsozialistische Machtergreifung. In: Heiden/Mai, 1996, S. 95ff.

23. Staatsarchiv Oldenburg, Best. 136, Nr. 2861, zit. nach Heuzeroth, 1989, S. 34f.

24. StA.Old 136/2861, zit. nach Stokes, 1984, S. 368f.

25. Schwarzwälder, Bd. 4, 1985, S. 110ff.; Marßolek, 1986, S. 110ff.

26. Schwarzwälder, Bd. 4, 1985, S. 111.

27. Brather, 1998, S. 65f.

28. Heuzeroth, 1989, S. 22f.; Stokes, 1979, S. 603f.

29. Stokes, 1979, S. 574f.

30. Wollenberg, 1983, S. 128ff.

31. Vgl. Schwarzwälder, Bd. 4, 1985, S. 65ff.

32. Schwarz, 1996, S. 17.

33. H. G. Adler, Der verwaltete Mensch. Studie zur Deportation der Juden aus Deutschland, Tübingen 1974; Martin Broszat, Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, Stuttgart 1970; Andrzej J. Kaminski, Konzentrationslager 1896 bis heute. Eine Analyse, Stuttgart 1982; Wolfgang Sofsky, Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager, Frankfurt/M. 1993; Gudrun Schwarz, Die nationalsozialistischen Lager, Frankfurt/M. 1996; Gerhard Armanski, Maschinen


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des Terrors. Das Lager (KZ und Gulag) in der Moderne, Münster 1993.

34. Gerhard Hoch, Von Auschwitz nach Holstein. Der Leidensweg der 1200 jüdischen Häftlinge von Fürstengrube, Hamburg 1990 (Neuauflage 1998); Jörg Wollenberg, Die "Roten Kapos" - Hitlers unwillige Vollstrecker, in: Den Blick schärfen. Gegen das Verdrängen und Entsorgen, Bremen 1998, S. 136-159.

35. Stokes, 1979, S. 570-623; Stokes, 1984, S. 511-577; Wollenberg, 1982, S. 81-150; Konzentrationslager. Ein Appell an das Gewissen der Welt, Karlsbad 1934 (Probleme des Sozialismus. Sozialdemokratische Schriftenreihe, Nr. 9).

36. Stokes, 1984, S. 521.

37. Stokes, 1984, S. 522.

38. Ahrensböker Nachrichten, 1.4.1933; Stokes, 1984, S. 524.

39. Stokes, 1979, S. 570.

40. Erfreulicherweise bemüht sich seit einiger Zeit die Initiativgruppe "33" um die Aufarbeitung der verdrängten NS-Vergangenheit in Ahrensbök (vgl. den Bericht der Frankfurter Rundschau vom 12.8.1998, Nr. 185, S. 7). Denn immerhin beginnt in Ahrensbök im Jahre 1933 nicht nur die Geschichte des frühen Konzentrationslagers, hier endet auch im April 1945 der Todesmarsch von Auschwitz-Fürstengrube. Von A bis A und zurück - eine spannende Fallstudie über die NS-Zeit in einer Kleinstadt.

41. Vgl. Internationaler Suchdienst (Hrsg.), Vorläufiges Verzeichnis der Konzentrationslager und deren Außenkommandos, Arolsen 1969.

42. Über den Laue-Prozeß, der im Kamin-Saal des Rathauses zu Bremen im Januar 1949 stattfand, berichtete der Weser-Kurier am 20., 22. und 25.1.1949. Laue wurde zu 4 Jahren Sonderarbeit und 25% Vermögensentzug verurteilt. Im April 1951 fand vor der Großen Strafkammer des Landgerichtes Bremen ein weiterer Mißler-Prozeß statt.

43. Lübecker Freie Presse, 17.5.1949; Stokes, 1984, S. 576f; Brather, 1998, S. 136; Akten der Staatsanwaltschaft Lübeck IV 401 AR 405/75. Wegen Mißhandlungen von "Schutzhäftlingen" im KZ Ahrensbök wurden außerdem angeklagt: Walter Tiesch (am 16.6.1948, 3 Jahre Gefängnis) und Siegfried Beilisch (am 18.9.1950, Freispruch).

44. Weser-Kurier, 17.4.1951.

45. Stokes, 1979, S. 594; vgl. auch die Akten des LG Lübeck: 4 a Ks 8/48 vom 16.6.1948 und 4 Ks 11/49 vom 14.5.1949.

46. Vgl. Schwarzwälder, Bd. 4, 1985, S. 271; Stokes, 1998, S. 58.

47. Stokes, 1984, S. 562/63.

48. Martin Broszat, Merkur, Nr. 39, 1985, S. 373-385; Karlheinz Weißmann, Rückruf in die Geschichte, 1993; Ernst Nolte, Streitpunkt. Heutige und künftige Kontroversen um den Nationalsozialismus, 1994; Stéphane Courtois / Joachim Gauck u. a. (Hrsg.), Le Livre Noir du Communisme (Schwarzbuch des Kommunismus), 1998.

49. Vgl. dazu u. a. Joachim Neander, Das Konzentrationslager Mittelbau in der Endphase der NS-Diktatur, 1997, S. 167ff.

50. Vgl. u.a. Karl Heinz Roth, Das Ende eines Mythos. Ludwig Ehrhard und der Übergang der deutschen Wirtschaft von der Annexions- zur Nachkriegsplanung (1939 bis 1945), in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte der 20. und 21. Jahrhunderts, 1995, 4, S. 53-93; 1998, 1, S. 92-123.

51. Rainer Zitelmann, Adolf Hitler - eine politische Biographie, 1989, S. 122; vgl. auch Prinz/Zitelmann (Hrsg.), Nationalsozialismus und Modernisierung, 1991.

52. Elsner, 1992, hier S. 99f.

53. Vgl. David Schönbaum, Die braune Revolution, 1968, S. 114.

54. Herman Nohl, Pädagogische Bewertung oder pädagogische Reaktion? In: Pädagogik aus 30 Jahren, 1949, S. 237ff. Mit Nohl sahen vor allem die führenden Repräsentanten der "Neuen Richtung der Volksbildung" und der Jugendbewegung in den Lagern des freiwilligen Arbeitsdienstes die Chance, "eine auf nationalpädagogische Ziele und einen 'gesunden Volkskörper' verpflichtete Pädagogik" als Volksgemeinschaftskonzept zu begründen.

55. Stokes, 1979, S. 572.

56. Ulrich Herbert, Fremdarbeiter, 1995, S. 41.

57. Eugen Rosenstock, Arbeitsdienst - Heeresdienst? Jena 1932; Theodor Bäuerle, Der Arbeitsdienstgedanke und seine Verwirklichung. In: Die Erziehung, Nr. 7, 1932, S. 405-412; vgl. zur Gesamtproblematik: H. Tuguntke, Demokratie und Bildung, 1988, S. 51ff.

58. Hitler am 15. Februar 1933 an Louis P. Lochner. In: Max Domarus (Hrsg.), Hitler. Reden und Proklamationen, Wiesbaden 1973. Bd. 1, S. 212.

59. Vgl. u.a. W. F. Haug (Hrsg.), Deutsche Philosophen 1933, Hamburg 1989; Thomas Laugstien, Philosophische Verhältnisse im deutschen Faschismus, Hamburg 1990; Monika Leske, Philosophen im Dritten Reich, Berlin 1990; Werner Mosse/Arnold Rauckert (Hrsg.), Entscheidungsjahr 1932. Die Judenfrage in der Endphase der Weimarer Republik, Tübingen 1965; Michael H. Kater, Studentenschaft und Rechtsradikalismus in Deutschland 1918-1933, Hamburg 1975; Martin Broszat/Klaus Schwabe (Hrsg.), Die deutschen Eliten und der Weg in den zweiten Weltkrieg, München 1989; Jörg Tröger (Hrsg.), Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, Frankfurt/Main 1995; Victor Farias, Heidegger und der Nationalsozialismus, Frankfurt/Main 1987; Rudiger Safranski, Ein Meister in Deutschland. Leben und Werk Martin Heideggers, München 1995; Helmut Heiber, Universitäten unterm Hakenkreuz, München 1991; Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1879. Bd. 6, Stuttgart 1993; Fritz K. Ringer, Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890-1933, Stuttgart 1983; H. P. Bleuel, Deutschlands Bekenner-Professoren zwischen Kaiserreich und Diktatur, Bern 1968; G. Hübinger/W. J. Mommsen, Intellektuelle im deutschen Kaiserreich, Frankfurt/Main 1993; Jürgen u. Wolfgang von Unger-Sternberg, Der Aufruf "An die Kulturwelt!", Stuttgart 1996; Jörg Wollenberg, "Völkerversöhnung" oder "Volksversöhnung". Volksbildung und


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politische Bildung in Thüringen 1918-1933, Bremen 1998; Wolfgang Keim,Erziehung unter der Nazi-Diktatur, Bd. I u. II, Darmstadt 1997; Jörg Wollenberg, "Juden raus! Lessing raus!" Wie in "Deutschland die Tötung eines geistigen Menschen abrollt" (A. Zweig), in: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung, 6. Jg., 1997, 1, S. 22-39.

60. Die Erziehung, 8. Jg., April 1933, S. 401ff.

61. Theodor Wilhelm, Deutschland, wie es wirklich ist. Ein Wort an das Ausland, Berlin 1934, S. 54. Wilhelm verherrlichte nicht nur den Krieg, er rechtfertigte auch den Holocaust in der von ihm redigierten Internationalen Zeitschrift für Erziehung (1944, S. 9). Der nach dem Krieg zunächst in Flensburg, dann in Kiel wirkende Theodor Wilhelm publizierte nach 1945 unter dem Pseudonym Friedrich Oetinger.

62. Schreiben von W. Haverbek vom 23.2.1999.

63. Regierungspräsident Böhmcker gehört zu den Vertretern, die schon aus finanziellen Gründen ab März 1933 immer wieder Versuche unternahmen, Zwangsarbeit für Schutzhäftlinge im KZ anzuordnen, ohne daß dafür rechtliche Möglichkeiten bestanden; vgl. Stokes, 1984, S. 523. Auch der für Mißler zuständige Polizeisenator Laue klagte über die hohen Ausgaben des Senats für das KZ Mißler und bemühte sich um einen Zuschuß vom Reich zu den 600 RM, die ein Schutzhäftling jährlich kostete. Zu prüfen wäre, ob für die Tätigkeiten der KZ-Insassen in Ahrensbök und Bremen Reichszuschüsse gezahlt wurden, als diese gezwungen wurden, FAD-Projekte in Havekost und in Ochtumsand fortzusetzen.

64. Vgl. Michael Schneider, Das Arbeitsbeschaffungsprogramm des ADGB. Zur gewerkschaftlichen Politik in der Endphase der Weimarer Republik, 1975, S. 146.

65. So eine Mitteilung des "Deutschen Reichsdienst" vom September 1932, die in der Bremer Volkszeitung vom 10.9.1932 zitiert wird.

66. L. Preller, Sozialpolitik in der Weimarer Republik, 1978, S. 452.

67. Weser-Zeitung, Nr. 498 A vom 10.9.1932.

68. BNZ, 6.5.1933.

69. BN, 2.5.1933.

70. Stokes, 1984, S. 432.

71. Vgl. dazu die Polizeiakten im Staatsarchiv Bremen unter 4,65 II A. 12.b.1.

72. BNZ 10.7.1933

73. BNZ 10.7.1933.

74. BNZ 13.8.1933.

75. Bremer Nachrichten 18.8.1933.

76. BNZ 13.10.1933.

77. Vgl. H. Gebhardt, 1979, S. 215.

78. Ich beziehe mich dabei auf die Ergebnisse der sozialgeschichtlichen Forschungsprojekte "Geschichte der Arbeiterbewegung und Arbeiterbildung in Bremen 1905 und 1952" (Wollenberg u.a., 1983) und "Soziale Biographien von Industriearbeitern" (Peter Alheit u.a.). In diesen Oral-History-Projekten wurden u.a. über 100 "Arbeiterveteranen" aus Bremen und Nürnberg befragt, vgl. dazu u.a. Peter Alheit/Jörg Wollenberg, Erfahrung und Erwartung - Überlegungen zum politischen Stellenwert des Biographie-Konzepts, in: Jörg Wollenberg, Erfahrung und konkrete Utopie, Nürnberg 1992, S. 259-268; Jörg Wollenberg, Den Blick schärfen - Gegen das Verdrängen und Entsorgen, Bremen 1998, S. 179-203; Geschichte erzählt, Politische Arbeiterbiographien, hrsg. von P. Alheit und J. Wollenberg, Bd. I: Käthe Popall, Fischerhude 1985; Bd. II: Otto Kraus, Fischerhude 1987. Ein Teil der Biographien liegt in der Video-Filmreihe "Bremer Arbeiterbiographien" von I. Gerstner, H. G. Hofschen, W. Jung, M. Müser und J. Wollenberg ausführlich dokumentiert vor (Kooperation Universität Arbeiterkammer, Bremen 1982ff.)

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Wollenberg, Jörg: Von Ahrensbök bis Auschwitz und zurück. Eine Großgemeinde im Nationalsozialismus (in Vorbereitung für 2000).


Abbildungsnachweise:

Abb. 1: Bremer Nachrichten 5.5.1933
Abb. 2: Privatfoto, aufgenommen von der Ehefrau des Häftlings Georg Buckendahl, in: Wollenberg u.a., Von der Krise zum Faschismus, Frankfurt/Main 1983, S. 161.
Abb. 3: Bremer Nachrichten 21.6.1933
Abb. 4: Sta HB, Bildersammlung
Abb. 5: Carl Röver (aus Schwarzwälder, Die Machtergreifung der NSDAP in Bremen 1933, Bremen 1966).
Abb. 6: Heinrich Brömcker (aus Schwarzwälder 1985, Bd. 4, Hamburg 1985, S. 273).
Abb. 7: Gebäude Holstendorf. Foto: J. Medenwaldt.
Abb. 8: Ahrensböker Nachrichten 18.5.1945
Abb. 9: Ahrensböker Nachrichten 18.3.1933
Abb. 10: Arbeiter-Illustrierte-Zeitung 12.10.1933
Abb. 11: Bremer Nationalsozialistische Zeitung 23.7.1933


Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 36 (1999) S. 3 - 38. Im Original enthält der Beitrag 11 Abbildungen.


Der Verfasser: Jörg Wollenberg, geb. 1937 in Ahrensbök/Ostholstein, Studium der Geschichte, Politischen Wissenschaften, Germanistik und Philosophie in Hamburg und Göttingen. 1966 - 1971 pädagogischer Mitarbeiter bei den Arbeitsgemeinschaften für ländliche Erwachsenenbildung und bei "Arbeit und Leben" in Hannover und Göttingen. 1971 - 1978 Leiter der Volkshochschule Bielefeld und von 1985 - 1992 des Bildungszentrums der Stadt Nürnberg. Seit 1978 Professor der Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Politische Bildung an der Universität Bremen. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Sozialgeschichte der Arbeiterbewegung und Volksbildung, zum Nationalsozialismus und zur politischen Kultur der Bundesrepublik.


Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 36

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