Den "Tag der Befreiung" zu wählen, war naheliegend, da in Schleswig-Holstein mit dem 27. Januar und dem 9. November schon zwei zentrale Gedenktage öffentlichkeitswirksam seitens der Politik begangen werden. Dagegen wird derzeit der 8. Mai nur wenig und wenn, dann an runden Jahrestagen von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Er eignet sich aber wegen seiner Ambivalenz in der damaligen und auch heutigen Wahrnehmung ("Tag der Befreiung" gegen "Tag des Kriegsendes, der Niederlage") sehr, um auch kritisch an die TäterInnen und die Taten, das Wegschauen, das Mitläufertum und den geringen Widerstand zu erinnern.
Die Aktion "Ein Land erinnert sich" soll dabei die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte vor Ort befördern/anregen und dient gleichzeitig dazu, innerhalb des Landes unterschiedliche Gruppen zu einer gemeinsamen Aktion zu koordinieren und auf Dauer zu vernetzen.
Während im ersten Jahr der Aktion, 1998, sich aufgrund des Zeitdrucks und trotz des großen Engagements von Eckhard Colmorgen nur wenige VeranstalterInnen zum Mitmachen bereitfanden und auch die Beteiligung und das Presseecho nur schwach waren, hatte der Vorstand für 1999 aus den Erfahrungen gelernt und hoffte auf eine breitere Resonanz.
Wiederum wurde ein Faltblatt erstellt, das in allen beteiligten Orten ausgelegt wurde. Mit den Städten Kiel, Lübeck, Bad Segeberg und der Aktion "Blumen für Gudendorf" waren vier von sieben Veranstaltern gleich geblieben. Reinbek, Glinde/Kreis Stormarn und Eckernförde waren hinzugekommen, Flensburg und Itzehoe hatten sich leider nicht mehr beteiligt. Die Hoffnung auf weitere Verbreitung der Aktion trog also.
Nichtsdestotrotz sollte der Akens auch im nächsten Jahr noch einmal versuchen, mit "Ein Land erinnert sich" dem Mai 1945 zu gedenken und weiterhin vernetzend zu arbeiten. Knapp 100 Menschen (mit der extra für sich werbenden Gedenkveranstaltung in Gudendorf sogar 200 Menschen) haben schließlich an den Rundgängen teilge-
nommen, was meines Erachtens als Erfolg zu werten ist. Die positive Rückmeldung der VeranstalterInnen an den Akens unterstützt diese Bewertung.
Der Akens könnte mit der Koordination zum "Tag der Befreiung" nicht nur diesen im öffentlichen Bewusstsein präsenter machen. Vielmehr ist diese Aktion auch Mittel zum Zweck zur Vernetzung eines kleinen Teils der Geschichts"bewegung" in Schleswig-Holstein. Und gerade dies hat sich der Akens zwar immer noch offiziell auf seine Fahnen geschrieben, aber tatsächlich in den letzten Jahr(zehnt)en nicht mehr ausreichend leisten können.
Meines Erachtens sind Treffen von denjenigen, die Geschichte vor Ort vermitteln wollen, und auch die Koordination von gemeinsamen Veranstaltungstagen ein gutes Mittel, um wieder ein gemeinsames Bewusstsein für die Sache "Auseinandersetzung mit der NS-Zeit" zu schaffen. In diesem Sinne hoffe ich, dass es auch im nächsten Jahr wieder heißt: "Ein Land erinnert sich. Stadtführungen zur lokalen NS-Geschichte anlässlich des Kriegsendes im Mai 1945. Koodiniert vom Akens e.V."
Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 36 (1999) S. 90-91.
Der Verfasser: Frank Omland, geboren 1967, ist Sozialpädagoge und in Hamburg bzw. Kiel bei der Organisation und Durchführung antifaschistischer Stadtrundgänge aktiv. Er arbeitet im Themenbereich Nationalsozialismus vorrangig zu den Aspekten Jugend, soziale Arbeit und Wahlen sowie zum Neofaschismus der Gegenwart.
Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 36