Die Einweihung des „Adolf-Hitler-Koogs“ am 29. August 1935 – Landgewinnung und Propaganda im Nationalsozialismus
Ende August 1935 stand Dithmarschen im Mittelpunkt des reichsweiten Interesses. Adolf Hitler fuhr mit seiner Entourage von Kiel aus an die Westküste, um dort einen neuen Koog auf seinen Namen einzuweihen. Heute vor 70 Jahren, am 29. August 1935, wurde Adolf-Hitler-Koog offiziell seiner Bestimmung und den Siedlern übergeben. 1333 Hektar Land waren dem Meer „abgerungen“ worden. Nach dem Krieg bekam das symbolträchtige Neuland den Namen Dieksanderkoog.
Nach einer regerechten
Umbenennungswelle im März und April 1933 führten die Nationalsozialisten die
Maxime ein, dass nur noch neu geschaffene Straßen und Ortschaften nach
prominenten Nationalsozialisten benannt werden sollten. Ein neuer Koog war
deshalb ein ideales Projekt und hatte zudem eine hohe symbolische Bedeutung.
Die Idee für die Namensgebung stammte aus einer lokalen Initiative der
NSDAP-Ortsgruppe Friedrichskoog, die mit diesem Vorschlag bereits im April 1933
an staatliche Stellen herantrat.
Der schleswig-holsteinische
Gauleiter und Oberpräsident, Hinrich Lohse, stellte bereits 1933 einen
ambitionierten „Generalplan für die Landgewinnung in Schleswig-Holstein“ auf,
der während eines Zeitraums von zehn Jahren viele Arbeitslose in Beschäftigung
bringen sollte. Dass die Pläne für die Landgewinnung aus der Zeit der Weimarer
Republik stammten, verschwiegen die Verantwortlichen dabei. Das Projekt sollte
nach Möglichkeit als ein genuin nationalsozialistische Leistung erscheinen. In
den Jahren 1933 und 1934 waren 8000 Arbeitslose aus Dithmarschen, Kiel und
Hamburg sowie 1500 Reichsarbeitsdienstmänner mit Landgewinnungsarbeiten an der
Westküste beschäftigt.
Lohse plante in seinem „Generalplan
für die Landgewinnung in Schleswig-Holstein“ weit über die Gegenwart hinaus. In
einem Zeitraum von zehn Jahren sollten rund 45 000 Morgen Land – gut 11 000
Hektar – eingedeicht werden. In den weit reichenden Planungen hatte Lohse die
Vision, in 100 Jahren 43 neue Köge zu schaffen. 10 000 Menschen sollten dort
leben und arbeiten.
Die ‚Rasse’ spielte in dem
Landgewinnungsprojekt eine entscheidende Rolle. Der Kreisbauernführer des
damaligen Kreises Süderdithmarschen wählte im Auftrag des Reichsnährstandes die
93 Siedler des Adolf-Hitler-Koogs persönlich aus. Nur überzeugte
Nationalsozialisten aus Dithmarschen erhielten eine Siedlerstelle im
Vorzeigekoog. Die nationalsozialistische Koog-Gemeinschaft sollte nach außen
ein Symbol der NS-Volksgemeinschaft abgeben.
In seiner Einweihungsrede beschrieb
Adolf Hitler am Beispiel der Landgewinnung Arbeit als steten Kampf, und den
Adolf-Hitler-Koog als „ein Symbol der Arbeit und des ewigen Ringens“. Er
bemühte das Bild, dass das gesamte Deutschland ein Koog sei, den es zu schützen
gelte. Der Adolf-Hitler-Koog sollte somit gezielt als eine Demonstration des
„friedlichen Aufbauwillens“ des nationalsozialistischen Deutschlands
präsentiert werden. Zu diesem Zweck reisten seit 1935 zahlreiche Delegationen
ausländischer Politiker und Journalisten nach Dithmarschen und zeigten sich
häufig von der inszenierten Gemeinschaft im NS-Koog beeindruckt.
Das Verkehrsaufkommen der
Schaulustigen im Adolf-Hitler-Koog nahm schnell solche Ausmaße an, dass eine
Asphaltierung der Straßen als notwendig erschien. Wegen der propagandistischen
Bedeutung des Hitler-Koogs übernahm das Propagandaministerium die Kosten, wie
es auch mehrfach Broschüren und Veröffentlichungen finanzierte. Filme wie
„Trutz blanke Hans“ (1935) und „Neuland am Meer“ (1938) sowie regelmäßige
Radioübertragungen von der Westküste machten die Landgewinnungsarbeiten und den
Adolf-Hitler-Koog im ganzen Deutschen Reich bekannt.
Der zentrale Ort im
Adolf-Hitler-Koog war die vom Kieler Architekten Richard Brodersen gestaltete
Neulandhalle, die ein Jahr nach der Einweihung des Koogs fertiggestellt wurde.
Sie diente als Gemeinschafts- und Versammlungsort und war innen und außen eine
architektonische Umsetzung nationalsozialistischer Werte. An der Nordseite
befanden sich die überlebensgroßen und stilisierten Plastiken eines Soldaten
und Arbeiters, am Turm thronte ein Reichsadler mit Hakenkreuz. Im Inneren gab
es Unterkünfte, Arbeitsräume und einen zentralen Versammlungsraum mit einem
Kamin. Auf vier großen Wandbildern stellte der Altonaer Künstler Otto Thämer
die Landgewinnungsarbeiten als Arbeit des Einzelnen für die Gesamtheit dar.
Hinrich Lohse betrieb als
Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein seine eigene Propagandakampagne
über die Landgewinnungsarbeiten. Er wollte damit das öffentliche Profil
Schleswig-Holsteins schärfen und hatte ein Gespür für die symbolische Bedeutung
der neuen Köge. Persönlich achtete er auf eine positive Berichterstattung in
der Presse und intervenierte bisweilen bei ihm unliebsamen Artikeln. Mitte der
1930er-Jahre entstanden weitere Siedlungen im Kreis Eiderstedt mit dem
Hermann-Göring-Koog (heute Tümlauer Koog) und dem Horst-Wessel-Koog (heute
Norderheverkoog). Der Mittelpunkt der propagandistischen Außendarstellung blieb
aber eindeutig der Adolf-Hitler-Koog.
Nach 1937 traten die
Landgewinnungsarbeiten angesichts der großen Schwierigkeiten und der geringen
Geschwindigkeit dann zunehmend in den Hintergrund. Mit dem Beginn des Zweiten
Weltkrieges wurde es in der Presse sehr ruhig um dieses Thema. Jetzt wurden
keine „Friedenswerke“ mehr für das Ausland benötigt, sondern riesige Gebiete in
Osteuropa erobert, gegen welche das gewonnene Neuland an der
schleswig-holsteinischen Westküste verschwindend klein war.
(Dithmarscher Landeszeitung vom
29.8.2005)
Für weitere Informationen zum Thema siehe den Artikel des Autors: „Volk ohne Raum schafft Raum“. Rassenpolitik und Propaganda im nationalsozialistischen Landgewinnungsprojekt an der schleswig-holsteinischen Westküste, in: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte 45 (2005), S. 4-31.