1938 richtete der Reichsarbeitsdienst (RAD) für 250 junge Männer ein Barackenlager nordöstlich von Ladelund ein. Die Mannschaft war mit Entwässerungsmaßnahmen, Ödlandkultivierung, Aufforstung und Straßenbau befasst.
Im Herbst 1944 wurde das Barackenlager in eines der über 80 Außenlager des Konzentrationslagers Hamburg-Neuengamme umfunktioniert. Am 1. und 2. November 1944 wurden über 2000 Häftlinge aus fast allen Staaten Europas – die größte Gruppe stammt aus den Niederlanden – aus dem KZ Neuengamme nach Ladelund geschafft, um den so genannten Friesenwall in Zwangsarbeit und mit einfachsten Mitteln anzulegen. In den sechs Wochen bis zur Auflösung des Lagers am 16. Dezember 1944 kamen von den mehr als 2000 Häftlinge über 300 ums Leben, unter ihnen allein 111 aus dem niederländischen Dorf Putten.
Die Männer starben überwiegend an Unterernährung, Seuchen, Unterkühlung, Erschöpfung und Misshandlungen. Die Toten wurden am Rande des Dorffriedhofs vom damaligen Gemeindepastor Johannes Meyer in
neun Gemeinschaftsgräbern beigesetzt; ihre Namen wurden in den Kirchenbüchern und an den Gräbern verzeichnet. Im Winter 1944/45 wurde in den Baracken ein Behelfslazarett betrieben, anschließend wurden die Baracken vorwiegend als Flüchtlingsquartiere genutzt.
Ladelund ist die älteste Gedenkstätte Deutschlands, die nachweislich bereits Ende der 40-er Jahre und offiziell 1950 mit der selbstkritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des KZ und mit dem Gedenken an die Opfer unter Einbeziehung der betroffenen Angehörigen begonnen hat. So war es die Entscheidung der Angehörigen der Opfer, die Toten auf dem Ladelunder Friedhof zu belassen. Die Gräber wurden der Ausgangs- und Mittelpunkt einer langjährigen Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit, die von einigen Überlebenden sowie vielen Angehörigen und Nachkommen der Opfer, Einheimischen und einem engagierten Freundeskreis bis heute mitgetragen wird. Die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte ist die einzige KZ-Gedenkstätte in kirchlicher Trägerschaft.
Das ehemalige Lagergelände ist heute wie vor der Zeit des Nationalsozialismus wieder landwirtschaftlich genutzte Fläche. Am Rande des ehemaligen Lagerareals wurde 1985 ein Gedenkstein errichtet, der an das KZ-Außenkommando Ladelund 1944 erinnert und den ersten Satz des deutschen Grundgesetzes zitiert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Daneben erinnert eine im Jahr 2002 von gehörlosen Jugendlichen des Theodor-Schafer-Berufsbildungswerkes im Rahmen eines pädagogischen Projektes geschaffenen Stahlskulptur an die Gefangenen.
1984 wurde im Rahmen eines Schulprojektes eines Flensburger Gymnasiums unter der Leitung von Dr. Jörn-Peter Leppien die erste Dokumentation und Ausstellung über das KZ Ladelund geschaffen. Sie ging als Wanderausstellung durch viele Schulen Schleswig-Holsteins und ist noch heute mit ihren 23 Text- und Bildtafeln ausleihbar.
1989 wurde in Ladelund in Sichtweite der Gräber ein Dokumentenhaus errichtet, um der Ausstellung einen festen Platz am historischen Ort zu geben. Die Ausstellung wurde von Fachleuten überarbeitet und neu gestaltet. Sie wird als wissenschaftliche Dauerausstellung über das KZ Ladelund mit seiner Vor- und Nachgeschichte wissenschaftlich betreut und für die Information und Auseinandersetzung von Besucherinnen und Besuchern aller Generationen genutzt.
Die Ausstellung erinnert an das Schicksal der Häftlinge, macht deutlich, wie dieses Konzentrationslager entstehen konnte, wie sich die einheimische
Bevölkerung dazu stellte, welchen Bedingungen die Häftlinge ausgesetzt waren und welche Schuld die Täter auf sich nahmen. Die Ausstellung zeigt aber auch, wie es nach 1945 zur Annäherung zwischen den Ladelundern und den Angehörigen der Opfer – vor allem aus Putten in den Niederlanden – gekommen ist. So wurde die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund zentraler Ort der Information und außerschulischer Lernort, aber auch Ort der Begegnungen.
Nach jahrzehntelanger ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit wird die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund seit 1995 durch eine hauptamtliche Kraft betreut, erfordert aber auch weiterhin umfangreiches ehrenamtliches Engagement.
Die Zahl der Besucher und Gruppen in der Gedenkstätte nahm seit 1995 kontinuierlich zu. Im Jahr 1999 besuchten rund 10.000 Menschen die Einrichtung, im Jahr 2001 waren es bereits über 12.000 Personen, und seit 2004 werden jährlich mehr als 14.000 Besucherinnen und Besucher gezählt. Mehr als 200 Gruppen pro Jahr nehmen die pädagogischen Angebote der Gedenkstätte in Anspruch.
Im Jahr 2006 wurde mithilfe einer europäischen Förderung und über 200.000 Euro Spendenmitteln das für die wachsende Arbeit nicht mehr ausreichende Gebäude baulich erweitert.
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Petri Ladelund in Kooperation mit dem Ev.-luth. Kirchenkreis Südtondern. Die Erweiterung 2006 erfolgte in der Kooperation mit der politischen Gemeinde Ladelund.
38 % von der Kirchengemeinde, dem Kirchenkreis und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, 30 % vom Land Schleswig-Holstein über die Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten, 32 % aus Spenden und Kollekten.
Eine hauptamtliche Stelle für Leitung, pädagogische Arbeit, Verwaltung, Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen, Zeitzeugenbetreuung, Archiv, Qualifizierung Ehrenamtlicher usw.
Sechs Wochenstunden Friedhofsgärtner für die Pflege der Gräber und Außenanlagen
Jährlich etwa 800–1200 Stunden ehrenamtliche Arbeit, größtenteils geleistet von etwa 20 Personen, für Aufsicht im Hause, Führungen und pädagogische Hilfe, Betreuung von Zeitzeugen und anderen Gästen der
Gedenkstätte, Jugendbegegnungen, Hilfe bei Veranstaltungen, Übersetzungsarbeit bei Führungen, Archiv, Bibliothek und Filmmaterial, Pflege
der Adressendatei, Pflege der Gräber und Außenanlagen, Gräberpflege, Gebäudereinigung, Gremienarbeit usw. Darin sind noch nicht enthalten die Leistungen für wissenschaftliche Betreuung, Veröffentlichungen und schriftliche Übersetzungsarbeiten, die ebenfalls ausschließlich ehrenamtlich geleistet werden.
Zeitzeugengespräche, Konfirmandeneinheiten, pädagogische Konzepte für Schulklassen ab Klasse 7 und außerschulische Arbeit, Führungen und Gespräche für altersunspezifische Gruppen, Führungen und Gespräche für Zeitzeugen, „Kriegskinder“ und Angehörige der 2. und 3. Generation.
Seit 2004 jährlich über 14.000 BesucherInnen.
Im Jahr 2006 wurde nach siebenjähriger Planungsphase die bauliche Erweiterung des Dokumentenhauses realisiert.
Harald Richter,„Wir haben das Selbstverständliche getan“. Ein Außenlager des KZ Neuengamme bei uns in Ladelund, Gräber auf dem Friedhof und Erfahrungen, für die wir dankbar sind. In: Detlef Garbe (Hg.), Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik. Bornheim-Merten: Lamuv Verlag 1983, S. 121-143.
Jörn-Peter Leppien, „Das waren keine Menschen mehr…“ Aus der Chronik der Kirchengemeinde. Pastor Johannes Meyer über das Konzentrationslager Ladelund 1944. Eine quellenkritische Studie. Flensburg: Grenzfriedensbund 1983. Überarbeitete und stark erweiterte Neuausgabe in Vorbereitung. Arbeitstitel: Pastor Johannes Meyer und das Konzentrationslager Ladelund. Legende und Wirklichkeit.
Konzentrationslager Ladelund 1944. Wissenschaftliche Dauerausstellung in der KZ-Gedenkstätte Ladelund Schleswig-Holstein, bearb. v. Jörn-Peter Leppien, Klaus Bästlein, Johannes Tuchel. Ladelund: Ev.-luth. Kirchengemeinde 1990. 2. verb. Aufl. 1995. Niederländische Ausgabe 1990. Dänische Ausgabe 1990 (2. verb. Auflage in Vorbereitung). Englische Ausgabe 2003.
Oliver Schultz, „Wenn Zahlen zu Gesichtern werden“. Spurensuche nach Angehörigen von Ladelunder KZ-Opfern in Polen. Flensburg: Grenzfriedensbund 1993 (in deutscher und polnischer Sprache) 2. verb. Aufl. 1995.
Jörn-Peter Leppien, Zur Geschichte des KZ Ladelund. Forschung und Vermittlung. In: Nationalsozialismus in Nordfriesland. Beiträge von der Fachkonferenz am 60. Jahrestag der „Machtergreifung“, hg. v. Nordfriisk Instituut u. v. Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte. Bredstedt 1993, S. 66-70.
Jannes Priem/Willem Torsius, „Vergeben nicht vergessen“. Beiträge zum 50. Jahrestag der Befreiung in Ladelund am 4. Mai 1995 (zweisprachige Veröffentlichung in Deutsch u. Niederländisch). Ladelund: Ev.-luth. Kirchengemeinde 1995. 2. verb. Auflage 1999.
Minderheiten in der NS-Zeit. Vom getrennten Gestern zum verbindenden Heute, hg. v. Karin Penno, KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund. Projekt im Rahmen des Schleswig-Holsteinischen Expo-Projektes „Kulturen, Sprachen, Minderheiten – Die deutsch-dänische Region, Beispiel einer Konfliktlösung“. Niebüll 2000.
Karin E. Penno, KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund. In: Detlef Gause/Heino Schomaker (Hg.), Das Gedächtnis des Landes. Hamburg 2001, S. 74-86.
Ulrich Jeß, Mahnmal aus rostigem Stahl. Jugendliche schufen eine Skulptur für die Gedenkstätte Ladelund. In: Grenzfriedenshefte (Flensburg) 3/2002, S. 189-191.
Heinz-Werner Arens, „Geschichte als Auftrag“. Ansprache zum 60-jährigen Gedenken an die Opfer des Konzentrationslagers Ladelund. In: Grenzfriedenshefte (Flensburg) 4/2004, S. 271-274.
KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund, Raiffeisenstr. 3, 25926 Ladelund, Tel. 04666/449, Fax 989537.
E-Mail: k.penno@kz-gedenkstaette-ladeund.de
Homepage: www.kz-gedenkstaette-ladelund.de
Dienstag bis Freitag 10–16 Uhr, Samstag und Sonntag 14–16 Uhr und nach Vereinbarung. Das ehemalige Lagergelände und die Gräber der KZ-Toten auf dem Friedhof der Kirchengemeinde sind jederzeit frei zugänglich.
Karin Penno-Burmeister
Veröffentlicht in den Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 47 (2006) S. 108 - 112. Im Original enthält der Beitrag 1 Abbildung.
Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 47